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Kultur

À table!

Montag, 24. Juli 2017 | Text: Jaleh Ojan | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Sie wirkt wie eine müde flackernde Straßenlaterne: die leuchtende Mondsichel, „Aushängeschild“ des Restaurants „Zum Abnehmenden Mond“. Fast scheint das Symbol sogar ein böses Omen zu sein, denn das Restaurant wird wohl in drei Tagen schließen müssen. Doch bevor der Vorhang endgültig fällt, lassen die Angestellten des Lokals nichts unversucht, um den Betrieb trotz Müdigkeitserscheinungen am Laufen zu halten – und Kundschaft anzulocken.

Man könnte glauben, dass die „Theaterkönige“ allabendlich in ihre weißen Blusen, Röcke und Anzüge (Kostüme: Katia Köhler) schlüpfen, so sehr wirken sie wie alte Hasen des Gastronomiebetriebs. Womöglich liegt es auch daran, dass die Darsteller sich auf der Bühne der Comedia mittlerweile zu Hause fühlen.

 

Viele von ihnen sind tatsächlich langjährige Mitglieder von Theaterkönig, einem Ensemble von Menschen mit Behinderung, in dem seit den Anfängen auch Dozenten, Absolventen und Schauspielschüler vom Theater der Keller regelmäßig mitwirken. Das von Sabine Hahn vor 10 Jahren gegründete Ensemble hat in seiner Stammspielstätte, der Comedia, offenbar auch sein Stammpublikum. Zur Premiere von „Die drei letzten Tage des Abnehmenden Mondes“ aus der Feder von Ulrich Marx sind die Leute trotz schwüler Hitze jedenfalls zahlreich erschienen.

Aus der Zeit gefallen

Wer nicht glaubt, dass sich ein Stück ohne klassischen Spannungsbogen und mit einem Minimum an Dialog und Action in einen kurzweiligen, poetischen und humorvollen Theaterabend umsetzen lässt, findet in der Regiearbeit von Sabine Hahn den Gegenbeweis. Vom Restaurantchef (Ulrich Beckers) bis hin zum Lieferanten (Michael Kiric) sind die Besetzungen ideal, die Schauspieler gehen sichtlich in ihren Rollen auf. Dabei sind die Figuren und der gesamte Rahmen der Handlung eigentlich so altmodisch, dass sie im Zeitalter von Schnellrestaurants fast schon antiquiert wirken.

 

Jeden Abend erledigen die Restaurantangestellten ihre Routineaufgaben nämlich, als seien es liebgewonnene Rituale. Da sorgt ein Kellner (Turhan Soydan) für die schummrige Beleuchtung, während der Lehrling (Tobias Schwieger) sich vor seinen Streichen in Acht nimmt.  Der junge Mann kann allerdings nicht verhindern, dass es in der Küche – also hinter den verschachtelten Stellwänden, die Nebenräume andeuten – scheppert und kracht. Unterdessen leisten die Kellner dem Maître Folge, wenn er das Kommando « Les tables! » gibt.  Rasmus Adams gibt den Oberkellner mit umwerfender stoischer Unterkühltheit.

Kampf gegen den Blues

Vom blank zu putzenden Besteck bis hin zur perfekt gefalteten Serviette: jeder Griff sitzt. Sogar die Jazzmusik im Hintergrund ist sorgfältig ausgewählt und thematisch passend, von Sinatras „Moon River“ bis hin zu Fitzgeralds „Blue Moon“. Und doch macht sich trotz romantischem Ambiente angesichts der drohenden Schließung eine leichte Unruhe bemerkbar. Nicht zuletzt bei den panisch angekündigten Auftritten von Monsieur Erneste, der als Chef so anspruchsvoll wie cholerisch ist. Oder, wie sein leidgeprüfter Chauffeur und Bediensteter (Bastian Sesjak) bemerkt: „Man denkt, ein Mensch ist so und so, dabei ist er in Wirklichkeit ganz anders“.

Das gemeinsame Tanzbein-Schwingen zu flottem Swing lässt zwar ahnen: Was sich liebt, das neckt sich. Doch weder Team- noch Kampfgeist können das Schlimmste verhindern. Obwohl die Anordnung des Bestecks für jeden Gang von der Belegschaft exakt einstudiert wird, bleibt die Kundschaft aus. Da ist genug Zeit für kleine „philosophische“ Zigarettenpausen vor der Tür. Schließlich kommt die Außenfassade, von pink und blau ausgeleuchteten Blumenmotiven geziert (Ausstattung: Michael Blattmann), zur blauen Stunde auch besonders gut zur Geltung.

Glaube, Liebe, Hoffnung

Einziger treuer Gast ist eine Frau (Kerstin Thielemann), die in edler Abendrobe und Pelzmantel alleine zum Diner kommt, und angesichts der Empfehlung des Tages – „Lapin chasseur“ – in Tränen ausbricht: „Die armen Kaninchen!“ Das scheint nicht der einzige Kummer zu sein, den die gut betuchte, aber einsame Frau in Champagner oder Schnaps ertränkt. Kurz vor Ladenschluss gibt sie immer dieselbe, etwas mysteriöse Anekdote zum Besten: Über eine falsch eingeschlagene Richtung und eine Tür, durch die man hindurchgehen muss.

 

Trotz ausbleibendem „Drama“ verfolgt das – zwischendurch immer wieder begeistert applaudierende – Publikum sozusagen mit angehaltenem Atem die drei letzten Abende des „Abnehmenden Mondes“. Aber sind es wirklich die letzten? Nicht ganz zufällig bringt die Geschäftsführerin (Ruth Wendel) die Schlagwörter Glaube, Liebe und Hoffnung ins Spiel …

Running Gags und subtiler Witz

Von den wilden Verfolgungsjagden der Köche Bocuse und Cambuse (Nico Randel und Jonas Relitzki) und den Prügelszenen darf man sich nicht in die Irre führen lassen: Wirklich brachial ist der Humor nie, im Gegenteil: die Inszenierung lebt von repetitiver Situationskomik und von Running Gags, aber auch von ganz anrührenden Szenen mit wortloser Interaktion und subtilem Witz. Zum Beispiel, wenn Yayoi Mochizuki als Kellnerin ganz nonchalant mit dem Publikum Blickkontakt aufnimmt. Diese Art von Humor kann man naiv finden, oder aber wunderbar altmodisch. Da findet der aufmerksame Zuschauer zahlreiche Referenzen an die Stummfilmkomödie, andere Szenen kann man wiederum als Verneigung vor den großen britischen Komikern des 20. Jahrhunderts verstehen.

Letztlich macht es wenig aus, dass man einige Darsteller nicht immer gut versteht, wenn sie Wörter vernuscheln oder zu schnell und monoton sprechen. Die aus professionellen und Laiendarstellern bestehende Truppe macht das durch ihren Einsatz und ihre natürliche Spielweise allemal wett.

Fazit: Wer braucht überteuerte französische Lokale, wenn es den Abnehmenden Mond mit seinem charmanten, sogar französischsprechenden Personal gibt? Ein zauberhaft in Szene gesetztes Stück; königliche Unterhaltung.

 

 

„Die drei letzten Tage des abnehmenden Mondes“ von Ulrich Marx
Regie. Sabine Hahn Stück. Ulrich Marx

Ausstattung. Michael Blattmann
Eine Produktion des COMEDIA Theater Förderkreis e.V..
Mit Unterstützung der Kämpgen Stiftung und der Marga und Walter Boll-Stiftung.

Weitere Aufführungen am 24., 25. und 26.07.17
Karten: 0221. 888 77 222 oder www.off-ticket.de (15 €, 10 € erm., 6 € Gruppen)
Vondelstraße 4-8 • 50677 Köln

Text: Jaleh Ojan

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