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Gesellschaft

Wir sind hier, wir sind laut – weil man uns den Wohnraum klaut!

Mittwoch, 7. Februar 2018 | Text: Judith Levold | Bild: Marc Loecke

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Etwa 60 TeilnehmerInnen eines kleinen Demonstrationszuges durch die Südstadt skandierten diese und weitere Parolen auf ihrem Weg zum Chlodwigplatz – zuvor hatten sich von Kündigung betroffene Mieter, solidarische Nachbarn, Bezirksbürgermeister Andreas Hupke und Wohnraum-AktivistInnen der Initiative „Recht auf Stadt“ vor dem Haus Baden-Mietshaus in der Trajanstraße 10 zu einer Kundgebung getroffen.

Haus Baden-Claim: Sozial, von Beginn an

Ich springe vom Rad, als ich die kleine Menschen-Ansammlung sehe, ein ungemütlicher Spätnachmittag mit Schneeregen. Kalle Gerigk, auch als Mieten-Kalle bekannter Streiter für bezahlbaren Wohnraum und gegen eine Verdrängung durch Luxussanierung, ergreift auf dem Mittelstreifen Trajan-, Ecke Maternusstraße, das Mikrofon. Er selbst konnte einst mit vielen Unterstützern die Zwangsräumung aus seiner Wohnung im Agnesviertel abwenden. Heute engagiert er sich für andere: „Hier wurde 17 Mietparteien gekündigt, weil Haus Baden mit der Fortführung der Mietverhältnisse an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gehindert werde – so viel zum Familien-Unternehmen mit Herz, wie es auf deren Homepage heißt!“. Die Umstehenden applaudieren. Hintergrund ist die von Haus Baden geplante Baumaßnahme am Haus Trajanstraße 10. Mit einem Baulückenschluss zur Maternusstraße hin sollen „sieben hochwertige Mietwohnungen in Südlage mit unverbaubarem Parkblick und eine Gewerbefläche“ geschaffen werden, wie es in einer Mitteilung der privaten Wohnungsbaugesellschaft heißt. Die schon bestehenden angrenzenden Wohnungen sollen in dem Zusammenhang baubedingt saniert werden und deshalb müssen die MieterInnen ´raus.

Haus Baden - Bezahlbare Mieten

Nicht alle MieterInnen wollen das so einfach hinnehmen, auch wenn Haus Baden-Geschäftsführerin Nathalie Forssman-Trevedy in einem Schreiben betont: „Wir unterstützen unsere Mieter sehr bei der Beschaffung von Ersatzwohnraum. Viele haben in unseren eigenen Objekten eine neue Wohnung gefunden (…) Andere wiederum haben Umzugsbeihilfen oder finanzielle Entschädigungen bevorzugt. Mit weiteren sind wir in konstruktiven Gesprächen.“ Nur eine einzige Mieterin habe bisher jedes Gesprächsangebot abgelehnt und verlange (…) „eine völlig unangemessene Entschädigung von 15.000 Euro“, heißt es weiter seitens Haus Baden.

Wohnraum schaffen, auch für Ärmere noch?

Kalle Gerigk erteilt dieser „einzigen“ Mieterin Ellen Hübner das Wort, denn sie ist „nicht einverstanden“ mit dem Procedere ihres Vermieters Haus Baden und hatte sich an die Öffentlichkeit gewandt, was u.a. der EXPRESS in einem Artikel aufgriff. „Es stimmt nicht, dass ich die Einzige bin, auch für drei weitere wurde noch nichts gefunden oder ihrem Antrag auf Verlängerung der Frist zum Auszug nicht stattgegeben, sie wollen sich dazu aber lieber nicht äußern, um Verhandlungen nicht zu gefährden. Der Widerstand bröckelt. Ein paar konnten tatsächlich in Ersatzwohnungen umziehen, teilweise im selben Haus sogar oder sie wollten sowieso ausziehen…Und einigen ist jetzt was in Aussicht gestellt worden. Dass ich Gespräche ablehne, ist falsch, ich verhandle nur nicht selbst, sondern das macht mein Anwalt. Und der stellt ganz bestimmt keine Forderungen, die rechtlich abwegig wären.“ erzählt Ellen Hübner. Seit elf Jahren wohnt die 70jährige -wie einst die verarmte Schriftstellerin Irmgard Keun- in ihrer kleinen Wohnung hier. Nach dem Tod des Sohnes von Haus Baden-Gründer Albert Speck, Jürgen Speck im Jahre 2011, sei bereits dreimal die Miete erhöht worden. Was sie denn genau wolle, frage ich die resolute, zierliche Frau, die Jahrzehnte beruflich in der Sozialarbeit unterwegs war und auch jetzt noch im ambulant betreuten Wohnen arbeitet, weil sonst ihre Rente nicht reichte: „Mein Ziel ist, dass ich so lange in meiner Wohnung bleiben darf, bis ich etwas Vergleichbares und Bezahlbares hier im Viertel gefunden habe.“ sagt sie. „Stimmt doch, oder Hamid?“ wendet sie sich an den jungen Mann, der sich zu uns gesellt, auch er zunächst ohne Angebot von Haus Baden, irgendwie anders gut untergebracht werden zu können. „Mir hat man gesagt, nein, es gebe auf keinen Fall eine alternative Wohnung für mich, doch gestern hatte ich dann einen unfrankierten Brief im Kasten, dass es jetzt doch etwas geben soll.“ berichtet er.

Haus Baden - Bezahlbare Mieten

Die Südstadt: den Menschen lieb und teuer

Seine Wohnung bezahlen zu können -11€ pro qm kalt kosten sie in diesem Haus durchschnittlich- und in seiner angestammten Umgebung bleiben zu dürfen – das sind doch keine unverschämten Wünsche, denke ich. Was mich aber außer dem Schicksal der gekündigten MieterInnen noch beschäftigt, ist die Frage, was genau für ein neuer Wohnraum hier denn tatsächlich entstehen soll. Denn dass neuer Wohnraum entsteht – dagegen kann ja eigentlich niemand etwas haben. Die wirtschaftliche Verbesserung für Haus Baden beziffert das Wohnungsunternehmen selbst in den Kündigungsschreiben an seine MieterInnen von Oktober 2017 ganz klar: schon wenn man bei Neuvermietung nach der Baumaßnahme nur „vorsichtig“ mit 13€ pro qm kalkuliere, erziele man monatlich deutliche Mehreinnahmen. Noch deutlicher, so das Unternehmen, fielen diese aus, nähme man die „durchaus realistischen“ 18€ pro Quadratmeter.
Ich staune: Dass 18€ kalt pro Quadratmeter in der Südstadt als „realistisch“ gelten, zeigt ja nur, dass in diesem Viertel die Verdrängung ökonomisch Schwächerer schon längst Standard ist, eine Milieuschutzsatzung etwa hätte derlei verhindern bzw. bremsen können. „Da sind wir ja schon seit langem dran“ weiß Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, „das dauert nur einfach alles viel zu lang.“ Der Annahme vieler, für die Südstadt käme das ohnehin zu spät, widerspricht er. „Das stimmt nicht, man muss um den Erhalt von jeder noch bezahlbaren Wohnung kämpfen!“ fügt er hinzu. Und dazu müsse man Mechanismen, die Politik und Verwaltung hätten, auch umsetzen bzw. müsse der Rat das dazu erforderliche Personal beschließen, fügt er hinzu.

Ob nach der Neubau- und Sanierungsmaßnahme eine Vermietung für 18€ geplant ist, konnte ich (noch) nicht in Erfahrung bringen. Von der Pressesprecherin von Haus Baden erfuhr ich nur, „dass man das zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht sagen könne, man wisse ja nichtmals, wann die Baumaßnahme abgeschlossen werden könne. Und überhaupt sei das unwahrscheinlich, weil untypisch für Haus Baden.“
Ich kenne das anders: Bauherren kalkulieren in der Regel selbstverständlich schon vor Baubeginn, mit welchen qm-Preisen sie hernach operieren.
Mieterin Ellen Hübner und die Wohnraum-Aktivisten von Recht auf Stadt bleiben sowieso skeptisch. Sie fordern die Politik auf, den Kündigungsgrund zugunsten „angemessener wirtschaftlichen Verwertung“ mal anzufassen. Und ich, ich warte auf einen Gesprächstermin mit Haus Baden-Chefin Frau Forssman-Trevedy – der wurde mir in Aussicht gestellt. Demnächst an dieser Stelle.

Text: Judith Levold

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