Abenteuer Ehrenamt: On the road mit der Kölner Tafel
Dienstag, 2. November 2010 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Jörg-Christian Schillmöller
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
„Man braucht gar nicht in ein Krisengebiet zu gehen, um Menschen zu helfen: Das hier ist ganz regional.“ Karin Fürhaupter ist eine resolute Frau. Eine, die weiß, was sie will, und das ehrenamtlich durchsetzt: Karin Fürhaupter ist Vorsitzende der Kölner Tafel. Es ist kurz vor halb neun morgens, und wir sitzen in der Zentrale in Michaelshoven. Im Hintergrund klingelt das Telefon, und die Fahrer trudeln einer nach dem anderen ein. „Das ist schon ziemlich beengt hier“, meint Karin Fürhaupter. „Eigentlich suchen wir nach einem neuen Quartier – und natürlich nach neuen Helfern.“ Wir: das sind sieben Ehrenamtliche in der Verwaltung – und mehr als 70 weitere im Fahrdienst. Nur einer der Fahrer ist fest angestellt.
Die Kölner Tafel: Das bedeutet ganz einfach, Lebensmittel zu transportieren, quer durch die ganze Stadt, fünf Tage in der Woche. Vom REWE-Markt zur Lebensmittelausgabestelle, vom Handelshof zum Betreuten Wohnen, vom Lidl um die Ecke zur Drogenberatung. Sieben Kleintransporter, 80 Ehrenamtliche und 110.000 Kilometer im Jahr: Das sind die Fakten. Der Hintergrund ist ernst: Viele Kölner sind auf die Tafel angewiesen, wieviele genau kann man kaum sagen: Von der Tafel profitieren Hartz-IV-Empfänger, Asylbewerber, Obdachlose, Rentner. Allein die Lebensmittelausgabe in Meschenich versorgt weit über 100 Familien. Auf der Internetseite der Bundesverbandes der Tafeln ist zu lesen, dass sich in Deutschland mehr als 800 Tafeln um eine Million Menschen kümmern. Für sie alle ist die Tafel ein Bindeglied, denn sie bringt zwei Pole zusammen: Auf der einen Seite gibt es zuviel, auf der anderen zu wenig.
„Es gibt so viele Lebensmittel, die erzeugt und vernichtet werden in unserer Gesellschaft“, sagt Karin Fürhaupter. Äpfel mit Druckstellen verkaufen sich nicht, aber essen kann man sie trotzdem. Eine Lage Joghurt, der heute oder morgen abläuft, wird aussortiert – und landet bei der Tafel. So geht das. Wieviel an einem Tag zusammenkommt, werde ich gleich erleben: Ich fahre mit Dieter Tschauner die Tour 1. Sie führt über Bayenthal bis nach Chorweiler und Langel, zwischendrin ein Stopp in Ehrenfeld und Müngersdorf, am Ende mitten hinein in die Südstadt und zum Schluss weiter nach Weiß: Ein Road-Movie, quer durch Köln. In einem Jahr bewegt die Tafel nach eigenen Angaben mehr als 750 Tonnen Lebensmittel.
Der Blick auf den Innenhof: Dort werden die ersten Kühl-Fahrzeuge beladen. Auf einem steht: „Unsere Zahnärzte und Patienten haben alte Kronen für dieses Fahrzeug gesammelt. Hans Fuhr, Dental Labor.“ Auf die Idee muss man erstmal kommen. Ich hole unseren Sprinter, und als ich auf den Hof einbiege, steht da schon Dieter Tschauner, ein schlanker Mann mit Bart und Brille. Er ist 73, hat in seinem Leben vierzig Länder bereist – und kennt unsere Tour aus dem FF. Neben ihm stapeln sich Klappkisten aus grünem Kunststoff. In einer liegen neue Spülschwämme, in einer anderen Duschbad, außerdem Speiseöl, Kuchenteilchen, Aufschnitt und – zwei Kisten Weihnachtsmänner aus Schokolade. Diese Waren stammen direkt aus den großen Logistik-Zentralen der Märkte, zum Beispiel von REWE, einem der Groß-Spender der Tafel. Die Kiste mit dem Speiseöl ist verdammt schwer. „Langsam, langsam“, ruft Herr Tschauner, als ich sie in den Laster wuchte. Wir holen uns ein Tafel-Handy und die Kladde mit dem Routen-Plan, dann geht es los. Im Autoradio läuft der Deutschlandfunk mit der internationalen Presseschau. Es ist kurz vor neun.
Erste Station: Der Toom-Markt in Rodenkirchen. Wir müssen an der Rampe warten, ebenso wie ein knallgelber Sinalco-Sattelzug. Ein Gabelstapler saust hin und her, es ist noch ziemlich kühl draußen. Dieter Tschauner und ich erzählen uns Geschichten. Er wohnt in Frechen und fährt seit 13 Jahren für die Tafel, zwei Tage die Woche. Das hat er schon ein halbes Jahr vor seiner Rente eingefädelt. „Mein Dasein ist ziemlich organisiert“, lacht er. Dann kommt unsere Ware: Drei Eimer Schnittblumen und sieben, acht grüne Kisten voll Möhren, Bananen, Salatherzen, Kartoffeln, Petersilie und Schnittlauch. „40 Kilo, würde ich sagen“, meint Herr Tschauner, und ich trage auf der Liste neben dem Namen Toom eine 40 ein, in der Spalte „Gemüse/Obst“. Es ist kurz nach halb zehn, als wir aufbrechen – Richtung Lidl an der Bonner Straße. Dort gibt es heute nur etwas Toast-Brot und Gemüse, und ich sperre mich prompt selbst im Laster ein: Die Tür fällt hinter mir zu, es ist stockdunkel und riecht nach Schnittlauch. Herr Tschauner befreit mich – und ich entdecke, dass man die Tür auch von innen aufbekommt, wenn man denn weiß, wie.
On the road mit der Kölner Tafel: Die herbstliche Stadt gleitet vorbei, gelbes Laub wirbelt vor uns über den Asphalt. Innere Kanalstraße, Weinsbergstraße und dann rechts ab auf den Melatengürtel und zum Bahnhof Ehrenfeld. Um die Ecke unser erster Abnehmer: Das sozial-psychiatrische Zentrum. Roswitha Dichant wartet schon und begrüßt Herrn Tschauner wie einen alten Bekannten. Frau Dichant und ihre Helfer machen hier jeden Tag Mittagessen für Bedürftige, und freitags nachmittags organisieren sie eine Lebensmittelausgabe für etwa 30 Personen aus dem Viertel. Wir laden Teilchen und Gemüse ab – und ein paar Blumensträuße. Alles wird in die Liste eingetragen – und schon sitzen wir wieder im Laster: „REWE Langel“, meint Herr Tschauner – und das bedeutet: An guten Tagen gibt es richtig viel zu schleppen.
Wie es im Zentrallager von REWE in Langel zugeht, was wir auf dem Bauwagenplatz an der Kanalstraße erlebt haben, dass es beim Odachlosen-Heim in der Veledastraße einen Pilzkenner gibt – und wie gut die Lebensmittelausgabe in Köln-Weiß organisiert ist: Das alles ist im zweiten Teil der Reportage zu lesen.
Wer sich engagieren möchte, klickt einfach auf die Homepage: www.koelner-tafel.de. Oder anrufen: 0221-351000.
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