„Achtung: Vor dir liegt ein aufgegessener Keks!“
Sonntag, 15. April 2012 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Meyer Originals
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Eine typische Feststellung gemäß der Philosophie eines 2-jährigen Kindes. Wie gestaltet sich der Tag eines 2-Jährigen? Was passiert in ihrer Welt? Wie erleben sie die Welt?
Mit diesen Fragen hat sich die Theaterautorin Ingeborg von Zadow beschäftigt, als sie ein Stück für die Kleinsten schreiben wollte. Seit einiger Zeit tut sich etwas in der Theaterwelt für die Zuschauer ab 2 Jahren. Ingeborg von Zadow hat ihr erstes Stück für sie Raus aus dem Haus im Herbst 2010 geschrieben. Am Samstag kam es im Comedia Theater bei uns in der Südstadt zur Uraufführung des Stückes. Für meine Südstadt war ich dabei.
Die Schlange für die Eintrittskarten reicht bis auf die Straße. Ganz schön lang, denke ich! Da stehen die Kinder ab 2 Jahren mit Bruder, Schwester, Mama, Papa, Tante oder Oma. Ein reges Gewusel vor der Uraufführung. Spannung liegt in der Luft. Dann endlich dürfen wir in den Theatersaal. Für die kleinen Zuschauer liegen Kissen in den ersten Reihen. Auf der Bühne liegen ca. 70 bunte, viereckige Kissen. Sonst nichts.
Und schon gehts los. Svenja (die Schauspielerin) und Laura (die Tänzerin) stellen die 2-jährigen Kinder dar. Sie wachen auf und reden gleich drauf los. Was ist heute angesagt: erst die Toilette aufsuchen und lautstarke Geschäfte erledigen. Das Publikum lacht los, die Großen und die Kleinen. Frühstück. Zähne putzen. Anziehen. Und dann? Raus aus dem Haus! Raus ins Leben! Die viereckigen Kissen in Orange, Rot, Gelb und Lila sind teilweise aneinander genäht. Svenja und Laura stapeln sie, klappen sie aufeinander und bauen Häuser damit. Oder eine Kuh? Da steht eine Kuh! Wo? Na, da hinten! Das ist spannend aber auch beängstigend! Die Texte sind fließend, rhythmisch fast wie Musik selber. Sie sind spielerisch, reimen sich, manchmal auch sinnentleert. Es hört sich gut an. Die musikalische Untermalung der Handlungen und Texte ist wunderbar abgestimmt.
Wie war das mit der Kuh? Laura hat sie als erstes entdeckt und ist neugierig. Aber zu Svenja sagt sie: Da gehen wir hin! Du gehst zuerst! Der Respekt vor der gewaltigen Kuh aus orangen, roten, gelben und lilanen Kissen ist dann doch größer als die Neugierde. Aber auch bei Svenja löst der Anblick der riesigen Kuh eher Zurückhaltung aus. Typisch 2-Jährige! Den innerlichen Konflikt bringen Laura und Svenja hervorragend durch ihre Körpersprache zum Ausdruck. Sehr akrobatisch und leichtfüßig (scheint es!) ringen sie mit ihren Gefühlen.
Nach der großen Kuh entdecken die beiden eine kleine Maus. Macht die große Kuh noch ein lautstarkes Mmmmmuuuuhhhh, so gibt es bei der Maus nur kleine Kratzgeräusche und Piepser. Von Zadow arbeitet in dem Stück mit Gegensätzen wie groß & klein, laut & leise, oben & unten. Sie hat den Entwicklungsstand der 2-Jährigen gut beobachtet und beschäftigt sich mit den Erfahrungen, die die Kleinen gerade machen.
Doch Kuh und Maus sind noch lange nicht die letzten Entdeckungen von Laura & Svenja an diesem Tag. Da gibt es auch noch den Berg aus Kissen. Den kann man bezwingen und dann runterrutschen. Und gleich noch mal! Dem großen Berg steht selbstverständlich der kleine Zwerg gegenüber. Vieles in unserer Welt muss den zwergengleichen 2-Jährigen wie Berge vorkommen. Immer wieder müssen sie ihren Mut sammeln und sich trauen, die Dinge zu entdecken. Eine großartige Leistung und das jeden Tag! Das ist anstrengend. Nach dem Abendessen, Schlafanzug und Zähne putzen gehen unsere beiden Heldinnen ins Bett. Sie singen noch ein Schlaflied und dann wird es leise. Machen sie jetzt Pause? Schlafen sie jetzt? Es scheint so. Aber nur kurz! Schon huscht wieder eine aus dem Bett. Noch ein kurzer, letzter Energieausbruch und dann schnarchen sie….und tummeln sich in ihren Betten! Mal rollen sie nach rechts, dann nach links. Dann ist der Kopf unter dem Kissen, dann wieder drüber….und fast kullern sie aus dem Bett! So sind sie, die 2-Jährigen!
Im Publikum sitzen hauptsächlich 3-, 4-Jährige oder auch ältere Kinder. Allen hat es gefallen. Ich entdecke Theresa. Sie ist gerade 2 Jahre alt geworden und sitzt mit ihrer großen Schwester Hanna (5), ihrer Mama und ihrer Tante im Publikum. Als die Lichter ausgingen, hat sie sich auf den Schoß ihrer Mama gekuschelt. Auf die Kissen für die Kinder mochte sie lieber nicht gehen. Neugierig verfolgt sie das Stück. Als Laura & Svenja die Kinder nach der Vorstellung auffordern, zum Turnen und Bauen auf die Bühne zu kommen, lässt sie sich das aber nicht zweimal sagen!
Sind Stücke für 2-Jährige nötig? Weniger ist mehr, haben wir gemerkt. Heißt das dann, dass später, früh genug ist? Oft empfinde ich die Altersempfehlung der Filme, Opern oder Theaterstücke für Kinder als zu niedrig angegeben. Bei dem Stück Raus aus dem Haus würde ich sagen, dass es auf alle Fälle für Kinder ab 3 Jahren geeignet ist. Und bei den 2-Jährigen ist es das Experiment wert.
Weiter Vorstellungen im Comedia Theater:
17.04. & 25.04.2012, 10:30 Uhr
25.04.2012, 16:00 Uhr
26.04. & 27.04.2012, 10:30 Uhr
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