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Gesellschaft

Die Boys von der GoT: Nika

Dienstag, 29. März 2011 | Text: Betsy de Torres | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Obwohl man als Südstädter immer wieder durch die Elsassstraße läuft und jedes Mal an der Jugendeinrichtung und ihrem Hinterhausblock vorbeikommt – in die GoT hinein geht man nicht einfach so. Vielleicht traut man sich nicht, vielleicht will man mit den „Asi-Kids“ dort nichts zu tun haben – also schnell vorbei.

Doch eines Tages traut man sich vielleicht hinein in die „Ganz offene Tür“, und dann stellt man fest: Hinter der Fassade tut sich eine Menge Spannendes. Hier trifft man auf einen kleinen Mikrokosmos der unterschiedlichsten jungen Menschen. Sie stammen aus Albanien, der Türkei, aus Italien und natürlich aus Köln. Ihr Sprache ist rau, viele kommen aus „sozial schwächeren“ Familienverhältnissen. Sie besuchen eher die Hauptschule als ein Gymnasium und kommen aus Meschenich, Porz und der Südstadt. Im Keller dieses eher unscheinbaren Gebäudes befindet sich das wahrscheinlich kleinste, aber bestbesuchte Tonstudio der Südstadt. Hier treffen sie sich, um ihre selbst getexteten Stücke aufzunehmen, meistens Rap. Mitten drin sitzt Nika Azimdoust, 21 Jahre alt. Er ist Musiker, Komponist, Tontechniker und arbeitet seit ungefähr zwei Jahren in der GoT.

 

Nika Azimdoust (rechts) und „die Jungs“

Meine Südstadt: Nika, seit wann machst du Musik?

Nika (überlegt): Wann habe ich keine Musik gemacht? (lacht) Ich habe mit 3 Jahren mit musikalischer Früherziehung angefangen. Ich komme aus einer Sängerfamilie. Meine Tante hat immer leidenschaftlich gesungen. Mein Vater ist Künstler und spielt Saß. Ich bin der erste in meiner Familie, der es als Berufsmusiker versucht. (lacht)

Hast du einen bestimmten Stil? Dein Lied „Es ist nicht zu spät“ ist R&B, Rythm und Blues. Ist das deine Richtung, oder bist du musikalisch offen für alles?
Ich bin offen für alles. Ich habe kürzlich mit einer Opernsängerin zusammen gearbeitet. Das Stück heißt „Azadi“, es ist ein persisches Stück und wurde bei Radio Köln gespielt. Ich habe vor, in diesem Jahr eine CD zu produzieren. Sie wird Richtung Flamenco und Salsa gehen.

Ist deine Familie persisch?

Ja, aber ich bin in Deutschland geboren.

Bist du Kölner?

Ich möchte gerne Kölner sein, aber ich bin in Gelsenkirchen geboren. Doch ich bin mehr Kölner als Gelsenkirchener und mehr Deutscher als Perser.

Dein Lied heißt „Es ist nie zu spät, zu verstehen“.  Hast du es selbst geschrieben?

Ja, zusammen mit meinem Kollegen Matthaus Neumann. Ich habe bei dem Lied Klavier gespielt und alles selbst produziert.

Worum geht es darin?

Das ist eine lange Geschichte. Mein Onkel ist auf tragische Weise umgekommen. Die Trauerphase meiner Mutter, die Depression, die geherrscht hat, hat mich bewegt, ein Lied zu schreiben.  „Ich stehe vor dem Fenster und schau hinaus, ein Schrei von mir löst gar nichts aus“. Ich besinge meine Mutter und meine Familie. Wenn jemand stirbt, trauert man um ihn, aber gleichzeitig kommen viele ungelöste Probleme heraus, die man verdrängt hat. „Wie ein Blinder, der Farbe erkennt, wie die Seele die Wahrheit verdrängt. “Es ist nie zu spät zu verstehen, es nie zu spät diesen Weg zu gehen“. Es ist die Einsicht, die zur Aussicht führt. Es ist nie zu spät zu verstehen – ein Hoffnungslied eben!

Was hast du studiert? Musik?

Ich habe Audio Engineering studiert und erfolgreich abgebrochen (lacht).

Und jetzt?

Jetzt sitze ich hier und gebe ein Interview (lacht).

Also bist du doch zu was gekommen.

(Nika lacht und zeigt mit dem Daumen hoch.)

Wolltest du immer mit Jugendlichen arbeiten?

Nicht unbedingt, es war purer Zufall. Ein Kollege hatte den Job angeboten bekommen, aber er konnte nicht, und ich brauchte einen Job.

Wie findest du die Arbeit mit den Jugendlichen?

Ich muss ehrlich sagen, ich war nie so derjenige, der mit Jugendlichen zu tun hatte. Ich war schon in der Schule ein Außenseiter. Ich dachte mir immer, ich mache meine Mucke, dann Karriere, und dann bin ich weg. Doch es kommt meistens anders, als man denkt.

Gab es Berührungsängste am Anfang?

Berührungsängste? Absolut, vor allen Dingen, es ist so eine Ecke von Jugendlichen, mit denen ich noch nie zu tun hatte. Ich bin aber der Arbeit ganz offen begegnet und das hat sich ausgezahlt! Mittlerweile zähle ich viele Leute von hier zu meinem engsten und besten Freunden.

Wie schön!

Absolut.

Man ist erstmal skeptisch, hat vieles über die Jungs hier gehört, und obwohl man das nicht möchte, steckt man Menschen immer wieder in eine Schublade…

Richtig. Dann bekommt man mit, dass sie cool drauf sind (lächelt).

Die finden, du machst eine tolle Arbeit!
Das ist schön…

Gestern hat mir einer erzählt, dass du ihm geholfen hast, mit dem „Beat“ zu arbeiten, mit Rhythmus. Du bringst denen musikalisch was bei… Gibt es etwas, was du von denen lernst?
Ja, absolut! Die Leute, die mich vor der Zeit mit den Jugendlichen gekannt haben, haben mir erzählt, dass es eine drastische Veränderung gibt. Eine positive Veränderung. Das heißt, ich habe was gelernt … Was genau weiß ich nicht.

Zurück zu deinem Projekt. Wie schafft man es, von der musikalischen Unterstützung im kleinen Studio, raus aus dem Keller?

Wir machen viel. Wir haben Auftritte gegeben, die sind sehr gut angekommen. Das tolle daran ist, jetzt kommt die pädagogische Seite. Eigentlich, habe ich mit Pädagogik nichts am Hut (lacht). Dadurch, dass sie auftreten, lernen sie sehr viel über sich und entdecken neue Facetten. Es gibt viele, die Potenzial und Talent haben, die sich entwickeln werden. Ich helfe ihnen dabei, das ist die Unterstützung, die ich anbieten kann.

 

Rap-Aufnahme im GoT-Studio

 

Hier wird viel Hip Hop gesungen. Was meinst du, kann man sich statt mit den Fäusten zu schlagen, mit Musik bekämpfen?
Meinst du, was dissen angeht?

Was ist dissen?

Dissen ist, jemanden zu beleidigen oder zu verletzen, aber auf Rap-Ebene.

Die bekämpfen sich mit Wörtern?

Genau, und mit Argumenten

Bleibt es dabei?
Es gab schon Schwierigkeiten, wegen Dis-Tracks (beleidigenden Raps, Anm. d. Red.), aber ich habe auch oft gehört, dass es nicht zur Auseinandersetzung gekommen ist.

Ein Wunsch wäre, dass sie einen Weg aus der körperlichen Gewalt finden…
Wege finden, Wege ausprobieren, um ihren Weg zu finden.

Was hast du noch alles vor? Wie sieht deine Zukunft aus?

Meine Zukunft? Ich habe heute mein Gewerbe angemeldet. Auf dem Amt sagte man mir: Das ist ja super, was sie da machen! Ich werde weiterhin hier arbeiten und im Jugendzentrum Meschenich. Demnächst habe ich vor, mit den Jugendlichen das Studio zu renovieren, zu streichen und Parkett reinzusetzen, oder ….was ist billiger?… es wird wahrscheinlich PVC werden. Ich werde die Jungs weiter musikalisch unterstützen, aufnehmen und natürlich meine eigene Musik komponieren, spielen, CDs produzieren und, ja, reich und berühmt werden! (lacht)

Zu guter letzt: Gibt es einen Rapper, dem du das meiste Talent nachsagst?

Es gibt verdammt viele. Pierre ist einer der besten!

 
Morgen treffen wir Pierre Lohmar, besser bekannt als King Rap One!

 

Text: Betsy de Torres

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