Unterwegs auf der Zehnten Kölner Theaternacht
Sonntag, 3. Oktober 2010 | Text: Sonja Alexa Schmitz | Bild: © Meyer Originals
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Warum sind alte Fabrikgebäude so schön? frage ich mich, so schön, wie sonst nicht mal Wohnhäuser gebaut werden?! So groß und hoch und erhaben, mit so schönen Materialen wie den schmiedeeisernen Umrandungen der höheren Ebenen und dem Riesenfenster, dass eher in eine Kirche, als in eine Fabrik passen würde. Wenn ich richtig aufgepasst habe, stammt das Gebäude aus dem Jahre 1891, und ist heute noch in Betrieb. Hier werden Strom und Wasser ins Netzt gespeist. Heute werde ich hier gespeist. Bevor die Kultur mich nährt gibt es erst mal Nahrhaftes für den Leib.
Ich bin auf der Eröffnungsveranstaltung der Zehnten Kölner Theaternacht im Heizkraftwerk der Rheinenerige AG. Ich befinde mich in dieser schönen Halle, umgeben von netten KellnerInnen, die Sekt auf Tabletts reichen, lausche schönen musikalischen Klängen einer Geige und einer Gitarre, die von der Empore von zwei jungen Männern gespielt werden, und habe viele schöne Menschen um mich herum. Ich frage mich kurz, stelle fast schon fest, dass Menschen, die sich für Kultur interessieren irgendwie schön aussehen. Mir wird langweilig. Seit einer halben Stunde nur Sekt und Musik. Ist zwar ein schöner Rahmen dafür, aber ich bin kein Freund von Stehen mit Sektglas in der Hand. Jetzt geht es los. Reden werden gehalten, darüber wie froh man darüber ist, dass es bereits zur zehnten Theaternacht kommen konnte, obschon der knappen Kassen und der kultur-unfreundlichen Regierung, die mit Kürzungen Sorgen bereitet. Es wird gedankt, den Sponsoren, der KVB, dem Taxiruf, dem WDR und natürlich der Rheinenergie. Alle freuen sich, dass die Theaternacht diesmal nicht ausverkauft, sondern überausverkauft ist. Man musste noch für zusätzliche Tickets sorgen. Das ist schön für die Veranstalter. Für mich und alle anderen Theaternachtschwärmer allerdings nur mäßig schön. Denn das bedeutet sehr volle Säle, Warteschlangen am Eingang, schlechte Luft und recht unfreundliches Gedränge. Das fällt mir allerdings bei meiner ersten Vorstellung in der Maschinenhalle des Heizkraftwerkes noch nicht auf. Da ist noch Platz und frische Luft. Als das Stück anfängt bin ich erstmal recht unaufmerksam.
Kulturbanause! Ich schaue mich in der grossen Halle um und denke an meinen ersten Fabrik-Ferienjob. Musik setzt ein, aber passieren tut noch nicht viel. Ein Typ in schwarz (natürlich!) tut so als schliefe er auf der Bühne. Ist doch oft das erste Bühnenbild, nicht wahr?! Es passiert noch nicht viel. Auf zwei stoffigen Leinwänden rechts und links von der Bühne läuft in schwammigem Schwarz-Weiss ein Film. Ein Frauenfuß bekommt Haribo Colorado zwischen die Zehen gesteckt, als Abstandhalter zum Nägel-Lackieren. Gute Idee, denke ich. Da wird der Mann auf der Bühne wach. Er macht leicht tänzerische Bewegungen, rollt sich und windet sich. Im Film werden Socken zusammen gelegt, und ein Autospiegel geputzt. Für mich macht das noch keinen Sinn… Verstehe ich es nicht? Thema dieser Tanzvorführung I SEE U NO. 2 ist: Privates wird öffentlich. Öffentliches wird privat. Hm. Weiter gehts: Eine (schöne) Frau im Bademantel geht entschlossenen Schrittes auf die Bühne. Und wieder hinunter. Wir gucken ihr hinterher. Ungefähr sechzig Köpfe drehen sich. Ich muss an ein Tennisspiel denken. Und fühle mich wie ein doofes Herdentier. Die Frau verschwindet in einem Raum. Wir (alle) gucken wieder auf die Bühne. Da passiert nichts, also schauen wir auf den schwammigen Leinwandfilm. Die Frau kommt wieder hinaus. Den Bademantel hat sie ausgezogen und sie zeigt uns ihren schönen Körper in Unterwäsche. Sie geht auf die Bühne und bewegt sich ähnlich wie der schwarze Mann vom Anfang. Ein anderer Mann kommt auf die Bühne, auch er hat nur eine Unterhose an. Sie tänzeln sich an, und verschwinden unter einer Plastikplane. Wir sehen nichts mehr und starren deshalb wieder auf den Film. Ach so, der zeigt, was unter der Plastikplane passiert. Ach so, die schwarzen Dinger auf den Köpfen der Schauspieler sind Kameras. Nicht schlecht.
Der schwarze Mann kommt wieder auf die Bühne. Will mitspielen. Zumindest mit der Frau. Er schnappt sie sich, und sie tänzeln miteinander. Das sieht jetzt gar nicht mal so schlecht aus. Irgendwann haben sie ausgetanzt und der andere ist jetzt böse und zieht die schöne Frau an ihrem Haarzopf. Sie windet sich, sie kämpfen, zeigen ihre gut geformten Körper. Die Musik wird durchdringender, die Szene packt mich, sieht gut aus, gefällt mir. Ich sehe Ästhetik und Können. Sie haben mich! Da klatsche ich gerne Beifall. Nicht lange sitzen bleiben! Aufstehen und zum nächsten Theater rennen.
Ich habe mir als nächstes das Theater der Keller ausgeguckt. Ich bin schnell, die Südstadt ist klein, um 20Uhr43 bin ich schon da. Aber nicht alleine. Im gemütlichen Vorraum drängeln sich schon die Menschen. Das tun sie dann auch im Theatersaal. (Kann man diesen schmalen, schwarzen Raum Saal nennen?). Man sitzt auf dem Gang, und einige müssen stehen. Das Programm geht gleich los, und ist gleich sehr unterhaltsam. Vier Gesangsschüler singen in Liebe und andere Laster von eben diesem Thema. Das ist lustig, gekonnt, und bleibt im Ohr, wenn ich eine halbe Stunde später wieder aus dem Theater rausgehe, und mich beeile ins Freie Werkstatt Theater zu kommen.
Das Foyer ist geknubbelt voll. Aber die Stimmung ist gut. Die Alten vom Altentheater machen bereits kleine Einlagen. Wir passen, auf zusätzlich rein geschafften Bänken und Kissen, alle in den Raum hinein. Und auch hier geht es zügig los. Das ist gut. Theater am Fließband. Die Schauspieler hier wirken sehr professionell. Sie können singen, sich bewegen und mich zum Lachen bringen. Liebe in Zeiten der (Cholera) Ruhr machte Spass, und eigentlich auch Lust auf mehr. Aber der Abend war schon lang, und wenn ich die Menschenmasse sehe, die da nun schon wieder in der Theaterlobby steht, dann vergeht mir die Lust mich woanders noch mal in die Menge zu begeben. Ich geh heim.
Fazit: Ist eine tolle Sache, die Theaternacht! Ich bin fast stolz auf die Kölner, dass so viele von ihnen so theaterfreudig sind. Allerdings würde ich beim nächsten Mal nicht noch mehr Eintrittskarten vergeben, als ursprünglich gedacht waren. Mir war es teilweise zu voll, zu stickig, zu eng, und ich musste mich mehrfach fragen, was wäre, wenn nun eine Massenpanik entstehen würde …? Das liegt gerade noch so ungünstig nah in der Luft…
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