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Gesellschaft

Mehr Bildung gleich weniger Gewalt

Donnerstag, 25. November 2010 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Unsere Berichterstattung zur Eröffnung des Outdoor/Defense-Ladens auf der Elsassstraße hat die User von „Meine Südstadt“ zu zahlreichen Kommentaren und einer kontroversen Diskussion zum Thema Waffen, Kinder und Gewalt veranlasst. Die Redaktion hat nun beschlossen, dass wir mit weiteren Interviews und Artikeln der Frage nachgehen wollen, welche Auswirkungen die Eröffnung eines solchen Geschäftes tatsächlich auf Kinder und Jugendliche in unserem Stadtteil und darüber hinaus haben kann. Ist die Gefahr real, oder ist die Aufregung nichts als irrationale Panik? Asli Güleryüz traf aus diesem Anlass am Donnerstag den Schauspieler und Anti-Gewalt-Trainer Dirk Heinrichs.

 

Bekannt ist er aus dem Fernsehen und seinen Rollen in verschiedenen Krimis. Der Durchbruch kam durch seine Rolle als Oberkommissar Lenny Winkler in „Die Sitte“.  Er wohnt in der Südstadt und engagiert sich in Gefängnissen und Schulen gegen Gewalt. Vor fünf Jahren gründete Dirk Heinrichs den Verein „Sprache gegen Gewalt“. Im Film hat er es mit Gewalt zu tun. Auch in der Realität erhöht sich die Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft. Das hat den Schauspieler Dirk Heinrichs dazu motiviert, sich sozial zu engagieren: „Ich bin kein Lehrer. Ich bin Schauspieler. Das imponiert den Jugendlichen. Ich spreche die Sprache, die sie sprechen. Ich kenne ihre Probleme. Sie fühlen sich ernst genommen“. Er ist cool und ich kann mir direkt vorstellen, dass er bei Jugendlichen gut ankommt.

Gewalt erzeugt Gewalt
Dirk Heinrichs beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Gewalt. Er hat viele Gespräche mit Betroffenen geführt und sie in seinem Buch „Da hab ich nur noch Rot gesehen“ veröffentlicht. Seine Gespräche und auch Studien belegen, wenn Kinder in ihrem Elternhaus Gewalt erfahren, ahmen sie dieses Verhalten nach. 30% der Kinder, die Opfer oder Zeuge von Gewalt wurden, werden selber gewalttätig. Wenn Eltern Gewalt als Erziehungsmittel einsetzen, übernehmen Kinder dies als Form der Kommunikation. Gemeint ist hier nicht mal ein Klaps sondern Misshandlung: Faustschlag und aufwärts. Heinrichs weiß, dass das Wort „Opfer“ zum schlimmsten Schimpfwort unter Jugendlichen zählt. Keiner will „Opfer“ sein! Da bewaffnet man sich lieber – zum Selbstschutz selbstverständlich.
Aber Gewalt hat viele Facetten. Sie ist nicht nur körperlich. Unser Bildungssystem zum Beispiel übt immensen Druck auf die Kinder aus und erzeugt Stress. Die Schüler müssen mehr und mehr pauken und haben keine Zeit mehr für soziale Kontakte. Gerade an Gymnasien ist der Druck auf Schüler sehr hoch. Das kann die Kinder aggressiv machen.

„Spielzeug muss als Spielzeug erkennbar sein“
Dirk Heinrichs spricht aus eigener Erfahrung: „Jungs haben eine besondere Affinität zu Waffen. Jugendliche besorgen sich die Sachen sowieso, wenn sie sie brauchen. Du kriegst alles. Und das auch nicht nur die ganz bösen Jungs“.
Zu der Neueröffnung des „Outdoor und Defence“-Ladens auf der Bonner Straße sagt Heinrichs: „Wer eine Waffe will, wird sie kaufen – egal wo. Und er wird sie auch benutzen. Aber es geht hier um die Selbstverpflichtung. Gesetze sind eine Sache, Moral ist eine andere. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen.  Der Laden sollte verdunkelte Schaufenster haben. Das weckt nicht so eine Begehrlichkeit. Der Eintritt sollte erst ab 18 Jahren erlaubt sein. Sie sollten keine offensive Werbung machen. Und das Personal sollte besonders sensibilisiert werden, nicht an Kinder zu verkaufen. 14-Jährige sind Kinder“. Die täuschende Verwechselbarkeit der Artikel im Sortiment des Ladens mit echten Schusswaffen kritisiert Heinrichs auch: „Schon Polizisten können den Unterschied nicht mehr feststellen. Spielzeug muss als Spielzeug erkennbar sein“.

Eltern sind gefordert
Immer wieder appelliert Dirk Heinrichs an die Verantwortung der Eltern. Die Erziehung der Kinder darf nicht nur den Lehrern überlassen werden: „An jeder Bausstelle steht, dass Eltern für ihre Kinder haften. Es ist die Aufgabe der Eltern, ihren Kindern auch den Umgang mit solchen Dingen bei zu bringen. Alle die Kinder sind gefährdet, die Artikel für Gewalttaten anzuwenden, die den Umgang mit diesen Dingen Zuhause nicht gelernt haben. Kinder ahmen ihre Eltern nach. Sie sind die Vorbilder. Das ist wie mit dem Internet: das ist eine tolle Sache, wenn ich damit umgehen kann“.

Mehr Bildung gleich weniger Gewalt
Heinrichs weist auf eine Studie hin, die gerade vor zehn Tagen veröffentlicht worden ist.  Die Bertelsmann Stiftung hat in dieser Studie den direkten Zusammenhang zwischen Gewalt und Kriminalität und geringer Bildung belegt. Wo für mehr Bildung gesorgt wird, sinkt die Kriminalität. Wenn Schulabschlüsse nicht gemacht werden und Menschen unzureichend gebildet sind, ist es kein Zufall, dass sie gewalttätig werden können.
 

Dirk Heinrichs: „Da hab ich nur noch Rot gesehen“
Hardcover mit Schutzumschlag
fredeboldundfische, April 2008
304 Seiten – 15,95 Euro

www.sprache-gegen-gewalt.de

 

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Kolumne Nicht gerade zum Schießen….

Text: Aslı Güleryüz

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