Gefühle und Macht
Dienstag, 18. September 2018 | Text: Julienne DeMuirier | Bild: Meyer originals
Geschätzte Lesezeit: eine Minute
So lautet das Motto der neuen Spielzeit im Freien Werkstatt Theater, und eröffnet das Haus am Zugweg passend mit einem Stück, das vor unterdrückten Gefühlen und erotischen Machtspielchen nur so überzulaufen droht:
Das zeitgenössische Drama „Quartett“ von Heiner Müller lässt zwei Zerstörungswütige sich in einem aufgeladenen Endspiel um Liebe und Sex drehen. Es ist ein Zweipersonenstück, in dem sich die früheren Geliebten Marquise de Merteuil und der Vicomte de Valmont erneut treffen und eine Wette um Verführung eingehen.
Körper und Kopf
Die französische Regisseurin Catherine Umbdenstock sorgt dafür, dass es dem Publikum mit den beiden einzigen Darsteller*innen (Alexandra Lowygina und Carl Bruchhäuser) nicht langweilig wird. Während das erste Kapitel – in solche ist das Stück unterteilt – eher ereignisarm verläuft, steigern sich die folgenden dann wie das Herunterzählen eines Countdowns. Die Machtkämpfchen werden gröber, der Raum lädt sich auf mit destruktivem Drängen. Aus der bevorstehenden Eskalation wird kein Geheimnis gemacht. Es ginge alles nur um Sex, und ihr Körper, so erklärt die Marquise dem Publikum zu Beginn, tue etwas vollkommen anderes als ihr Kopf täte. Denn dieser hege keinerlei Zuneigung zu Valmont. Umso interessanter, dass Merteuil und Valmont abwechselnd in den Publikumsraum hinein kommentieren, als wollten sie betonen, wie sehr sie sich selbst belügen.
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Große Kleinkunst im Theater 509 im Bürgerhaus StollwerckWie ein Schnösel aus dem Hahnwald
Im dezenten Bühnenbild (Heike Engelbert) mit Tisch in Grau und einer Vase mit einem perfekt drapierten Blumenstrauß steht eine Drehscheibe, die sich zwar nicht dreht, aber wie ein Präsentierteller die stark gekünstelte Show serviert.
Während Valmont mit Boots, Röhrenjeans und geleckten Haaren wie ein Schnösel aus dem Hahnwald herumschleicht, räkelt sich Merteuil mit Spitzenoberteil und Highheels auf der Scheibe. Manchmal reibt sich der ein oder andere Körper an der Wand, einmal ist ein Song von Beyoncé und Jay-Z zu hören, zu dem Valmont parodistisch tanzt.
Schlicht, aber abwechslungsreich
Die Schlichtheit der Kulisse hilft. Sie rückt diesen überaus großen Text in den Mittelpunkt, der voll von intelligentem Wortwitz ist. Den Freiraum, den er lässt, nutzen die beiden gekonnt aus. Abwechslung entsteht, indem man nicht nur in die Rollen der zu Verführenden schlüpft, sondern auch, indem Merteuil und Valmont ihre Rollen tauschen.
Wie üblich sorgt der Mann im Frauenkleid für einen ordentliche Lacher. Viel spannender jedoch am Tausch der Geschlechter ist, wie Alexandra Lowygina in die Rolle des Valmont schlüpft ohne dabei komplett die für Merteuil typische Scharfzüngigkeit zu verlieren. Als die Schauspielerin Alexandra, die eigentlich Merteuil spielt, die aber Valmont spielt.
Unterhaltung mit dieser amor fou gibt’s noch in weiteren Vorstellungen am 21.09., 26.09., 18.10., 19.10., 20. und 31.10.
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