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Glaube

Auf ein stilles Wasser mit Pastor Quirl – Teil 2

Dienstag, 9. November 2010 | Text: Doro Hohengarten | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Johannes Quirl, 56, leitet seit 13 Jahren als Pfarrer die Severinskirchengemeinde. Schwerpunkt der Gemeindearbeit sind Familien. „Väter, Mütter, Kinder bedeutet, dass wir etwas für die Zukunft unserer Gemeinde tun wollen“, sagt der Kirchenmann. Muss er auch, denn der Mitgliederschwund ist drastisch. Innerhalb von Quirls Amtszeit hat sich die Zahl der zahlenden Katholiken in der Südstadt um fast ein Drittel reduziert –  von 15.000 1993 auf 11.000 2009. In Teil 1 des Interviews sprach ich mit Quirl unter anderem über die sozialen Veränderungen in der Südstadt – und die zunehmende Armut auch in den Familien.

Findet diese Armut vor allem im Vringsveedel statt oder auch in der Neustadt-Süd?
Ich glaube der Unterschied ist nicht erheblich. Sagen wir so: Es gibt wenig soziale Armut im Rheinauhafen. Es gibt dort auch wenig Ausländer. Wir hatten mal den Geschäftsführer der Hafengesellschaft Köln zu Besuch in der Gemeindesitzung. Als wir fragten, wieviele Ausländer es dort gebe, meinte er: nicht viele: eine russische Familie, eine arabische…das war’s auch schon.

Im Vringsveedel ist das völlig anders, auchin der Elsaßstraße rund um die Offene Tür der Caritas. Wenn Sie da mal in die Häuser reingehen und auf der anderen Seite der Elsaßstraße im städtischen Kindergarten, also wenn Sie mit denen mal sprechen…

Das werden wir tun! Mit welchen Sorgen kommen denn die Leute zu Ihnen und den anderen Seelsorgern?
Wir sind als Seelsorger zu dritt – wir sind zwar als katholische Kirche sehr hierarchisch organisiert, aber auf Gemeindeebene arbeiten wir viel weniger pfarrerzentriert als die evangelische Kirche. Natürlich bin ich der Gemeindeleiter, ich bin auch für vieles verantwortlich. Aber wir haben 300 Ehrenamtliche, tolle Leute – den Pfarrgemeinderat, das Pfarrbüro, unsere Küsterin, die Kindergärten als Anlaufstellen, unseren Caritaskreis. Sie nehmen zwischendurch Kontakt zu uns Seelsorgern auf, arbeiten aber ansonsten ganz selbständig, auch finanziell.

All diese Leute können Ansprechpartner sein für Menschen, die etwas bedrückt. Wir haben zum Beispiel im ehemaligen Pfarrheim von Sankt Paul eine psychiatrische Seelsorge, bei der wir mit der Stadt kooperieren. Auch im Johanneshaus (Obdachlosenheim in der Annostraße, Anm. d. Red.) leben sehr viele Menschen, über die Thomas Sönkefeld mal sagte: Die haben ’ne dickere Akte bei der Psychiatrie als beim Wohnungsamt. Hier in Sankt Severin haben wir ein Gemeindebuch, in das jeder der möchte etwas reinschreiben kann. Da steht viel, viel wirres Zeug drin, von kranken Menschen, die sich was von der Seele schreiben.

Nimmt der psychische Druck auf die Menschen in unserem Stadtteil zu?
Mein Eindruck ist: ja. Das fängt schon in der Schule an, und das geht über den Arbeitsplatz weiter. Ein Beispiel: Als ich vor 40 Jahren Jugendarbeit gemacht habe, wäre ich nie auf die Idee gekommen, ein Schulbuch auf ein Kirchenwochenende mitzunehmen. Wenn wir heute so ein Wochenende haben, dann lernen die Schüler  in den Zwischenräumen, um eine Klausur zu bestehen, die sie am Montag danach schreiben. Daran merkt man, wie sie unter Druck stehen. Das hat sich nochmal deutlich verstärkt durch die Stauchung der Gymnasiumzeit auf zwölf Jahre.

Aber auch der Druck an den Arbeitsplätzen wird größer. Wenn wir uns mit dem Ehrenamtlichen vom Kirchenvorstand treffen, dann immer erst ab 20 Uhr. Und da kommen schon viele total gehetzt hin, weil sie bis zur letzten Sekunde arbeiten. Wenn sie ankommen, waren sie noch nicht zuhause, haben ihre Familien noch nicht gesehen, noch nicht zu Abend gegessen. Sie kommen um acht in die Kirchenvorstandssitzung, weil der Arbeitsplatz es so hergibt.

Das ist mein Eindruck: Die, die noch Arbeit haben, kriegen immer mehr Arbeit aufgebürdet, während die, die keine Arbeit haben, es immer schwerer haben, in den Arbeitsprozess hineinzukommen. Zweiter Punkt ist natürlich, dass zum Glück heute mit psychischen Erkrankungen offener umgegangen wird.

 

Sie sind als Pastor konfrontiert mit den Folgen der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung wie dem Umbau des Arbeitssystems, der Entstehung von armen Randschichten. Haben Sie das Gefühl, das letztlich alleine meistern zu müssen?
Allein bin ich auf keinen Fall. Wenn ich den Anspruch hätte, das allein schultern zu müssen, wäre ich größenwahnsinnig. Aber Netzwerke sind ganz wichtig. Alles wird größer und gigantischer. Gesellschaftlich sind ja auch Mega-Events in – ich erinnere an den Jugendtag in Köln. Der hatte zwar auch positive Effekte, aber wenn man davon erwartete, er sei eine Initialzündung und danach wären alle Jugendlichen plötzlich kirchlich aktiv, dann hat man sich geirrt.

Das Problem was mich oft am meisten bedrückt, ist die Diskrepanz zwischen zwei Dingen: Hier haben wir es im Alltag mit einer ganz konkreten menschlichen individuelle Not zu tun. Auf der anderen Seite prangern uns Systemkritiker immer wieder an und sagen: Indem Ihr diese individuelle  Not lindert, nehmt Ihr den Druck raus, verhindert große Lösungen. Es müsste viel mehr politisch gearbeitet werden. In dieser Schere stehen wir.

Und wie sehen Sie das? Müssen Sie politischer werden?
Wahrscheinlich schon. Wir haben zum Beispiel auch das Plakat „Keine Kürzungen für Kurze“ aufgehängt. Wir sind institutionell aktiv – wir sind zum Beispiel Mitglied im Vringstreff für Menschen ohne Obdach. Wir sind vernetzt mit anderen Jugendorganisationen. Wir sind in der Südstadtkonferenz, einem neuen Netzwerk für Senioren – schließlich haben wir ja vier Altenheime in unserer Gemeinde.

Aber wenn ich in die Bibel gucke, ins Erste und Zweite Testament, haben wir in unserer jüdisch-christlichen Tradition und Geschichte den Auftrag, uns vor allem denen zuzuwenden, die keine Stimme haben, die unterdrückt sind, denen es an Selbstbewusstsein mangelt. Wir versuchen also den Menschen in Not zu zeigen: Wir haben euch im Blick.
 

Teil 1 des Interviews mit Johannes Quirl findet Ihr hier.

Homepage der Katholischen Gemeinde Sankt Severin

Text: Doro Hohengarten

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