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Auf ein Kölsch mit... Sport

Auf drei Capuccinos mit Sönke Wortmann

Donnerstag, 30. Juni 2011 | Text: Roger Lenhard | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

1995 hat Roger Lenhard gemeinsam mit dem Schalker Südstadt Fanclub „Knappen Sieg“ den Film von Sönke Wortmann gesehen, mit dem der Regisseur den Durchbruch geschafft hatte. „Kleine Haie“ lief damals in der 150. Woche, der Regisseur selbst war anwesend. Sechzehn Jahr später trifft Roger den mittlerweile international anerkannten Regisseur und Filmemacher zu einem Interview für „Meine Südstadt“ wieder – allerdings mit Fotograf Dik Gebhardt und ohne die Schalker Freunde. Bei drei Capuccinos spricht Wortmann über die Südstadt, den Fußballsport, sein Engagement für Fortuna Köln und erklärt, wie man für € 39,90 bei der Fortuna mitbestimmen kann.

Meine Südstadt: Ich möchte mit dir über Fußball zu sprechen, insbesondere über Fortuna Köln und über Fanbeteiligung. Mich interessiert aber auch, was Dir Fußball bedeutet? Camus hat ja mal gesagt, alles was er über das Leben weiß, hat er durch den Fußball erfahren.

 

Sönke Wortmann: Aktiv bin ich nicht mehr, weil es sehr frustrierend ist, wenn man immer schlechter wird. Das bringt das Alter so mit sich. Da spiel‘ ich lieber Tennis, denn da habe ich das Gefühl, dass ich noch besser werde. Beruflich habe ich jetzt kein Interesse mehr, weil ich zwei Filme zu dem Thema gemacht habe: Einen Spielfilm und einen Dokumentarfilm, die beide auch zum Glück erfolgreich waren, so dass ich nicht das Gefühl habe, dazu noch mal was erzählen zu müssen. Aber es lässt mich natürlich nicht los, weil ich den Sport und die ganzen Dramen, die sich um den Fußball herum ergeben so toll finde – nach wie vor. Die letzte Saison hatte ja unheimlich viel davon…

Meine Südstadt: Klopp und Magath sind aus meiner Sicht Gegenpole. Magath ein Happel-Schüler, der sehr autoritär ist, der ein Titeltrainer ist, und Klopp, der kommunikativer rangeht. Wie ist das bei deiner Arbeit als Regisseur, gibt’s da  auch unterschiedlichen Schulen, autoritär und kommunikativ? Bist du eher ein Klopp oder ein Magath?

Sönke Wortmann: Ganz sicher eher ein Klopp, eher Teamplayer. Man kann sich das auch gar nicht mehr leisten, diktatorisch aufzutreten. Was mich immer wundert ist, dass das noch mitgemacht wird, dass es im Theater immer noch Despoten gibt. Das geht ja nur, wenn es ein Schauspielensemble gibt, dass das mit sich machen lässt. Wenn ich mir vorstelle, dass der Chef eines mittelständischen Unternehmens mit seinen Mitarbeitern so umgehen würde, wie es ein Regisseur oft mit seinem Ensemble tut, dann hätte er die Gewerkschaften am Hals. Aber da wird es offenbar gebilligt, vielleicht brauchen die das auch. Ich hab‘ ne ganz andere Vorstellung von meinem Beruf, und diese ist, um mal im Fußball zu bleiben, sehr mannschaftstauglich. Ich würde nicht sagen basisdemokratisch, denn einer muss die Entscheidungen fällen – und das ist der Regisseur.

Meine Südstadt: Als Magath zu Schalke kam, war die typische Reaktion oder Erwartung: Jetzt kommt der Erfolg. Dann sickerte früh durch, dass er eine entwürdigende Art hat, mit Spielern und Angestellten des Vereins umzugehen. Er hat ganz viel mit Angst gearbeitet. Und trotzdem will man das eigentlich gar nicht so genau wissen, weil die Sehnsucht nach Erfolg so groß ist. Der gute Film, der von einem Regisseur gemacht worden ist, der sehr diktatorisch arbeitet, der wird ja genauso angeguckt wie der Film von dem Regisseur, der respektvoll mit den Schauspielern umgeht.

 

Sönke Wortmann: Das hat wahrscheinlich auch mit frühkindlichen Traumata und Entwicklungsstufen des jeweiligen Regisseurs zu tun, dass manche meinen, sie müssten da die Sau rauslassen. Ich glaube nicht, dass ein Film dadurch besser oder schlechter wird. Es gibt Leute, die sagen immer so einen doofen Satz wie: „Film ist Krieg“, es gibt genauso Leute die sagen: „Fußball ist Krieg“, das finde ich genauso doof. Für mich ist Film natürlich kein Krieg, man kann das auch anders lösen, auf dem Weg der Diplomatie.

Meine Südstadt: Das entschuldigt vor allen Dingen nicht dieses respektlose Verhalten den Schauspielern oder den Fußballern gegenüber. Es wäre schön, wenn solch ein Film, wenn man davon erführe, auch kein Publikum mehr fände, auch wenn er gut wäre.

Sönke Wortmann: Das wird nicht stattfinden, genau wie im Fußball es nicht stattfindet. Wenn Magath Meister geworden wäre oder mit fünf Punkten Vorsprung in die letzten zwei Spieltage gehen würde, dann wäre der noch auf Schalke und würde auch dafür gelobt. Vielleicht ja auch zu Recht. Man weiß, was man kriegt, wenn man den Mann engagiert. Da muss man sich dann drauf einstellen, oder man lässt es.

Meine Südstadt: Du hast dich für Fortuna Köln engagiert und für das Fanprojekt: „Deinfussball.de“. Was steckt dahinter?

Sönke Wortmann: Im Prinzip kann jeder, der möchte für einen Mitgliedsbeitrag von 39,95 Euro im Jahr Anteile an Fortuna Köln erwerben. Es gibt die 51%-Regel im Deutschen Vereinsfußball, also gibt es 49 % zu verteilen, und die sind im Moment auf 9.000 Leute verteilt. In fast alle Angelegenheiten darf und soll man sich einmischen. Jeder Spielertransfer zum Beispiel, der getätigt wird, muss von der Gemeinde abgesegnet werden. Die Vereinsführung kann also nicht sagen: “Den kaufen wir jetzt“, sondern sie muss sagen: „Den würden wir gerne kaufen zu den und den Bedingungen“. Dann wird darüber diskutiert, warum, pro und contra, ob dieser Spieler den Verein jetzt weiterbringt oder nicht und danach wird abgestimmt. Da macht nicht jeder mit. 9.000 Leute können sich da nicht einbringen, aber mehrere 100 und oft auch über 1.000 beteiligen sich schon daran. Und so wird jetzt die Politik des Vereins jetzt gesteuert. Das geht dann hin bis Trikotdesign, welche Trikots trägt man bei Auswärtsspielen usw. So hat man die Möglichkeit, den „Verein zu managen“, natürlich nur als ein Teil von anderen, aber es ist in gewissem Sinne eine Basisdemokratie.

Meine Südstadt: Gehst du noch regelmäßig zu den Spielen von Fortuna Köln?

 

Sönke Wortmann: Ich war jetzt ein Jahr beruflich im Ausland und bin deshalb lange nicht da gewesen, aber ich gehe da wieder hin. Fortuna Köln ist einfach der richtige Verein für dieses Projekt. Das ist ein Kultverein, der hat auch in Deutschland immer noch einen Namen unter Fußballfreunden. Man weiß, wer Fortuna Köln ist. Das war der erste Verein, der seinen Trainer in der Halbzeitpause entlassen hat (Toni Schumacher, Anm. d. Red.). Das war die erste Trainerstation von Bernd Schuster, Hans Krankl war auch Trainer hier. Das ist einfach ein Kultverein, das merkt man auch an unseren Mitgliedern, die sind nicht alle aus der Südstadt oder Köln, sondern aus ganz Deutschland, aus der ganzen Welt.

Meine Südstadt: Viele sind es aber nicht. Die Verankerung in der Südstadt ist doch eher gering, oder? Ich wohne seit 1985 hier in der Südstadt doch die Fortuna findet kaum statt. Komisch, immerhin haben die mal 26 Jahre lang in der 2. Liga gespielt.

Sönke Wortmann: In der 2. Liga hatten die aber auch nicht mehr Zuschauer als heute. Damals hat Löring da alles rein getan, und darüber ist er letztendlich in den Ruin gestolpert. Darüber hinaus macht es Spaß, diesen Verein zu unterstützen, weil er so eine tolle Jugendarbeit macht – übrigens eine der Der Verein hat eine der größten Jugendabteilungen in Deutschland. Die holen Jugendliche von der Straße. Sport ist für Kinder immer klasse, Mannschaftssport umso mehr.

Meine Südstadt: Es stand auch mal in der Satzung, dass jedes Kind der Südstadt Mitglied dieses Vereins werden darf.

Sönke Wortmann: Wahrscheinlich ist das noch so, und deswegen ist die Jugendabteilung auch so groß. Es hat so ein bisschen was Anarchisches, das Ganze hier.

Meine Südstadt: Was gefällt dir an der Südstadt? (Sönke Wortmann wohnt z. Zt. hauptsächlich in Düsseldorf, Anm. d. Red.)

Sönke Wortmann: Kann ich schwer erklären… (Pause). Wahrscheinlich gefällt mir gar nicht so viel an der Südstadt, will ich damit sagen. Seit ich denken kann, gibt es jetzt diese U-Bahn-Baustelle… Lass´ uns die Frage besser zurückziehen!

Meine Südstadt: Nein, warum?

Sönke Wortmann: Ich kann auch nicht sagen, dass es mir nicht gefällt, aber ich habe jetzt keine tiefere emotionale Verbindung zur Südstadt. Die üblichen Klischees kann ich dir natürlich sagen, mir gefällt die Lockerheit und so, manchmal auch das Stadtbild…

Meine Südstadt: Du bist ein bisschen kölnkritisch, kann das sein?

Sönke Wortmann: Ich bin gerne in Hamburg. Manche sagen ja: Toll in Köln stehst du in der Kneipe und kommst sofort mit drei Leuten ins Gespräch. Ich will aber gar nicht unbedingt mit Leuten ins Gespräch kommen, ich will in Ruhe mein Bier trinken. Das kann ich besser in Hamburg. Nein, ein Kölnfan bin ich nicht wirklich. Ist mir auch architektonisch, zu hässlich. Ich bin gerne hier, aber es ist nicht so, dass ich hier Dinge bekomme, die ich woanders nicht auch kriegen kann.

Meine Südstadt: Vielen Dank fürs Gespräch.
 

Text: Roger Lenhard

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