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Bildung & Erziehung

„Achtung – Spucke!“ – Von jungen Forschern zwischen Iiih, Oh und Ah

Montag, 23. Juni 2014 | Text: Gastbeitrag | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Nach zwei Stunden ist die Spucke nicht mehr wiederzuerkennen. Breite blaue Streifen ziehen sich senkrecht durch das dünne Gel, das auf dem Leuchttisch in einem Labor des „Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns“ auf dem Gelände der Universitätsklinik in Lindenthal liegt. Die sechs Kinder, die sich jetzt darüber beugen, sehen noch mehr: Jede dieser Bahnen besteht aus unzähligen Querstreifen – die Forscher sagen Banden – manche haarfein, andere dunkler und breiter.??

 

„Klar finde ich die Amylase“, sagt Philipp und zeigt auf einen dicken blauen Streifen im unteren Drittel. Dr. Thomas Franz nickt. Er hat sich den Workshop im Rahmen der Kölner Kinder-Uni ausgedacht und ihn geleitet. Normalerweise beginnt für den Leiter der Massenspektrometrie (Analyseverfahren in der Chemie, Anm. d. Red.) an dieser Stelle die Arbeit. In seiner Abteilung werden die im Gel aufgetrennten Proteine aus den verschiedenen Forschungsgruppen des Hauses mengenmäßig bestimmt und näher charakterisiert. Heute ist das Gel selbst schon das Ergebnis. Jedes Kind darf den Streifen mit seiner eigenen Spucke – eingeschweißt in Folie – mit nach Hause nehmen. Die meisten haben auch ihr Studienbuch dabei: Jede Veranstaltung bedeutet einen neuen Stempel, zehn Stempel bedeuten ein Kinder-Uni-Diplom. Mehrere Forschungseinrichtungen in Köln bieten Veranstaltungen im Rahmen der Kinder-Uni an. Es gibt Workshops, aber auch Vorlesungen, bei denen die Eltern dabei sein dürfen. In der Südstadt ist die Fachhochschule Köln eine der Adressen.

Die Verwandlung zum Kinderforscher hat vor dem Labor mit einem weißen Kittel begonnen, der einigen der 8- bis 12-Jährigen bis zu den Knöcheln reicht. Dazu kommen eine Schutzbrille und Gummihandschuhe in arztseriengrün – „Wir sehen aus wie Aliens“, findet Alan. Dann wird gespuckt, was gar nicht so einfach ist, wenn man die Öffnung des kleinen Plastikröhrchens – von den Wissenschaftlern in Anlehnung an den Hersteller liebevoll „Eppi“ genannt – treffen will. „An saftige Zitronen denken“, rät Dr. Franz. Wer fertig ist, darf ´ran an die Pipette: Zuerst 30 Mikroliter Speichel, dann die gleiche Menge blaue, schweflige Pufferlösung dazu.??

 

Noch ist für die meisten das „Wie“ spannender als das „Warum“: „Ist das teuer?“, fragt Gabriel und zeigt auf die Pipette. Gegenüber wird kurzzeitig die Frage diskutiert, ob es wohl eine Sonnenbrillenversion des Augenschutzes gibt. Auch wer jetzt von giftigen Lösungen spricht, kann Eindruck schinden. Dann wird es knifflig, denn die Öffnung, um die es jetzt geht, ist schmaler, befindet sich in einem durchsichtigen Gel, das zwischen zwei Glasscheiben steckt und muss mit der Pipette in einer klaren Pufferlösung getroffen werden. Philipp traut sich als erster. Es klappt.?? 

 

„Was jetzt kommt, heißt Elektrophorese“, erklärt Dr. Franz. „Dabei werden die Moleküle aus eurer Spucke der Größe nach aufgetrennt.“ Eine Spannung von 200 Volt sorgt dafür, dass die Proteine, die in der Spuckeflüssigkeit enthalten und mittlerweile negativ geladen sind, von oben nach unten durch das Gel gezogen werden. Was nicht zu sehen ist, erklärt Dr. Franz im verglasten Besprechungsraum nebenan: Das Gel wird nach unten hin immer dichter. Deshalb bleiben die großen Moleküle schon oben hängen, die kleineren weiter unten.??

 

Über 1.000 verschiedene Proteine gibt es im Speichel, und jedes davon hat seine eigene Aufgabe. Amylase zum Beispiel zerlegt Stärke aus der Nahrung in seine Zuckerbestandteile. LCN1 sorgt für den Transport der Moleküle zu den Geschmackssensoren. Und eine ganze Armada von Proteinen gehört zum Immunsystem, schließlich sollen etwa krank machende Bakterien und Viren so früh wie möglich erkannt und unschädlich gemacht werden.

Zurück im Labor, beginnt die Praxis mit einem gezielten Schlag, der Gel und Glasplatten voneinander löst. Dann sind wieder die Kinder dran: Sechs weiße Kittel wehen Richtung Waschbecken, sechs mal zwei Hände schwenken vorsichtig die Plastikschale mit dem millimeterdünnen Gel, das mehrere Waschgänge mit destilliertem Wasser überstehen muss. Geschafft. Ayleen kippt Farbe drauf, Philipp balanciert das Ganze zum Schüttler. Nach zwanzig Minuten ist das Gel dunkelblau und bereit zum Entfärben. Mit jedem Waschgang wird das Gel heller – bis auf die sechs blauen Streifen: Das Experiment hat funktioniert. Nebenan ist eine weitere Kinder-Uni-Gruppe mit ihren Experimenten fertig. Sie haben sich Zellen näher angeschaut und dürfen Fotos mit nach Hause nehmen. Weitermachen bei der Kinderuni? Auf jeden Fall! Und Forscher werden? Vielleicht. Rennfahrer wäre aber auch ganz cool.
 

 

Die Autorin Kathrin Baumhöfer wohnt in der Südstadt, hat aber immer noch einen Koffer in Berlin, wo sie mehrere Jahre gelebt und gearbeitet hat. Studium der Medizinischen Biologie in Amsterdam, mittlerweile beim Hörfunk, und schon immer mit einem Faible für das geschriebene und gesprochene Wort.

 

 

Mehr im Netz

www.kinderuni.uni-koeln.de

Text: Gastbeitrag

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