Abi in der Pandemie – was dann?
Montag, 9. August 2021 | Text: Kendra Dana Roth
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Wenn ich an meine Abi-Zeit denke, kommen mir ausschließlich positive Gedanken in den Kopf: Abschlussfahrt an die Côte d’Azur, Partys, Prüfungen mit 20 Leuten in einem Raum, Motto-Woche, Abi-Streiche, Zeugnisvergabe, Abi-Ball und danach ausgelassen im Club feiern. Ein großes Privileg. Doch das war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst.
Abi machen während der Corona-Pandemie
Ich habe mich mit Leyli Mussawisada (18) vom Humbold-Gymansium und mit Miriam El Ouadoudi (18) von der Kaiserin-Augusta-Schule aus der Südstadt unterhalten. Sie haben mir erzählt, wie der Online-Unterricht von statten ging, was die Vor- und Nachteile der Pandemie waren und vor allem wie sich ihr Blick auf die Welt veränderte.
20. März 2020: Von einem auf den anderen Tag saßen Leyli und ihre Mitschüler zu Hause im Online-Unterricht. Es gab noch keine Lern-Plattform und man war auf sich allein gestellt. Ende Mai 2020 ging es wieder in die Schule, aber natürlich mit Masken.
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Stadtrad – Service, FahrradMehr Freizeit, aber was für Freizeit?
Man musste nicht um mehr um 8 Uhr in der Schule erscheinen, sondern konnte seinen Alltag eigenständig strukturieren. Bringt auf jeden Fall Vorteile mit sich, aber so einfach war es dann auch wieder nicht. Gerade für Leyli war der Online-Unterricht nicht immer einfach. Sie hat mehrere kleine Geschwister, die natürlich bespaßt werden möchten. Und auch Leyli’s Eltern saßen im Homeoffice. Die Prüfungen wurden immer wieder nach hinten verlegt und auch die Zukunft war ungewiss. Leyli und ihre Mitschüler fragten sich berechtigt: Wird das Abi überhaupt stattfinden? Klar, man hatte jetzt super viel Freizeit, aber was für Freizeit? Anstelle von Freunden treffen und auf Partys gehen, gab es viel Social-Media, Video-Calls mit Freunden und Spaziergänge.
Motto-Woche, Abi-Ball und Zukunftsaussichten
Während der Motto-Woche verkleideten sich Leyli und ihre Mitschüler als Kindheitshelden, im 2000er-Stil und als „Erster Schultag“. Doch Stimmung kam bei Leyli nicht wirklich auf. Der Abi-Streich hingegen wurde komplett gestrichen. Am 2. Juli dieses Jahres gab es die Zeugnisse und den dazugehörigen Abi-Ball in der Schule – mit Test und ausschließlich Eltern als Begleitung. Auch die Tickets für den Ball waren teurer als geplant, da während der Abi-Zeit keine Partys zur Finanzierung stattfinden konnte.
Leyli hat viel Wut in sich, aber weiß jetzt vieles mehr zu schätzen. Sie hat gemerkt, wie instabil das Schulsystem ist und wie schnell alles zusammenbrechen kann. Natürlich hatte sie große Pläne, wie alle nach dem Abi. Doch das Reisen in andere Länder ist ihr während der Pandemie zu anstrengend. „Ich will das erst machen, wenn wir alle wieder frei sind!“ Viele ihrer Freunde haben mittlerweile andere Zukunftsentscheidungen getroffen. Die Angst vor einer nächsten Welle wächst und das wir in einem Impfnationalismus leben, ist für Leyli sowieso klar. Das Praktika ausgefallen sind, findet sie nicht so schlimm wie die ausgefallenen Lebenserfahrungen. „Was Teil der Entwicklung sein sollte, wurde mir genommen und ich habe viel verpasst.“ Ihrer Meinung nach hat die Jugend, allgemein Studierende, mit am meisten gelitten. Junge Menschen leben in Abhängigkeit von anderen und konnten wertvolle Erfahrungen, die ältere Menschen bereits haben, nicht sammeln.
13. März 2020: Letzter Schultag an der Kaiserin-Augusta-Schule für Miriam. Ab dem 20. März gab es dann ausschließlich Online-Unterricht, was aber kein Problem war, da die Stufe auch schon vor der Pandemie mit der Software Microsoft Teams arbeitete. Nach den Sommerferien konnte man wieder für eine gewisse Zeit in die Schule. Natürlich mit Maske, Abstand, regelmäßigem Lüften und jeder mit eigenem Tisch. Doch nach dem Sommer kam dann der zweite große Lockdown.
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SchokoladenmuseumMottowochenverbot und kein Abi-Streich
Seit der Pandemie stand eigenständiges Lernen an der Tagesordnung, was für Miriam aber kein Problem war. Sie konnte ihren Tag besser strukturieren, aber die sozialen Kontakte fehlten. Miriam spielt seit über zehn Jahren Handball, doch auch das fiel flach.
Henriette Reker, Oberbürgermeisterin von Köln, verhängte dieses Jahr ein Mottowochenverbot. Keine Musik und auch keine Partys für Abiturienten. Verkleidet haben sich Miriam und ihre Mitschüler trotzdem. Doch auch der Augusta-Abi-Streich fiel aus. Sogar das Ordnungsamt stand am letzten Tag vor der Schule und es wurde darauf geachtet, dass man höchstens in 2er-Gruppen zusammensteht und bloß nicht zu viel Party macht. „Wir wollten das Beste daraus machen und hatten schon so viel Rücksicht genommen. Das war wie ein Schlag ins Gesicht.“ Am 24. Juni 2021 gab es die Zeugnisübergabe auf der Kölner Pferderennbahn. Nur mit Familie und stets mit Hygienekonzept. Der Abiball der Kaiserin-Augusta-Schule wurde abgesagt. Doch am 28. Juni dieses Jahres veranstalteten sie stufenintern ihre eigene Abi-Feier in einem Vereinsheim. Alle waren getestet und trugen Masken. Doch ein gemeinsames Bild wurde ohne Maske und mit viel Abstand geschossen.
„Meine Generation ist solidarisch!“
Miriam hat während der Pandemie gemerkt, wie solidarisch ihre Generation ist. Der Spruch „Die Jugend von heute“ trifft laut Miriam nicht zu. „Immer wird auf uns geschimpft, aber wir haben verdammt viel Rücksicht genommen. Natürlich gab es auch den ein oder anderen Ausreißer, aber meine Generation ist solidarisch.“
Viel Pläne haben sich geändert und man kann im Moment nicht langfristig planen. Miriam wollte immer ins Ausland und zum Studieren in eine andere Stadt ziehen. Sie beginnt jetzt erstmal ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Köln. Am liebsten möchte sie Sonderpädagogin oder Psychologin werden. Miriam möchte jetzt nicht wegziehen und auf ein Online-Studium hat sie keine Lust. Auch ihre Ängste in Bezug auf eine nächste Welle sind groß. Illegale Partys am Aachener-Weiher und Menschen, die sich nicht an die Regeln halten. Als gäbe es kein Corona.
Die Abi-Zeit ist dafür da zusammen zu wachsen. Doch weil so viel Soziales wegfiel, war das nicht möglich. Doch das wäre wichtig für uns gewesen, sagt sie. Ihr Fazit: Während all der Zeit wurde man nicht richtig wahrgenommen, man musste funktionieren und von der Politik kam zu wenig zurück.
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