Brabbelnde Lasten auf Bürgersteigen
Montag, 9. April 2018 | Text: Reinhard Lüke
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Viel los in der Südstadt. Sagt jedenfalls die stets rührige facebook-Gruppe. Kaugummis liegen rum, vor Aldi werden Enten ermordet und jetzt scheint auch noch die Sonne. Wobei mich das mit der platt gefahrenen Ente schon ein wenig wundert. War denn der Alleinunterhalter und Multiinstrumentalist, der immer am Tatort vor Aldi auf der Severinstraße unerschrocken seine Weisen zu Gehör bringt, an dem Tag nicht da? Neben dem würde sich doch keine Ente mit halbwegs intakten Ohren freiwillig niederlassen.
Sonne mit Folgen
Das mit der Sonne ist fein, führt aber auch zu massiven Behinderungen durch Radfahrer. Beispielsweise auf der Severinstraße vor der Eisdiele, die neuerdings „Der Eismacher“ heißt. Ist natürlich eine feine Sache, nach dem Spielplatzbesuch mit den Kinderchen dort vorzufahren, um sich ein lecker Eis zu gönnen. Und weil der Laden eine Eingangsstufe hat, auf der es sich gemütlich sitzen lässt, wird die kalte Süßspeise natürlich gern an Ort und Stelle geschlabbert. Und wohin mit den Rädern? Na, auf dem Gehweg abstellen. Wo sonst. Ist ja schließlich nicht verboten. Wenn die Erziehungsberechtigten mit ihrem Nachwuchs auf herkömmlichen Zweirädern unterwegs sind und ihre Gefährte umsichtigerweise nicht neben- sondern hintereinander parken (was selten passiert), geht das ja noch an.
Wagenburgen für Eis
Aber Südstadteltern transportieren ihre Kinderchen zunehmend auf oder in sogenannten Lastenrädern, die in der Dreirad-Variante locker die Dimensionen einer ausgewachsenen Harley haben. Und diese Teile – am Samstagnachmittag waren es gleich vier dieser Ungetüme – werden dann mal eben vor der Eisdiele zu einer Art Wagenburg zusammengestellt. Durchgangsmöglichkeit für Passanten? Null. Soll die Oma mit ihrem Rollator doch auf die Straße ausweichen. So what? Wer Kinder hat und dann auch noch schwerst ökologisch korrekt mit dem Rad unterwegs ist, wähnt sich offenbar grundsätzlich im Recht. Immer und überall. (Dabei weiß man doch spätestens seit Funny van Dannen, dass auch lesbische, schwarze Behinderte ätzend sein können.) Rein theoretisch könnten die Politessen ja Knöllchen an die geparkten Lastenräder pappen. Das Recht, seinen Drahtesel auf dem Gehweg abzustellen, gilt schließlich nur mit der Einschränkung, dass andere Verkehrsteilnehmer – und dazu gehören auch Fußgänger – dadurch nicht behindert werden dürfen. Man könnte die Dinger natürlich auch problemlos auf dem Severinskirchplatz parken und die paar Meter entspannt zur Eisdiele latschen, aber diese Tortur möchte den lieben Kleinen wahrscheinlich nicht zumuten.
Garage fürs Lastenrad
Letztlich scheint mit die rasante Zunahme dieser Lastenräder weniger ein Zeichen des gewachsenen Öko-Bewußtseins als ein Indiz für die grassierende Gentrifizierung des Südens zu sein. Für den Neupreis mancher dieser Vehikel bekommt man schließlich locker einen gebrauchten Kleinwagen, und vor normalen Wohnhäusern sieht man sie auch eher selten stehen. Wäre ja für Diebe ein durchaus lohnendes Objekt der Begierde. Da ich nicht davon ausgehe, dass die Eigner ihre Ungetüme jedes Mal in ihre Wohnungen wuchten, kann das doch nur heißen, dass ihnen in unmittelbarer Nähe ihrer Behausungen gesicherter Parkraum für die Teile zur Verfügung steht. Will sagen, da steht gewiss manch schickes Lastenrad in der Garage neben dem Porsche Cayenne, mit dem die Familie samstags gern aufs Land brettert, um beim Öko-Bauern ihres Vertrauens total gesunde Sachen einzukaufen. Und anschließend geht’s in der Stadt zur Eisdiele. Mit dem Rad. Für SUVs gibt’s da ja keinen Parkplatz. Nein, ich habe wirklich nichts gegen Gutverdiener, Kinder und Lastenräder. Nur etwas gegen sich asozial verhaltende Eltern mit Lastenrädern.
Papa als Wand
Womöglich gehört auch der Typ zu der Spezies, der letztens im Trude-Herr-Park mit seinem Sohn (im Lastenrad!) vorfuhr. Offenbar hatte Vater, Mitte 30, seinem Sohn, etwa drei, versprochen, mit ihm eine Runde zu kicken. Ich erinnere mich: Das macht als Erwachsener nicht unbedingt Spaß, muss aber sein. Federball mit Dreijährigen ist noch nerviger. Hier hatte der Vater allerdings zur Linderung seines schweren Schicksals sein Handy dabei. Und während Junior ihm den Ball zuspielte, blieb das Gesicht seines Begleiters konstant aufs Display seines Kommunikationsutensils geheftet. Unten einen Trullerball zurück schießen und oben surfen – so viel Multitasking schaffen auch Männer. Die gebrabbelten Ankündigungen seines Sohnes, er werde jetzt aber ein Tor schießen und ähnliche verbale Zuwendungen ließ Vati ohne jede Reaktion über sich ergehen. So er sie denn überhaupt mitbekam. Da mich dieses Spiel dermaßen faszinierte, hatte ich mein Buch längst beiseite gelegt und kann deshalb behaupten, dass der abstruse Kick rund zehn Minuten dauerte, ohne dass der Erziehungsberechtigte einmal das Wort an seinen Mitspieler gerichtet oder ihn auch nur angeschaut hätte. Daheim wird er seiner Liebsten vermutlich berichtet haben, er und sein Sohn hätten ganz toll Fußball gespielt. Was der Kurze bestätigt haben dürfte. Vermutlich kennt er es nicht anders. Dabei hätte er genau so gut den Ball gegen eine Wand kicken und mit ihr reden können. Wäre auch nicht weniger kommunikativ gewesen.
Der authentische Max
Zum Schluss noch eine Herzensangelegenheit in eigener Sache. Am Freitag werden die diesjährigen Grimme Preise ausgehändigt. Jan Böhmermann bekommt auch wieder einen. Für sein Bravourstück aus der Rubrik „Eier aus Stahl“, in dem er den total authentischen, neudeutschen Gefühligkeits-Pop von Max Giesinger und Konsorten seziert. Ein höchst unterhaltsames Kleinod. Jederzeit einsehbar auf YouTube. Und was macht derweil unser Heimatsender WDR? Schickt für Hörfunk und Fernsehen (mehr oder minder) ausgebildete Journalisten in Parks und Fußgängerzonen, um Passanten investigativ nach ihrer Meinung zum endlich aufgezogenen Frühlingswetter zu befragen. Die meisten fanden es irgendwie gut.
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