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Auf ein Kölsch mit...

Abtauchen in andere Welten mit Ute Wegmann

Donnerstag, 16. September 2010 | Text: Antje Kosubek | Bild: Thekla Ehling

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

In der gemütlichen Épicerie Boucherie schlemmen Ute Wegmann und ich französische Delikatessen. Bei Mousse au Chocolat und Tarte Tatin sprechen wir über ihre Arbeit als Kinderbuchautorin, Journalistin und Moderatorin. Ute Wegmann ist außerdem Dozentin an der Universität Duisburg/Essen im Fachbereich Geisteswissenschaften. Für die Bilderbuchverfilmungen „Sein erster Fisch“ (von Hermann Schulz) und „Die besten Beerdigungen der Welt“ (von Ulf Nilsson) schrieb sie die Drehbücher und führte Regie. Ute Wegmann schafft es, in ihren Büchern Papier zum Leben zu erwecken. Es entstehen Bilder, die sich beim Lesen in unserem Kopf fortsetzen – mit viel Authentizität und Sensibilität erzählt sie Geschichten, die gestern hier oder morgen nebenan passieren könnten. Ute Wegmann lebt in der Südstadt.

Deine Kinder- und Jugendbücher sind thematisch und auch in der Altersstruktur unterschiedlich. Woher nimmst Du die Ideen, die dann zu einem Buch werden?

Das Buch „Sandalenwetter“ ist entstanden, nachdem ich den ersten Film gemacht hatte. Ich hatte soviel Spaß beim Schreiben und Dialogisieren, dass ich gleich noch einen Film machen wollte, der ein bisschen länger sein sollte. Aus diesem Grund habe ich ein neues Drehbuch geschrieben, aus dem Stoff wurde dann der Roman. Die Geschichte basierte auf einem Erlebnis mit meinem Sohn: der war damals neun Jahre alt und hatte sich verliebt.
Bei meinem Jugendroman „Never alone“ hatte ich noch die Zeit im Kopf, als die Jungs sich nirgendwo aufgehoben fühlten, mit 15 Jahren nicht wussten, wo sie hingehen sollten, eigentlich noch Kinder waren, aber sich so erwachsen fühlten und deswegen in der Schere der Pubertät hingen. Und „Sommer war gestern“, das ist der pubertäre Ruf nach Freiheit und der Schmerz über den ersten Verlust, die beste Freundin. Daran kann ich mich noch gut erinnern.
Die Ideen kommen meist durch die Kindern, ich beobachte etwas oder höre einen Satz, den schreibe ich mir dann auf. Die Frage ist immer, ob die Idee zurückkommt, ob Figuren dazu auftauchen – so entstehen meine Geschichten.
Aber jetzt habe ich richtig Lust – weg von allen Pubertätsproblemen, durch die ich die letzten Jahre mit meinen Protagonisten immer wieder gelaufen bin – ein Kinderbuch zu schreiben. Einfach eine kleine Geschichte über Freundschaft, in der witzige und hoffentlich spannende Sachen erlebt werden dürfen.

Es entsteht der Eindruck, dass es immer schwieriger wird, Jungs oder Jugendliche für das Lesen zu begeistern, sie vom PC wegzuholen. Liegt es daran, dass die Literatur zu sehr von Fantasy dominiert wird?

Die Fantasy Literatur holt ja noch die meisten Jungs ins Boot.
Wenn man auf den deutschen oder internationalen Markt schaut, fällt auf, dass viele Bücher, die nicht in dieses Genre Fantasy fallen, Problembücher sind.
Themen wie Magersucht, Gewalt, Mobbing, sterbende Elternteile oder Probleme, die sich ergeben, weil Eltern sich trennen. Viele Jugendliche sind abgenervt von diesen Problembüchern. Ich habe gerade für den Deutschlandfunk einen Büchermarkt mit vier Jugendlichen gemacht. Alle literaturbegeistert. Wir haben zusammen vier Bücher ausgesucht, die, selbst wenn sie Fantasyanteile haben, immer auch eine starke Realitätsnähe haben. Das gefällt vielen jungen Leuten.
Das ist schon interessant, denn auf der andern Seite habe ich, während einer
Lesung von „Never alone“ im Rahmen der Buchmesse, auch andere Erfahrungen gemacht.
Bei dieser Lesung an einem Leipziger Gymnasium haben mir die Jugendlichen gesagt: „Warum schreiben Sie denn so realistische Sachen? Unsere Realität ist doch schon hart genug, da möchten wir lieber in eine andere Welt abtauchen, wenn wir lesen!“.
Man versteht dann, warum der Fantasy-Boom anhält. Es ist auch eine Art von Flucht aus einer Realität, in der sie zu viel Verantwortung haben oder sich allein gelassen fühlen.

Gibt es denn den typischen Leser?

Ich unterscheide zwischen zwei Lesetypen: Zum Beispiel wollte ich schon als Kind Bücher lesen, die was mit meinem Leben zu tun hatten. Das sind Leser, die die Anbindung an die Realität brauchen, Parallelen herstellen möchten, die eine oder andere kleine Weisheit aus einem Buch herausholen möchten – aber immer im direkten Bezug, direkt aus der Geschichte.
Und dann gibt es die anderen Leser, die in Krimis oder Fantasybüchern abtauchen können und sich mit dem Buch wegstehlen aus der Realität. Das ist auch schön.

Wie lange dauert es von der Idee bis zum fertigen Buch?

Die Frage ist so nicht zu beantworten, da es immer unterschiedlich und eigentlich ein fortlaufender Prozess ist, und dabei kommt es auf die Zeit an, die man gerade zur Verfügung hat. Zum Beispiel wollte ich eine Bilderbuchgeschichte schreiben. Dann blieb die Idee erstmal liegen. Doch die Figuren sind immer wieder gekommen, sie wurden Bestandteil meines Lebens und tauchten überall auf. Und jetzt, fast zweieinhalb Jahre später, habe ich endlich mit der Geschichte angefangen.
Eigentlich ist es so, wenn du eine Idee hast, willst Du sofort anfangen zu schreiben, Figuren erfinden, Freunde und Feinde suchen, Orte checken, recherchieren und so weiter.Doch die meisten Autoren leben nicht allein vom Bücher schreiben, sie haben noch andere Jobs. So müssen sie auch ihr „Schreiben“ unterbrechen.
Auf der anderen Seite finde ich es auch nicht falsch, wenn Ideen liegen bleiben. Die werden ja nicht schlecht – ich mache mir dann immer mal wieder Notizen, kleine Zettel, wenn mir etwas dazu einfällt. So entwickeln sich Figuren und Geschichte weiter.

Für Deine Arbeit liest Du ja viele Bücher und stellst auch einmal im Monat in einer Radiosendung „Die Besten 7“ Kinder- und Jugendbücher vor. Bist Du dadurch auch kritischer mit Dir selbst, mit Ute Wegmann als Autorin?
 
Die Auseinandersetzung mit der Kinder- und Jugendliteratur durch meine Berufe ist manchmal ein Handicap beim Schreiben. Wenn man zum Beispiel mal einen schlechten Tag hat, denkt man: es gibt so viele gute Bücher, warum schreibe ich auch noch? Das Schlimmste sind eigentlich Buchmessen! Und dann gibt es Situationen, in denen ich ein richtig gutes Kinderbuch lese und das inspiriert mich total.
Ich habe durch den Beruf einen Blick auf die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur. Und jedes Jahr gibt es inklusive Übersetzungen 7000 Neuerscheinungen. Für  „Die Besten 7“ – eine Bestenliste der Büchermarktredaktion des Deutschlandfunk (www.dradio.de/dlf/sendungen/jungeleser/, Anm. d. Red.) lese ich natürlich viel, außerdem bin ich seit zwei Jahren in einer Jury des Goethe Instituts (Übersetzerjury litrix –   www.litrix.de/, Anm. d. Red.). Dort bin ich für die Kinder und Jugendliteratur zuständig. Aus dem jeweiligen aktuellen Verlagsprogramm schlage ich zehn bis fünfzehn Titel vor. Dafür lese ich vor allem die deutsche Literatur.
Es gibt so viele hervorragende AutorInnen, wie zum Beispiel Andreas Steinhöfel, Jutta Richter, Hermann Schulz, Jürg Schubiger oder international Bart Moeyaert, Markus Zusak oder Joyce Carol Oates.  Ich könnte noch viele nennen. Bücher dieser Autoren und Autorinnen zu lesen,  empfinde ich als eine Bereicherung . Dann wünsche ich mir, so schreiben zu können, wie eine von den Großen (lacht). Das Lesen wird dadurch nicht zu einem Handicap, sondern zu einem Ansporn!
Vor allem, weil alle Autoren eins schaffen – und diesen Punkt finde ich am wichtigsten, wenn man im kreativen Bereich arbeitet – sie berühren.  Kunst muss berühren, in irgendeiner Art und Weise. Kunst kann mich ja auch berühren, in dem ich mich amüsiere, mich befreie von einem harten Tag. Wenn es mir gelingen würde so zu schreiben, dass ich jemanden mit der Geschichte, die ich erzähle, berühre, das wäre ziemlich toll!

Du machst ja regelmäßige Lesungen mit Deinen Büchern, oft in Schulen. Wie ist das so für Dich?

Man bekommt von den Kindern viel zurück. Aber eine Lesung ist kein Spaziergang durch den Wald. In den meisten Fällen ist es ein Halbmarathon und meistens wird man für zwei Lesungen am Tag gebucht, dann hat man mittags schon einen richtigen Marathon hinter sich.
Man arbeitet dort ja integrativ mit den Kindern, indem man sie mit Fragen in die Lesung einbindet. Das macht Spaß, aber es laugt einen auch ziemlich aus.
Es sind  ja auch immer Begegnungen mit so vielen Menschen – Kindern, die nach der Lesung auf mich zu kommen und sagen: „Die Situation aus dem Buch kenne ich, so ist es bei mir zu Hause auch“ – diese Situationen passieren, da ist man unter Umständen ganz anders gefordert.

Das Buch „Die besten Beerdigungen der Welt“ hast Du verfilmt – Ganz schön mutig von Dir, so ein schönes Buch zu verfilmen! Wie kam es dazu?

Ich habe das Buch durch „Die Besten 7“ auf den Tisch bekommen, damals war ich sofort begeistert von der Geschichte. Ich habe den Verleger angerufen, dass ich die Filmrechte optionieren möchte. Damals habe ich keine Sekunde darüber nachgedacht, dass das Buch so erfolgreich werden könnte. Den Boom konnte ich zu dieser Zeit noch gar nicht erahnen. Daher habe ich auch keinen Gedanken daran verschwendet, dass es mutig sein könnte, so ein gutes Buch zu verfilmen. Für mich war es damals kein Bestseller, sondern einfach ein tolles Buch unter vielen anderen, eines der  Neuerscheinungen, das für mich herausstach.
Daraus ist ein Kurzfilm geworden: 19 Minuten lang, FSK 0, Prädikat wertvoll. Man konnte ihn letztes Jahr auf dem „Cinepänz-Festival“ und im Filmhaus sehen. Außerdem lief er auch auf einigen internationalen Festivals. Jetzt kann man den Film bei mir als DVD kaufen. Über die Webseite www.diebestenbeerdigungenderwelt.com .
Ich gebe ein Seminar an der Uni Essen zum Thema Literaturverfilmungen bei den Germanisten. Ich finde es wichtig mit einer Verfilmung am Kern der Geschichte zu bleiben, die der Autor vermitteln wollte. Aber man kann sich immer nur annähern. Und ein anderes Medium bedeutet gleichzeitig eine neue, eigene Geschichte. Deshalb heißt das Hauptseminar: „Eine Geschichte – zwei Kunstwerke“ Und aus diesem Grund sind alle Leute im Kino enttäuscht. Sie gehen mit ihren Bildern in den Film und werden sie nur in ganz seltenen Fällen auf der Leinwand finden. Das ist einfach so.

Bei dem Film „Sein erster Fisch“ habe ich mein eigenes Ding gemacht, mich vom Buch ein Stück entfernt. Doch bei „Die besten Beerdigungen der Welt“ bin ich eng am Buch geblieben.Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir uns beim Produktionsdesign an den hervorragenden Illustrationen orientieren. Wir wollten zum Beispiel keine knalligen Farben, sondern nur Pastelltöne. Die Realisierung des Kinderbuches war dann doch eine große Herausforderung für mich, bei dem kleinen Budget und der geringen Zeit, die zur Verfügung standen.

Was gefällt Dir an der Südstadt, wohnst Du gern hier?

An der Südstadt liebe ich vor allem die Nähe zum Rhein. Ich habe schon immer in der Südstadt gewohnt – bis auf eine kurze Sechsjahresstippvisite im Belgischen Viertel, das mochte ich sehr als Studentin. Mittlerweile wohne ich seit 30 Jahren in der gleichen Strasse, das finde ich manchmal erschreckend. Hier ist es wie in einem Dorf, und manchmal wünsche ich mir, es gäbe nicht alles vom Kühlschrank bei Kolbe (Haushaltswarenladen auf der Bonner Straße, Anm. d. Red.) bis zum besten Maishähnchen bei Erbar (Geflügel- und Wildmetzger auf der Severinstraße, Anm. d. Red.), damit ich mich mal raus begebe, in die ‚große’ Innenstadt oder wenigstens in ein anderes Viertel. Ich hab ja mehr Freunde in Berlin als in Nippes.
Am besten gefällt mir in „unserem Dorf“ die Mischung der Leute, hier mischt sich alles auf eine gute Weise, alle Nationalitäten und alle Generationen. Ich bleibe hier!
 

Ute Wegmann arbeitet als Journalistin für den Deutschlandfunk und als Autorin und Regisseurin. Sie schrieb unter anderen: „Sandalenwetter“, „Weit weg…nach Hause“, „Never alone“  und „Sommer war gestern“. Alle erschienen bei dtv/Reihe Hanser

Filme:
„Sein erster Fisch“ (12 min, 2004) nach einem Bilderbuch von Hermann Schulz und Wiebke Oeser, Peter Hammer Verlag
„Gehört das so?“ (4 Min, 2006 WDR-Produktion/Sendung mit der Maus) nach dem Bilderbuch von Peter Schössow, Hanser Verlag  
„Die besten Beerdigungen der Welt“ (19 min, 2009) nach dem Kinderbuch von Ulf Nilsson und Eva Eriksson, Moritz Verlag

 

Text: Antje Kosubek

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