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Kultur

Freiheit gegen Vollpension

Mittwoch, 28. Februar 2018 | Text: Alida Pisu | Bild: MEYER ORIGINALS

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Sie könnten unterschiedlicher nicht sein und werden doch ziemlich beste Freunde. Sie, das sind ein vollgefressener Bär (Alexander Stirnberg) im Zoo, der sich trotz drei üppiger Mahlzeiten pro Tag nach seiner Freiheit sehnt. Und eine freche Krähe (Faris Yüzbaşioğlu), ein richtiger Hungerhaken mit leerem Bauch und spitzer Zunge, der zwar fliegen kann, wohin er will, aber von einer Vollpension im Zoo träumt. Im Comedia – Theater feierte „Krähe und Bär“ eine gelungene Premiere. Die Vorlage für das Stück stammt von Martin Baltscheit, der dafür mit dem Deutschen Kindertheaterpreis 2016 ausgezeichnet wurde und der am 12. März im Rahmen der lit.kidCOLOGNE im Alten Pfandhaus mit einer Lesung gastiert.

Teilen gegen das Alleinsein

Kindertheater Krähe und Bär - Meine Südstadt

Foto: ©MEYER ORIGINALS

Nachdem der Bär der Krähe, die ins Wasserbecken gefallen ist, das Leben gerettet hat, lässt sie ihm keine Ruhe mehr. Sie will auch etwas abhaben vom Essen auf Rädern, das ihm frei Käfig geliefert wird. Aber der Bär schaltet auf stur, die Krähe blitzt erst mal ab. Und rast davon, auf ihren Rollschuhen, mit denen sie zu heißen Rhythmen ihre Runden dreht. Cooler Typ, diese Krähe, mit dem Zöpfchen und dem wehenden Schal! Ganz anders dagegen der träge Bär, der sich kaum bewegt, gerne auf seinem Stuhl thront und mit wenigen Schritten seinen Käfig abgemessen hat. Man sieht ihm seine Depressionen förmlich an, er ist allein, außer zu seiner Wärterin (Eva Horstmann), die ihm das Essen in den Käfig liefert, hat er keine Kontakte und leidet an der Einsamkeit. Denn Besucher und Wärterin interessieren sich nicht für ihn, die einen beglotzen, die andere füttert ihn, mehr nicht.

Vision von Freiheit

Eva Horstmann als Wärterin macht aus den Bären-Fütterungen ein eine Show: Mal schellt sie wie der Pizza-Lieferservice und lässt sich die Lieferung auch unterschreiben, ein anderes Mal serviert sie ihm auf einem Tablett den Kaffee. Das hat Charme und Witz, persifliert stellenweise auch unseren Umgang mit Essen – wer auf sich hält, bestellt schließlich!

Kindertheater Krähe und Bär - Meine Südstadt

Foto: ©MEYER ORIGINALS

Am Ende ist der Bär zum Teilen bereit, er gibt der Krähe einen Knochen, sie beschreibt ihm dafür, was sie sieht, wenn sie fliegt. Und versucht, ihn aufzumuntern und aus seiner Depression zu reißen. In einer berührenden Szene malt sie ein blaues Bild, fragt „Was siehst du?“ und hält im Wechsel das Bild hoch: „Das ist der blaue Himmel“ und hält es wieder runter: „Das ist das blaue Meer“. Dazu Meeresrauschen… Poetischer und liebevoller kann man seine Zuneigung kaum ausdrücken. Das Bild wird an die Wand gehängt und da bleibt es auch, als eine sichtbare Vision von grenzenloser Freiheit. Die sich zu erfüllen scheint.

Rollentausch

Denn ein magischer Trank der Klapperschlange verhilft Krähe und Bär dazu, ihre Körper tauschen zu können. UND ihre Visionen wahr werden zu lassen. Der Krähenbär verzichtet auf seine Freiheit, bekommt dafür aber die drei ersehnten Mahlzeiten pro Tag. Die Bärkrähe lässt die Gitter hinter sich, muss sich nun jedoch dem Kampf ums tägliche Überleben stellen. Das jede Erfüllung womöglich auch ihre Schattenseiten hat, dämmert den beiden schon bald. Als nämlich der Krähenbär fett wird und die Bärkrähe hungern muss und von einer ebenso gerissenen wie gemeinen Ratte (Eva Horstmann) aufs Kreuz gelegt wird. Ihre Hilferufe werden von der Krähe gehört, es geht plötzlich um Leben und Tod. Der magische Trank ermöglicht den beiden die Rückverwandlung und bringt die Erkenntnis, dass alles, was man hat, durchaus nicht selbstverständlich ist. Weil es nicht selbstverständlich ist, bedarf es auch der Wertschätzung.

Kindertheater Krähe und Bär - Meine Südstadt

Foto: ©MEYER ORIGINALS

Freundschaft und Freiheit, um diese Themen kreist „Krähe und Bär“. Wer in einen Käfig gesperrt ist und hinter Gitterstäben dahinvegetiert, der kann nicht frei sein. Freiheit braucht Bedingungen, unter denen sie sich entfalten kann. Ebenso wie Freundschaft, die nur auf Augenhöhe und mit Respekt für den jeweils Anderen gelingen kann. Aber wenn zwei so unterschiedliche Wesen wie ein riesiger Bär und eine kleine Krähe Freundschaft schließen können, dann sollten auch Menschen es schaffen, Freundschaften zu schließen und die Freiheit des Anderen zu achten. Und miteinander zu teilen, damit es nicht länger diejenigen gibt, die im Überfluss leben und ihnen auf der anderen Seite die Habenichtse gegenüberstehen.
Wie man dahin kommen kann, das zeigt die Inszenierung von Rüdiger Pape, die vom Witz der Figuren, ihren existentiellen Sorgen und deren Bewältigung, den pointenreichen Dialogen und tollen Darstellern lebt – nicht nur für Kinder ab 8 Jahren ein lohnenswerter Theaterbesuch!

„Krähe und Bär“ von Martin Baltscheit
Regie: Rüdiger Pape
Darsteller: Eva Horstmann, Alexander Stirnberg, Faris Yüzbaşioğlu
Comedia – Theater, Vondelstr. 4 – 8, 50677 Köln
Die nächsten Termine: 4., 5., 6. März, 25. und 26. April 2018

Text: Alida Pisu

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