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Lükes Liebes Leben

Kind tot. Handy tut´s noch.

Montag, 29. Oktober 2018 | Text: Reinhard Lüke

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Stehe ich letztens draußen vor der Bücherkiste des Fairstore auf der Severinstraße und betrachte die Auslage. Da in der Grabbeltruhe stets eine vergleichsweise hohe Fluktuation herrscht, schaue ich dort regelmäßig rein und habe auch schon manch echtes Schätzchen erworben. Auch diesmal bin ich fündig geworden. Als ich mich daran mache, zum Bezahlen in den Laden zu gehen, sagt eine ältere Dame, die mit an der Kiste gestanden hat. „Vielleicht lernen Sie ja was daraus, junger Mann.“ Ich, einigermaßen verdutzt: „Äh…“. (Auf den „jungen Mann“ bilde ich mir jetzt mal nix ein. Die Spanne für dieses vermeintliche Kompliment reicht in Köln bekanntlich von der Einschulung bis zur Bahre.) Als die Dame meine Irritation ob ihres frommen Wunsches bemerkt, deutet sie auf das schmale Büchlein in meiner Hand und zwinkert mir freundlich zu. „Die Rolle der Frau“ steht auf dem Umschlag.

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Langsam dämmert´s mir. Die freundliche Dame hält das Buch für einen Ratgeber und unterstellt mir offenbar einen gewissen Nachholbedarf in diesen Fragen. Dass es sich bei dem Exemplar um ein Büchlein des von mir geschätzten Humorarbeiters Wiglaf Droste handelt, hat sie übersehen. Vermutlich sagt ihr der Name aber auch einfach nichts. Ich widerstehe der Versuchung, sie aufzuklären und meine Kaufentscheidung zu rechtfertigen sondern gehe mit einem „Ich werd´ mir Mühe geben“ meiner Wege. Ein Ratgeber von Wiglaf Droste. Der Mann hätte gewiss große Freude an dem Missverständnis. Sind aber auch echt eine Seuche, die Lebenshilfe-Bücher, die schon bald wieder massenhaft unter deutschen Weihnachtsbäumen liegen werden.

Nur Nachlässe

Eine veränderte Wohnsituation brachte es mit sich, dass ich vor ein paar Wochen mal wieder Bücher ausmisten musste. So knapp tausend mussten raus. Da die leider nicht geordnet in einem Regal standen, hieß das, sie irgendwie aus dem Gesamtbestand auszusortieren, wozu ich so ziemlich jedes einzelne Buch in die Hand nehmen durfte, um zu entscheiden: kann weg oder bleibt. Auch wenn ich (meistens) der Versuchung widerstanden habe, hier und da nochmal kurz reinzulesen, hat die Aktion mehrere Tage in Anspruch genommen. Und dann die Frage: Wohin damit? Übers Internet verkaufen und dazu jede einzelne ISBN-Nummer einscannen? Nicht meins. Dann doch lieber wie früher im Antiquariat in der Merowinger anrufen. Da ich solche Einrichtungen schätze und die Betreiber logischerweise auch was verdienen müssen, hätte ich sie dem Laden auch geschenkt. Was aber freundlich abgelehnt wurde. „Nur besondere Ausgaben und ganze Nachlässe“, hieß es nicht sonderlich bedauernd. Nun gibt es gewiss ganze Nachlässe, die weniger als tausend Bücher umfassen, aber ist schon klar, wie das gemeint ist. Sammlungen, die nicht lesende Erben einfach nur aus den Füßen haben wollen. Weshalb da für Antiquare stets die Hoffnung besteht, darin ein paar echte Schätze zu entdecken. Läuft so ähnlich wie bei der Versteigerung von Gepäckstücken am Flughafen. Am Ende ist meist doch nur schmutzige Wäsche drin, die einem ohnehin nicht passt. Aber Hoffnung ist ja immer prima.

Ratgeber und Krimis

Auch beim Fairstore, wo ich in der Vergangenheit schon den ein oder anderen Karton vorbei gebracht hatte, war man nicht interessiert. „Wir nehmen nur noch kleinere Mengen“, hieß es. „Und am liebsten Krimis und Ratgeber.“ Krimis lese ich seit geraumer Zeit nicht mehr und mit Ratgebern kann ich auch nicht dienen. Ich hab´ jetzt neuerdings nur den von Wiglaf Droste. Sämtliche Offenen Bücherschränke vollstopfen? Bei der Menge auch keine Option. Kurz bevor ich soweit war, das ganze Kulturgut auf die Kippe zu fahren und mich womöglich der Bücherverbrennung schuldig zu machen, bekam ich den Tipp mit der Bücherbörse in der alten Uni. Die freundlichen Studenten haben mir dann all die Kisten abgenommen. Am nächsten Samstag und Sonntag ist da wieder große Bücherbörse und mit dem Erlös werden Hilfsprojekte in Afrika unterstützt. Feine Sache, das. Werde hingehen und Bücher kaufen. Hoffentlich bringe ich nicht versehentlich eins heim, das ich vor Wochen aussortiert habe.

Vati schaukelt gern

Die neue Wohnsituation hat auch dazu geführt, dass ich nun vom Schreibtisch aus direkt auf den Spielplatz vorm Haus blicke. Dass Eltern von Kleinkindern kaum noch ohne gezücktes Handy aus dem Haus gehen, ist mir auch früher schon aufgefallen. Aber das Ausmaß der Seuche, die sich da nun täglich vor meinem Fenster ausbreitet, hat mich denn doch überrascht. Letztens war da ein Vater mit seinem Junior unterwegs, der unbedingt auf die Rutsche wollte, aber noch deutlich zu klein war, um Aufstieg allein bewältigen zu können. Wie sich das gehört, gab der liebevolle Vater ihm mit beiden Händen Hilfestellung. Doch kurz bevor Junior die oberste Sprosse erklimmen konnte, zog Daddy urplötzlich eine Hand von ihm ab und fingerte hektisch in seiner Jackentasche. Beim Versuch, sein Handy hervorzuholen, das offenbar gebimmelt hatte, wäre sein Sohnemann fast kopfüber von der Leiter gepurzelt. Wie panisch muss man drauf sein, um in dieser Situation zu vermuten, dass man gerade den Anruf seines Lebens verpassen könnte?

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Natürlich hat der Typ bei der Rettungsaktion des Kleinen keineswegs sein Handy fallen lassen, sondern, nachdem er den vor Schreck brüllenden Kurzen abgesetzt hatte, erstmal in Ruhe telefoniert. Aber es wird ja auf dem Spielplatz keineswegs nur telefoniert. Man muss ja auch sonst auf dem Laufenden bleiben. Besonders gut für Handy-Dauernutzung bei gleichzeitiger Kleinkindbetreuung eignet sich die Schaukel. Da kann man sich hinter die Kurzen stellen, sie mit der einen Hand anschubsen und mit der anderen sein Mobilgerät nutzen, ohne dass die Kinderchen etwas davon mitbekommen. Ganz was anderes: Weiß irgendwer, was es mit der Graberde auf sich hat, die nun kurz vor Allerheiligen überall angeboten wird? Handelt es sich da womöglich um eine Spezialmischung, die besonders gut zu Blumen und Toten ist? Oder doch wieder nur um eine Marketingmasche, weil um diese Jahreszeit doch sonst keine Sau mehr Blumenerde kaufen würde?

Text: Reinhard Lüke

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