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Kultur

„Wir haben unsere eigene Burg!“ – Eine Chronik des Baui im Friedenspark

Dienstag, 21. August 2018 | Text: Calle Virnich | Bild: Oliver Köhler

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Purer Zufall, dass ich mich mit David Thorausch, Teamleiter im Jugendzentrum Bauspielplatz, kurz nach dem Brandanschlag vom 6. Mai auf das „Baui“ getroffen habe: Unbekannte hatten auf dem Außengelände mehrfach Feuer gelegt. Nicht nur die „Feuerhütte“, die von allen Kindern geliebte urige Grillhütte fiel den Flammen zum Opfer. Vieles mehr wurde mutwillig zerstört (Meine Südstadt hat berichtet). Wir sprachen über die Geschichte des Baui, dieses ganz besonderen Orts in der Südstadt. Der aktuelle Fall von Vandalismus schwang trotzdem mit, denn der Baui hatte einige „Feuerproben“ zu bestehen.

40 Jahre „Baui“

Der Bauspielplatz am Friedenspark

„Tut mir leid! Wir haben leider bis auf weiteres geschlossen!“ Gleich mehrfach muss David Thorausch – wir haben uns zum Plaudern draußen auf den Hof gesetzt – an diesem Nachmittag im Mai Kinder und Jugendliche vertrösten, die auf das Gelände des Bauspielplatzes möchten. Trotzdem herrscht ein Kommen und Gehen, denn das Jugendzentrum im alten „Fort I“, genauer im ehemaligen „Reduit“ der Festungsanlage hat einiges zu bieten und ist auch ohne Bauspielplatz ein beliebter Treffpunkt. Und das seit 40 Jahren: „1978 ist unser eigentliches Gründungsjahr, da hatten wir unser erstes richtiges Programm“, erzählt David Thorausch, der hier selbst als Kind in den 1980ern gespielt hat. Damals sah es hier allerdings noch anders aus: Im Hof stand ein Bungalow, die Räume der alten Festung konnten noch nicht genutzt werden. Doch wie kam es überhaupt zur Gründung des Bauwagenspielplatzes? Und ausgerechnet in einer früheren Festungsanlage?

Am Anfang war die BISA

Die Kölner Südstadt um 1970: die Mieten sind billig, viele Studenten und junge Familien wohnen hier. Es ist die Zeit der Studentenbewegung, es herrscht der Geist von ´68, viele sind politisch „links“: Protestkultur, Entwürfe von „alternativem“ Leben, und alternativer Erziehung. Als die Stadt Kindergärten schließt, gründet sich 1970 die „Bürgerinitiative Südliche Altstadt“ (BISA): Es gibt nicht nur zu wenig Kindergarten-, sondern auch zu wenig Spielplätze – und es gibt die Idee, auch hier neue, alternative Wege zu gehen: Ein besonderer Ort muss her, ein Freiraum, an dem die Kinder und Jugendlichen ihre eigene Welt erschaffen, kreativ sein können. Nach dem Vorbild der dänischen „Skrammellegeplads“ („Gerümpelspielplätze“) entstehen damals die ersten Abenteuer- und Bauspielplätze in Deutschland. Die BISA beschließt schon im November 1971, dass so etwas auch in die Südstadt gehört. Und welcher Standort wäre dafür besser geeignet als das geräumige Gelände des Fort I im (damaligen) Hindenburgpark? Eine ehemalige Militäranlage, auf dem Dach ein Kriegerdenkmal – und mittendrin ein Abenteuerspielplatz: Ein Ort voller Symbolik!

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„Stadt brennt Bauspielplatz ab!“

Bis es soweit ist, liegt den Initiatoren und Unterstützern noch ein weiter, steiniger Weg bevor. Auf Bürgersversammlungen und Infoständen wird für den Bauspielplatz geworben, im Juni 1972 erscheint die erste Ausgabe der Stadtteilzeitung „BISAFANT“. Pädagogische Konzepte werden erstellt, Gespräche mit der Stadtverwaltung geführt. Im August 1972 gehen Initiatoren, Eltern, Kinder und Studenten in die Offensive und eröffnen den Bauspielplatz provisorisch – und ohne Genehmigung der Stadt. Rund 10.000 DM werden gesammelt, der „Trägerverein Abenteuer- und Bauspielplatz e.V.“ (TRAB) setzt sich zum Ziel, den Bauspielplatz zur festen städtischen Einrichtung zumachen. Aber die Stadt lehnt ab. Ein Ultimatum verstreicht und im Dezember lässt sie die Holzhütten der Kinder abreißen, die Reste werden verbrannt: „Stadt brennt Bauspielplatz ab!“, ruft die Titelzeile des BISAFANT: „Drei Monate Kinderparadies im Hindenburgpark. Übrig blieb: ein Haufen Asche“. Die Öffentlichkeit ist empört.

Beharrungsvermögen vs. Hinhaltetaktik

Militäranlage und Abenteuerspielplatz

Die Auseinandersetzungen zwischen BISA und der Stadt prägen die Baui-Geschichte der frühen 1970er Jahre: Im Park werden Kinder- und Volksfeste veranstaltet, häufig unangemeldet, die BISA wirbt weiter für den Spielplatz und eine feste Freizeiteinrichtung, feilt an ihrem Konzept. Und es gibt Besetzeraktionen. Man ist eher links orientiert, und das wird auch die folgenden Jahrzehnte prägen: „Es war hier lange Zeit eine sehr politische Jugendeinrichtung, die sehr im linke Milieu verortet war“, erzählt David Thorausch. Heute würde man die jungen Leute eher im AZ finden, damals „war dass hier eine gesamtrevolutionäre Sache“, so der Teamleiter mit einem Augenzwinkern. Im Frühjahr 1974 gibt die Stadt endlich das Versprechen: Im Hindenburgpark soll dauerhaft ein Abenteuerspielplatz entstehen, unter Trägerschaft der Stadt und unter Mitwirkung des „TRAB“. Tatsächlich übt sich die Stadt weiter in Hinhaltetaktik.

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Mit 10 Betreuern nach Sizilien

Noch weitere vier Jahre werden vergehen, bis es endlich soweit ist. Offiziell und unter städtischer Leitung startet der Baui im September 1978. Zusätzlich zum Bauspielplatz gibt es ein umfangreiches, betreutes Freizeitprogramm, Ausflüge und Reisen. Und plötzlich schöpft die Stadt aus dem Vollen: Mit gleich 10 Betreuern geht es 1979 für 67 Jugendliche nach Sizilien! Darüber kann sich auch David Thorausch nur wundern: In späteren Jahren gab es hier mal sechs feste Stellen, „heute sind es genau 2 ½!“. Dafür gibt es weder Strom noch Wasser: Im Winter werden Räume im Stollwerck genutzt, nach dessen Abriss Bauwagen aufgestellt. 1984 der Schock, als die Bauwagen durch einen Brandanschlag der rechtsradikalen „Wiking-Jugend“ zerstört werden: Der besondere, aber missverstandene „genius loci“ des alten Forts holt die Bewohner ein…

Text: Calle Virnich

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