Es geht eben auch anders: Kommunikation beim Großbauprojekt Waidmarkt
Donnerstag, 23. September 2010 | Text: Doro Hohengarten
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Mit den Immobiliengroßprojekten ist das so eine Sache. Sie machen die Südstädter von Natur aus misstrauisch. Wenn für Abermillionen in der Erde gebuddelt wird, dann verschwindet schnell mal Liebgewonnenes auf Nimmerwiedersehen. Vielleicht ist es „nur“ die Veedels-Ecke, die man seit Kindheitstagen kennt, vielleicht sind es Millionen öffentlicher Gelder, vielleicht aber auch die ganze Stadtgeschichte. Auf jeden Fall tut man sich, siehe Titusstraße, mit kostspieligen Veränderungen erst mal schwer.
Am Waidmarkt sieht das anders aus. Seit eineinhalb Jahren fühlen sich dort viele Anwohner bis auf die Knochen geplagt, erst vom Einsturz des Stadt-Archivs und der angrenzenden Wohnhäuser, seitdem von nimmer endenden Bergungs- und Bauarbeiten rund um das „Gleiswechselbauwerk“, wie die U-Bahn an dieser Stelle heißt. Sie fürchten um ihr Veedel, sehen den Verfall. In die Kneipe und das Kiosk am Unglücksort wurde eingebrochen. Wacker hält die Kiosk-Besitzerin durch, obwohl der Durchgangsverkehr und die Schüler des Friedrich-Wilhelm-Gymnasium von einen Tag auf den anderen als Kunden verloren gegangen sind und sie beim Einbruch durch Zigarettendiebstahl 4000 Euro verlor.
Bei so viel Staub, Lärm und Dreck sind die Eigentümer und ihre Mieter fast dankbar, dass sich ein Bauherr gefunden hat, der dem Waidmarkt mit dem Bau eines Wohn- und Geschäftsareals zu neuem Glanz verhelfen will. Entsprechend wohlwollend war die Stimmung auf der 2. Anwohnerversammlung, bei der die FAY Waidmarkt GmbH am Mittwochabend im Pfarrsaal von St. Georg über den aktuellen Stand ihrer Bauarbeiten und der Ausgrabungen des Römisch-Germanischen Museums berichtete, die derzeit laufen.
Maßnahmen der Kommunikation wie diese sind in der Südstadt bislang selten – ein geschickter Schachzug der FAY Waidmarkt (einer Tochtergesellschaft der alt eingesessenen FAY Projects mit Sitz in Frankfurt), Widerstand von Anfang an zu binden. Neben den regelmäßigen Anwohnerversammlungen ist das Projekt-Büro am Waidmarkt meist besetzt und für Neugierige mit ihren Fragen zugänglich. Viele, wie Hauseigentümer Dietrich Georg Päffgen, sind dagegen mit der Informations- und Entschädigungspolitik rund um die U-Bahn-Unglücksstelle unzufrieden. Am Mittwochabend wollte das Publikum denn vom Waidmarkt-Bauherren vor allem wissen, wie die neuen Gebäude aussehen werden, welche Verkehrsanbindungen und Parkmöglichkeiten es geben soll – kritische Stimmen zum Neubauprojekt an sich gab es in dieser Runde keine mehr.
Es geht um 130 Millionen Euro. Dafür baut FAY auf dem Areal des ehemaligen Polizeipräsidiums 80 hochpreisige Wohnungen zum Quadratmeterpreis von 3.200 Euro, umschlossen von 12.000 Quadratmetern Hotel-, Büro- und Geschäftsraum. Mit Tiefgarage und Aufzügen, gebaut aus nachhaltigen Materialien und mit einem prämierten Energiesparkonzept. Das Hochhaus an der Ecke Severinstraße/Blaubach bleibt erhalten, wird aber entkernt und neu ausgebaut. Ein ReWe-Supermarkt eröffnet spätestens Ende 2012, wenn die Bauarbeiten voraussichtlich abgeschlossen sind. Die Design-Hotelmarke Motel One soll einziehen. Der Waidmarkt wird edel, das Viertel wird sich verändern. So viel ist klar.
Die Abrissarbeiten sind abgeschlossen. Dabei wurden keine bedenklichen Erschütterungen gemessen, wie FAY Waidmarkt-Geschäftsführer Jochen Unkelbach berichtete. Allerdings fanden sich 11.000 Tonnen problematische Materialien wie Asbest und Sulfate im einstigen Polizeipräsidium, die gesondert entsorgt werden mussten. Weitere 10 bis 15.000 Tonnen werden in der Baugrube erwartet. Sie wird ausgehoben, sobald die Ausgrabungsarbeiten des Römisch-Germanischen Museums abgeschlossen sind.
Bis Dezember noch sollen die Ausgrabungsarbeiten andauern. Dr. Marcus Trier, Ausgrabungsleiter des Römisch-Germanischen Museums, berichtete, dass sein Archäologen-Team Teile der römischen Vorstadt gefunden hat – ein rechtwinkliges Straßensystem mit begleitenden Laubengängen, das auf 17 nach Christus datiert werden konnte. Außerdem wurden Grundrisse und Latrinen der mittelalterlichen und neuzeitlichen Vorgängerbebauung freigelegt. Daneben fanden sich auch neuzeitliche Fundstücke wie Kohlebriketts aus einem im zweiten Weltkrieg verschütteten Keller und Kaffeeteller-Scherben von der Gründungsfeier des Polizeipräsidiums in den 50er Jahren in der Erde.
Außerdem bewirbt sich FAY mit zwei weiteren Bewerbern um den von der Stadt ausgeschriebenen Erweiterungsbau des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums. Der Erweiterungsbau würde, sollte FAY den Zuschlag bekommen, auf dem Areal am Waidmarkt stehen und mit den anderen Gebäuden 2011/12 fertig gestellt werden.
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