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Verkehr

Alles Planungsirrsinn?

Dienstag, 18. Dezember 2018 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold/Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Vor der Entscheidung des Rates über das weitere Vorgehen in Sachen Ost-West-Achse im besonderen und damit der Verkehrswende in Köln generell, hatte die „Initiative gegen Planungsirrsinn“ nochmal mobil gemacht: Vor der Ratssitzung am 18.12. riefen Ottmar Lattorf vom nabis und seine KollegInnen im Bündnis der Initiative Verkehrswende zu Protest auf, denn der Rat sollte über die nach ambitionierter Bürgerbeteiligung und monatelangem zähen Ringen in der Politik soeben ausgehandelte Vereinbarung abstimmen: Die Fraktionen der Grünen und der CDU haben sich zusammen mit der Ratsgruppe GUT darauf geeinigt, dass jetzt sofort eine kapazitätssteigernde Ertüchtigung der oberirdischen Bahntrasse zwischen Bensberg und Weiden (Ost-West-Achse) anzugehen sei und man parallel dazu nochmals die technische und finanzielle Machbarkeit eines Tunnels vom Heumarkt bis zum Eisenbahnring prüfen solle. Für die Initiativmitglieder um Ottmar Lattorf aus Raderberg ist das, vor allem nach ihren Erfahrungen mit dem Ausbau der Nord-Süd-Stadtbahn auf der Bonner Straße, nicht überzeugend. Die angeregten Akut-Maßnahmen oberirdisch seien „Peanuts“, wie er meint.

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Meinesuedstadt.de Herr Lattorf, was kann man dagegen haben, dass jetzt möglichst zeitnah separate ÖPNV-Spuren auf der Ost-West-Achse eingerichtet werden sollen, auf denen dann Express-Busse fahren. Oder daran, dass entlang der Strecke auf Teilstücken PKW-Stellplätze wegfallen sollen, um mehre Raum für RadfahrerInnen und FußgängerInnen zu schaffen?

Ottmar Lattorf Dagegen kann man haben, dass das nur Tropfen auf den heißen Stein sind, Peanuts in Sachen wirkliche Verkehrswende, also weg von zu viel Luftverschmutzung, Verstopfung, Lärm und Gefahren durch den massiven Autoverkehr. Ein Tunnel ist nach wie vor eine Hommage an das Auto, denn er sagt: ÖPNV bitte unter die Erde, damit oben mehr Platz ist. (Für Autos). Der Tunnel enthält nur die Illusion von Verbesserung.

Aber es wird ja auch nicht der Tunnel-Bau beschlossen, sondern neben den oberirdischen Maßnahmen zur Kapazitätssteigerung des ÖPNV und der Verbesserung des Stadtraums nur ein Prüfauftrag zu dessen Machbarkeit, technisch und finanziell.

Ja, aber abgesehen davon, dass DAS längst hätte erledigt sein müssen, bevor man sich für oder gegen entscheidet, ist allein für diesen Prüfauftrag nochmal Geld in die Hand zu nehmen und Zeit zu verschwenden, unsinnig. Denn man könnte vollkommen ohne Geld schon echte Direktmaßnahmen zur Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs ergreifen…

…aber genau so eine Maßnahme wäre doch eine extra ÖPNV-Spur für dann ungehindert fahrende Busse, oder?

Auch das dauert aber und kostet – anders als zum Beispiel das Parken auf den Gehwegen zu illegalisieren. Stattdessen wird konsequent auf Gehwegen geparkt, einfach so. Da wird ein großer Teil von Gehwegen als Pkw-Stellfläche sogar markiert, das könnte man ändern, denn das Beparken von Gehwegen ist laut Straßenverkehrsordnung verboten. Interessiert in Köln aber keinen. Dabei heißt Bürgersteig ja Bürgersteig, weil der Bürger drauf steigt…Kostet gar nix, wenn man das Gesetz konsequent auslegen würde. Oder, wenn man wollte, könnte man den ganzen Bereich rund um den Neumarkt zur Fußgängerzone, mit Bahnen und nur Lieferverkehr machen – kostet ebenfalls nix. Einfach die Autos aus der Innenstadt verbannen, ganz ohne Baumaßnahmen. Das machen andere Städte auch. Und da wird trotzdem Handel getrieben, die Leute gehen einkaufen und so weiter…

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Ja, aber wenn die Leute nicht mehr mit dem Auto in die Stadt kommen könnten, dann müsste ja zeitgleich der ÖPNV schon eine deutlich erhöhte Kapazität haben.

Genau, aber genau das könnte man ja auch schnell erreichen, mit einem konsequenten #obenbleiben. Was natürlich auch deutlich kostengünstiger wäre, als einen Tunnel zu graben. Man hat ja beispielsweise bei der Sanierung der Niederflurbahn Linie 12 gesehen, dass das relativ schnell ging, in einem Dreivierteljahr nur. Wenn man überall Niederflur ausbaute, etwa bei den Verbindungen, den Radialen, den Tangenten, dann könnte man viel Strecke und damit Entlastung schaffen. Zum Beispiel bei der Nord-Süd-Stadtbahn, 3. Ausbaustufe, da hatten wir (die Initiative gegen Planungsirrsinn, Anm. der Redaktion) ja vorgeschlagen, das ohne die Baumfällungen auf der Bonner Straße hinzukriegen, unter Inkaufnahme reduzierter Autofahrspuren.

Otmar Lattorf bei einer Demo der Initiative gegen Planungsirrsinn.

Und dann schnell auch Meschenich anzubinden, mit Niederflurbahn, eben alles oberirdisch. Oder die Linie 13 auf dem Gürtel weiter östlich bis zum Rhein weiter zu bauen. Oder die Linie 6 wiederzubeleben (frühere Linie von Longerich bis Marienburg, Anm. der Redaktion) – damit könnte man dann die entstehende Parkstadt Süd bis zum Höninger Weg anbinden, wo sie die Linie 12 träfe – all´ sowas müsste man im Rahmen eines neuen Gesamtverkehrskonzepts mal denken und prüfen und auch realisieren. Also aus dem, was schon da ist, das Beste machen. Aber das letzte Gesamtverkehrskonzept für Köln stammt aus dem Jahr 1992 und ist einfach auf Autofreundlichkeit ausgerichtet und damit veraltet – es prägt aber offenbar das Denken bis heute.

Was überzeugt Sie denn davon, dass nur konsequentes Oben-Bleiben wirklich den Durchbruch, und eben die „ernstzunehmende Alternative“ zum Auto, also einen leistungsstarken ÖPNV schaffen würde?

Es ist ja bekannt, dass ein Kilometer oberirdische Schiene etwa 20-25 Millionen Euro kostet. Wenn man jetzt mal die veranschlagten Kosten von gut 760 Millionen für die angedachten drei Kilometer Tunnelstrecke nimmt – und das sind die HEUTE veranschlagten Kosten, man kennt ja die Kostenexplosionen bei Jahrzehnte währenden Bauprojekten – dann könnte man mit dem Geld mehr als das Zehnfache an oberirdischer Strecke bauen, und das viel schneller und vor allem: Mit sofortigem Beginn. Es geht ja darum, es wirklich ernst zu meinen mit der Verkehrswende, nicht nur drüber zu sprechen, dass das sein müsste, sondern wirklich den Autoverkehr zu reduzieren. Jetzt.

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Nochmal zurück zur Tunnellösung, über deren neuerliche Prüfung ja erstmal nur entschieden werden soll – was kritisieren Sie konkret an diesem Prüfauftrag?

Wir haben ernsthaft Zweifel daran, dass eine solche Prüfung wirklich ergebnisoffen passieren würde, denn in Köln macht die Verwaltung einfach eine eigene Politik, jenseits der Aufträge, die sie von der Politik bekommt. Und man konnte bislang nur den Eindruck gewinnen, dass die Stadt, allen voran die Dezernentin Frau Blome, und natürlich die KVB, den Tunnel unbedingt wollen. Das haben sie klar geäußert, genau wie die Oberbürgermeisterin. Und die Grünen haben, obwohl die Bezirksvertretung Innenstadt, auf deren Gebiet ja der Tunnelbau stattfände, den Tunnel abgelehnt hat, für diesen Kompromiss jetzt gestimmt – aus meiner Sicht, um das Ratsbündnis nicht zu gefährden. Obwohl bereits das Spiekermann-Gutachten ja klar belegt hat, dass eine oberirdische Lösung einen wesentlich besseren Kosten-Nutzen-Indikator hätte als eine Tunnellösung. Das müsste als Argument schon reichen, da bräuchte man über einen Tunnel gar nicht mehr nachdenken, geschweige denn ihn erneut für viel Geld prüfen. Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, über das man sich ja in Köln umfangreiche Förderung verspricht, spricht ja eine klare Sprache und danach muss der KN-Faktor eben mindestens bei Faktor 1 liegen und weitere Voraussetzung für Förderung ist unter anderem, dass ein Vorhaben „bau- und verkehrstechnisch einwandfrei und unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant ist“ Das kann ich jetzt nicht so erkennen, ebenso wenig wie den volkswirtschaftlichen Nutzen, auf den hin die Vorschläge zum Tunnelbau in allen Varianten ja schon mit Ratsbeschluss vom Mai 2018 untersucht werden sollten.

Und ein volkswirtschaftlicher Nutzen wäre beispielsweise ja auch ein Fortschritt nicht nur klima-, sondern auch inklusionspolitisch, also den ÖPNV Barriere-arm zu gestalten…

…Ja, und da schneidet ja das Unterirdische traditionell schlecht ab, denn Aufzüge und Rolltreppen gibt es a) zu wenig und b) sind sie bekanntermaßen störanfällig. Und die Umsteigebeziehungen sind schlechter, alles dauert länger für den Fahrgast, den mobilitätseingeschränkten erst recht.

Herr Lattorf, herzlichen Dank für das Gespräch.

Text: Judith Levold

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