Waffen mit Pustefunktion
Montag, 19. Februar 2018 | Text: Reinhard Lüke
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Gerade mal eine Woche, und schon scheint der Karneval wieder ewig weit weg. Aber das schnelle Umschaltspiel gehört schließlich auch für Narren zum Ritual. Auch wenn vor Haus Müller immer noch der Bierwagen steht und die Poller entlang der Severinstraße nicht wieder eingesetzt wurden. Nur die Verbretterungen der Schaufenster waren bereits am Aschermittwoch weg. Was leider wieder deutlich erkennen ließ, wie viele Läden da teils seit Jahren leer stehen. Ansonsten teile ich als Anwohner des Hotspots An der Eiche die Einschätzung, dass es in diesem Jahr während der Tollen Tage erfreulich entspannt und gesittet zuging. Die Dixi-Offensive zeigte offenbar Wirkung, zudem patrouillierten vor meiner Haustür zumindest an Weiberfastnacht uniformierte Mitarbeiter des Ordnungsamtes und verteilten auch ordentlich Knöllchen an Jecke, die es trotzdem nicht lassen konnten, an Hauswände zu schiffen. Sehr zum Verdruss des Pipi-Spanners, der seit Jahren an Weiberfastnacht pünktlich zur Mittagszeit auftaucht. Ein schmieriger Typ um die 50 mit herunterhängender Kinnlade, der die ganze Zeit am Zaun zum Spielplatz entlang tigert und auf Frauen wartet, die sich zum Wasserlassen in die Büsche schlagen. Gut möglich, dass der Vogel nach dieser für ihn betrüblichen Erfahrung demnächst zu Karneval nicht mehr anreist. Den Rest des Jahres hab´ ich ihn in der Südstadt zumindest noch nie gesehen.
HK with Love
Wie ist eigentlich der Valentinstag für den örtlichen Blumenhandel diesmal gelaufen? Nicht ganz so dolle? Versteh´ ich. Ist ja auch zu blöd, wenn der höchste Feiertag der Floristen mit Aschermittwoch ausgerechnet auf einen Trauertag fällt und die heimischen Vasen ohnehin noch voller Strüßjer stecken. Aber Gemach, ihr Händler. Im nächsten Jahr wird der Nubbel erst am 5. März verbrannt. Passt dann schon. Aber warum nicht mal eine solide Handfeuerwaffe statt Blumen schenken? Auch wenn der Valentinstag diesmal für Heckler&Koch auch nicht so richtig gut gelaufen ist. Schaltete die schwäbische Waffenschmiede doch an diesem Tag eine Anzeige, die eine Pistole zeigte, die von einem Herz aus Patronen eingerahmt war. „From HK with Love“ stand daneben. Die geschmackvolle Werbung ging online, wenige Stunden bevor in einer Schule in Florida ein Teenager 17 Menschen erschoss. Wonach die braven Schwaben die Anzeige dann doch pietätvoll zurückzogen. Zur Entschuldigung seitens der Firma hieß es, die Annonce sei von der amerikanischen Tochterfirma entworfen worden. In den USA seien solche Motive zum Valentinstag durchaus üblich. Klingt absurd, stimmt aber vermutlich.
Promis mit Spanplatte
Bisweilen stimmt mich Werbung auch einfach nur melancholisch. So wie dieser Hörfunk-Spot. „Hallo, hier ist Wigald Boning.“ 2. Stimme: „Wo denn?“ Boning: „Hier unten bei den Tiefstpreisen von POCO!“ Boah. Da rollen sich einem doch glatt die Fußnägel hoch. Auch wenn ich mir sicher bin, dass der kluge Herr Boning diesen Geniestreich nicht selbst verfasst hat, so hat er ihn doch zumindest in ein Mikrofon gesprochen. Und für die Prospekte von POCO, so was wie das kik unter den Möbelhäusern, hat er auch noch in eine Kamera gelächelt. Wigald Boning braucht offenbar Geld. Unbedingt. Egal wie viel und von wem. Denn allzu hoch dürfte solch ein Werbevertrag nun auch nicht eben dotiert sein. Aber der Mann hat seit geraumer Zeit kein eigenes Fernsehformat mehr und da wird es schnell eng. Markus Maria Profitlich ist auch schon bei POCO. Aber nun gut, wer daheim hungrige Mäuler zu stopfen hat, darf nicht allzu wählerisch sein. Oder üben Möbelhäuser grundsätzlich eine seltsame Faszination auf VIPs aus? Nachdem der gewiss nicht arme Thomas Gottschalk sich im letzten Jahr für Segmüller in Pulheim zum Affen gemacht hatte, grient mich nun aus einem porta-Prospekt nicht nur unser Porzer Scherzkeks Guido Cantz sondern auch Annette Frier an. Okay, die Frau hat Zwillinge, ist aber doch, wenn ich das richtig überblicke, bestens im Geschäft. Was ist das? Komplette Enthemmtheit? Nackte Gier? Aber vielleicht bin ich ja nur sauer, weil bei mir nicht mal der 1-Euro-Laden wegen einer Kampagne anfragt. Ich würd´ sogar den Slogan („Alles Euro, bei uns ist nix teuro“) selbst schreiben und mich vor dem Shooting rasieren.
Häschen zum Anpusten
Da lob´ ich mir doch meine Freundinnen vom Teleshopping. Die hören wenigstens auf mich. Hab´ ich ihnen doch unlängst geraten, von der Idee mit der „Giftbox“ Abstand zu nehmen, kommt die Kuscheldecke inzwischen in einem „Geschenkkarton“ ins Haus. So ist´s recht. Und nachdem die Ladies kurz nach Weihnachten Putzmittel und Abnehmpillen verhökert haben, tobt da seit Mitte Januar die österliche Vorfreude mit dem üblichen Deko-Plunder. Mit dabei natürlich auch die flammenlosen Echtwachskerzen, deren rasante Entwicklung ich über Jahre mit Interesse verfolgt habe. Nach der täuschend echt brennenden Unterwasser-Kerze nun die neueste Kreation der emsigen Tüftler: Kerzen mit Pustefunktion! Also Kerzen, auch als Häschen, Küken oder Eier zu haben, mit künstlicher Flamme, die man aber mittels eines eingebauten Sensors mit echter Puste auspusten kann. Irre. Und einmal in Fahrt, haben die Ingenieure in ihrem Bemühen um die Simulation des Authentischen noch gleich eins draufgesetzt: Man kann die Stumpen auch anpusten! Ich freu´ mich jetzt schon auf Weihnachten.
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