„Boum, tss, uuuh!“: Hände hoch mit JENIX
Samstag, 11. September 2010 | Text: Jörg-Christian Schillmöller
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Ziemlich genau um 21.45 Uhr verwandelt sich die Lichtung am Ubierring in eine Beatbox: Jenny – die Sängerin von Jenix – hat die 120 Fans in zwei Gruppen geteilt. Die linke Hälfte macht „boum!“, die rechte „tss!“ – und dann alle zusammen „uuuh!“ – so geht das dreimal, viermal: „boum, tss, uuuh! boum, tss, uuuh!“. Das Publikum ist begeistert, Jenny strahlt – und der Band gelingt auch in der Südstadt das, was sie seit Jahren auf vielen Livekonzerten schafft: ein fremdes Publikum innerhalb von zwei bis drei Songs auf ihre Seite zu ziehen. Sogar ältere Semester wippen bald begeistert mit, und am nächsten Tag erscheint auf der Facebook-Seite von Jenix ein Foto vom Konzert in grellen Rot-Tönen, darauf das Publikum: glückliche Gesichter und eine Menge Hände, allesamt nach oben gereckt. Im Vordergrund Bassist Krosti, in dessen Mimik vor allem eines zu lesen ist: Euphorie.
Ein paar Basis-Daten. Jenix, das sind Jenny Böttcher (22, Gesang), Tobias Krosti Krostack (24, Bass), Ferdinand Happy Hepper (24, Gitarre) und Jan Linke (24, Schlagzeug). Die Band stammt aus Zittau in Sachsen. Die Stadt liegt an der Grenze zu Polen und Tschechien, hat knapp 30.000 Einwohner und eine Reihe von guten Punk- und Hardcore-Bands. Zittau kennt man vor allem vom letzten Hochwasser, das auch das Büro von Jenix getroffen hat. Die Aufräumarbeiten laufen.
Es ist 19.30 Uhr. Wir sitzen zum Interview mit Jenny und Krosti hinten im Erdgeschoss der Lichtung. Ein schwarzes, abgewetztes Ledersofa, darauf ein roter Hartschalenkoffer. Auf einem Holztisch steht Obst, aus dem Keller dringen Geräusche vom Soundcheck nach oben. Jenny ist eine zierliche Frau mit schwarzem Haar. Sie hat eine helle, fast schüchterne Stimme ganz im Gegensatz zu ihrer kraftvollen, einnehmenden Singstimme später beim Konzert. Jenny erzählt vom allerersten Auftritt im Jahr 2003 in einem Örtchen namens Jonsdorf. Das Konzert fand in einem Bierzelt statt, und sie trug damals Dreadlocks. Auch Krosti hat die Zeit noch gut in Erinnerung. „Wenn Du anfängst, Musik zu machen, ist erstmal alles schön und toll. Man freut sich schon, wenn man das Konzert überhaupt durchsteht, ohne sich zu verspielen.“ Er muss lachen. „Heute denke ich, wenn ich alte Aufnahmen höre: Hättest mal Deinen Bass besser stimmen sollen.“
Damals spielte Jenix Coversongs, von den Cranberries, Avril Lavigne und Green Day – all das ist in der neunseitigen Band-Geschichte nachzulesen, die Jenny für www.jenix.de geschrieben hat. So ausführlich bekommt man selten zu lesen, wie aus vier Musikern eine Band geworden ist. Ein bisschen bekannter ist Jenix inzwischen, weil sie seit einigen Jahren als Vorgruppe von Silbermond auftreten. Die stammen auch aus Sachsen und sind eng mit Jenix befreundet. Im Sommer haben sie ein gemeinsames CD-Projekt für die Erdbebenopfer auf Haiti gestemmt. Silbermond sang dafür ein Lied von Jenix – und umgekehrt.
Jenny erzählt, dass ihr und den anderen die Coversongs irgendwann nicht mehr gereicht haben. Der erste eigene Song wurde zum Motto der Band: Never Stop. Bis heute haben Jenix nur englische Lieder geschrieben – anders als Silbermond, die konsequent auf Deutsch schreiben. „Ich finde die englische Sprache phonetisch sehr schön“, meint Jenny. „Und wir kommen eben aus dem Drei-Länder-Eck. Das heißt: Wir spielen auch in Tschechien und Polen. Mit englischen Texten kommt man schneller an die Leute ran“. In den Liedern von Jenix geht es um Hoffnung, Aufbruch und Liebe was die Band eben selbst im Alltag bewegt. Jenny gibt sich bescheiden. „Wir sind noch zu jung, um irgendwelche Lebensweisheiten in die Songs zu schreiben. Aber es geht trotzdem nicht nur um Liebe, sondern auch um die Perspektivlosigkeit der Jugend bei uns zuhause in der Region Zittau.“
Frischen englischen Pop-Rock nennt Jenny den Stil der Band – und das größte Projekt ist im Augenblick die erste Platte, an der die vier Musiker seit Jahren arbeiten. Immer wieder gab es konkrete Pläne und Angebote, aber auch Schwierigkeiten und Absagen. Die Landschaft der Plattenfirmen ist halt kein leichtes Terrain. „Jetzt machen wir alles selbst“, berichtet Krosti. „Einige Lieder sind schon seit zwei Jahren fertig, und im Frühjahr 2011 wird es krachen – dann kommt die Platte raus.“ Wollen sie meinesuedstadt.de exklusiv verraten, wie das Album heißen soll? Jenny und Krosti zögern und geben sich diplomatisch. Im Moment laufe im Internet noch eine Umfrage unter den Fans. „Kill the silence würde ganz gut passen“, meint Jenny. „So heißt auch einer unserer Songs. Aber die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Frühjahr 2011!“
Und dann reden wir auch noch über Köln. Die Band hat viele Freunde in der Gegend, und die Fans in der Lichtung pfeifen laut, als Jenny beim Konzert den Reißverschluss ihrer Jacke öffnet und ein „I love Köln“-Shirt zum Vorschein kommt. Krosti wiederum schwärmt vom Dom, weil er einst eine Lehre als Steinmetz gemacht hat. Und er trinkt gern Kölsch. Das sei in Zittau zwar kaum zu bekommen, dafür gebe es das Bier daheim aus 0,5-Liter-Gläsern und nicht aus diesen etwas größeren Schnaps-Gläsern“. Ich merke an, dass er damit an die Seele der kölschen Trink-Kultur rührt, und Krosti grinst und korrigiert sich eilends: „Ich liebe 0,2-Gläser!“
www.jenix.de
www.myspace.com/jenixband
Dir gefällt unsere Arbeit?
meinesuedstadt.de finanziert sich durch Partnerprofile und Werbung. Beide Einnahmequellen sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen.
Solltest Du unsere unabhängige Berichterstattung schätzen, kannst Du uns mit einer kleinen Spende unterstützen.
Paypal - danke@meinesuedstadt.de
Artikel kommentieren