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Gesellschaft

„Nächstes Jahr ernten wir hier unsere ersten Erdbeeren und Tomaten“

Donnerstag, 21. Juli 2011 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Seit bald drei Wochen ist das Niemandsland zwischen Südstadt und Bayenthal keines mehr: Die Brache an der Alteburger Straße hat wieder zu leben begonnen, seit das Gelände am 3. Juli in einer Guerilla-Gardening-Aktion bepflanzt wurde. Jetzt nimmt das Projekt Formen an: Die Initiative „NeuLand“ will für das Gelände offiziell eine Zwischennutzung beantragen und dort einen mobilen Bürgergarten erschaffen – der dann eines Tages wieder umziehen soll, wenn das Gelände bebaut wird.

Meine Südstadt: Ein Bürgergarten im Niemandsland – das klingt blauäugig.
Gary Meuser: Warum?

Weil einige der Pflanzen schon gestohlen wurden, und weil der Zaun rings um das Gelände inzwischen mit Kette und Schloss verriegelt wurde.
Dirk (mit einem Lächeln): Naja, dass die Leute dort ein paar Pflanzen geklaut haben, das zeigt ja auch ihr Interesse für das Gelände. Die nehmen sich den Rosmarin mit nach Hause, um ihn dort zu pflegen.

Gary: Dieses Gelände ist im Moment wirklich ein Unort – und wird das für mindestens zwei Jahre noch bleiben, denn so lange wird dort definitiv nicht gebaut. Genau deshalb wollen wir das Areal in dieser Zeit Stück für Stück mit Leben füllen. Wenn dort ein mobiler Bürgergarten entstehen würde, wären regelmäßig Leute vor Ort, es würde ein geschützter Raum entstehen. Dann nimmt automatisch der Vandalismus ab.

 

Was sind die ersten Schritte zu diesem Bürgergarten?

Gary: Die Guerilla-Aktion am 3. Juli war vor allem eine Aktion, um die Bedeutung der Brache hervorzuheben. Viele Bürger haben damit ihr Interesse bekundet, dieses Stück Land aufzuwerten. Mit diesem gesellschaftlichen Rückhalt streben wir nun einen privatrechtlichen Zwischennutzungsvertrag an. Deshalb möchten wir kommende Woche auf den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, den Eigentümer des Areals, zugehen. Parallel bringen wir das Wissen über die Brache und über die Vorteile eins Bürgergartens in Umlauf.

Rechtlich ist das ja bislang in einer Grauzone. Sie betreten ein Gelände, das Ihnen nicht gehört. Haben Sie Ermahnungen oder Drohungen seitens der Eigentümer erhalten?
Gary: Nein. Aber der BLB hat uns wahrgenommen – die bunten Wimpel, die bei der Guerilla-Aktion die Brache überspannten, wurden entfernt. Einmal die Woche vielleicht kommt eine Art Gebäude-  oder Geländemanager und fährt das Areal ab. Aber es gibt schließlich keine Betreten-Verboten-Schilder, und letztlich ist es doch irgendwie auch unser Land: Es gehört ja dem Land NRW.

Urban Gardening, der Garten in der Stadt: Da springen Sie auf einen Trend auf.
Dirk: Das Thema ist schon vor ein, zwei Jahren hochgekommen. Ein Vorbild für uns sind die Prinzessinnengärten in Berlin-Kreuzberg (LINK), wo ich gerade vier Wochen lang gearbeitet habe. Die Brache am Moritzplatz – übrigens auch in Landesbesitz – war viele Jahre lang ungenutzt. Mal war da ein Autohändler, dann ein Flohmarkt. Das Berliner Liegenschaftsamt ist ziemlich wirtschaftlich orientiert, aber die Prinzessinnengärten haben es trotzdem geschafft, nun schon seit drei Jahren zu existieren.

Was für Erfahrungen haben Sie dort gemacht?
Dirk: Ich habe erlebt, was es heißt, in einer Stadt zu gärtnern. Vereinfacht gesagt ist das professioneller Dilettantismus: Menschen verschiedenen Alters, verschiedener Nationalitäten, verschiedener sozialer Herkunft treffen da zusammen. Das sind alles Hobbygärtner oder Leute die es werden wollen. Und jeder gibt sein Wissen weiter. Man arbeitet gemeinsam, kann selbst Gemüse, Kräuter, Obst anbauen, kann auch mit ungewöhnlichen Sorten und Technologie experimentieren – sofern sie nachhaltig sind. Beim Unkrautjäten mit einer 60-jährigen Frau habe ich eine Menge über Pflanzen gelernt, glauben Sie mir.

Gary: Die Infrastruktur – so ist das auch für unseren Bürgergarten geplant – ist komplett mobil. Gearbeitet wird mit Pflanzkästen, Säcken, Kübeln, die jederzeit  umziehen können, wenn die Brache dann endgültig bebaut wird. Das gilt auch für das Café, den Kiosk. Damit wird der Ort zum Treffpunkt und zu einer Oase gemacht – ein wichtiger Punkt gerade für Köln. Hier fehlen Orte, an denen Kinder herumlaufen, an denen Familien zusammenkommen können.

Was ist mit den Parks? Wir haben den Römer- und den Friedenspark, den Volksgarten, die Poller Wiesen.
Dirk: Schon richtig. Aber das Thema Garten fehlt da ja ganz. In unserem Bürgergarten kann jeder aktiv mitgestalten. Wer Lust hat, kann Unkraut jäten, einen Pflanzkasten betreuen, säen und ernten. Es ist nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch der Bildung: Was ist eigentlich Lebensmittelherstellung? Wie sieht eine Pflanze aus? Welche Gemüsesorten haben gerade Saison? Wie kann man Gartenprodukte haltbar machen? Ein Dozent hat schon angeboten: Wenn das Gelände frei wird für die Zwischennutzung, dann will er dort ein Seminar anbieten über die Nutzung von Brachen.

Gibt es ein Bedürfnis bei den Menschen nach mehr Natur?
Gary: Viele Stadtbewohner sind auf dem Land aufgewachsen, und wir wollen auch an ihre Kindheitserinnerungen appellieren, an ihre Erdverbundenheit. Das ist doch im wahrsten Sinne des Wortes alles ganz tief in uns verwurzelt. Nur das Wissen über die Natur, über das Gärtnern, über die Pflanzen, das haben wir ja nicht mehr. Und das wollen wir wiederfinden und weitergeben.

Man hört es schon: Sie sehen sich als Wegbereiter der Kölner Zukunft.
?Gary: Es geht natürlich vor allem um Nachhaltigkeit, um eine andere Stadtplanung. Es wäre schön, wenn der Handwerker wieder um die Ecke wohnt. Wenn die Wege mit dem Fahrrad zu machen sind undsoweiter. Köln ist ja nicht gerade ein Vorreiter, sondern hinkt eher hinterher, was Ideen und Pilotprojekte angeht – anders als zum Beispiel Freiburg oder Berlin.

Was ist Ihre Utopie für diese Brache? Wie sieht sie in einem Jahr aus?
Dirk: In einem Jahr haben wir hier 200 Pflanzkästen und ernten Erdbeeren und Tomaten und Minze, Paprika und Chili. Es wird ein mobiles Café geben und vielleicht eine mobile Garküche nach dem Vorbild aus den asiatischen Ländern.

Was ist mit Musik?
Dirk: Lieber Vogelstimmen – und Kinderstimmen. Und vielleicht ab und an al eine Party. Wir planen ja auch auf Dauer Kulturveranstaltungen, so dass auch die Künstler hier eine Bühne bekommen.

Gary: Wir hätten hier gern eine mobile Anlaufstelle. Einen Platz, den auch Kölner aus Kalk oder Mülheim besuchen. Oder Leute aus Bonn und Düsseldorf. Diese Brache soll einfach wieder ein guterOrt werden zwischen Bayenthal und Südstadt.

 

Das nächste Treffen der Bürgerinitiative NeuLand findet statt am Sonntag, 24.7., um 16 Uhr an der Brache Alteburger Straße.
 

Infos:

Homepage von NeuLand: www.neuland-koeln.de

NeuLand bei twitter: @NeuLandkoeln

NeuLand bei Facebook: NeuLand

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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