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Auf ein Kölsch mit... Kultur

Auf einen Cappuccino mit Bastian Schneider

Dienstag, 18. Oktober 2016 | Text: Jasmin Klein | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Was veranlasst einen Siegener, nach den Stationen Marburg, Paris und Wien nach Köln zu ziehen? Die Liebe? Die Familie? Oder vielleicht das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium, das er gerade von der Stadt Köln bekommen hat?

Wir treffen den Schriftsteller Bastian Schneider im Kaffeehaus Ernst in der Bonner Straße und fragen ihn nach dem hoch dotierten Literatur-Stipendium, seiner Liebe zu Wien, aber auch zu seinem Auftritt beim diesjährigen Bachmann-Preis, wo er mit seiner Kurzprosa nicht ganz so brillieren konnte wie bei der Jury der Stadt Köln.

Meine Südstadt: Was bedeutet es Dir, das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium zu erhalten??

Bastian Schneider: Mir bedeutet das einerseits finanzielle Unabhängigkeit für eine bestimmte Zeit. Bis ich vom Verkauf meiner Bücher leben kann, was sich leider nicht abzeichnet, bin ich auf Förderung angewiesen, oder auf einen Brotjob. Meistens hab ich beides, aber seit einem Jahr funktioniert es allein durch Förderung, und durch das Brinkmann-Stipendium (immerhin 10.000€) erst recht. Ich denke, ich komme damit bis zum nächsten Frühling durch und kann in der Zeit in Ruhe mein zweites Buch fertigstellen, was ein absoluter Luxus ist.

Außerdem hat mir das Stipendium natürlich einige Aufmerksamkeit beschert. Ich kam in Köln an und kannte bis dahin als Autoren eigentlich nur Adrian Kasnitz und sonst niemanden, und jetzt hatte ich vor kurzem sogar eine Lesung im Literaturhaus. Dadurch war ich dann gleich mal eingeführt in die Szene, wenn man so will, und die ist doch größer als ich das erwartet hätte. In Wien bin ich ja mittlerweile sehr gut vernetzt, was Literatur angeht, das muss ich mir hier erst noch aufbauen. Und dabei hilft so eine Auszeichnung natürlich.

Du bist erst vor einigen Monaten von Wien nach Köln gezogen?
Ich habe sechs Jahre in Wien gelebt. Und natürlich fehlt es mir immer wieder mal. Ich vermisse viele Menschen, viele Orte. Kurioserweise hatte ich dort viel mit Deutschen zu tun, die ziehen sich wohl an. Die Deutschen überschütten die Wiener ja mit Liebe und Neugier, während wir von ihnen eher mit Ressentiments beäugt werden.

 

Was mir besonders gefallen hat, war die Wiener Art, Dinge anzupacken. Bis wirklich etwas passiert, dreht es erst ein paar Runden um den Erdball. Das ist für manche nervig, entspricht aber sehr meinem Naturell. Es nimmt  Dir den Druck, wenn nicht alles so schnell getaktet ist. Wien ist eine gemütliche Stadt. Entspannter und ruhiger als Berlin, Paris oder auch Köln. Die Leute hetzen sich nicht so. Das kommt mir sehr zupass. Ich dachte auch, es würde mir schwerer fallen, aus Wien wegzugehen. Aber der Start hier hätte besser nicht sein können. Hinzu kommt, dass ich jetzt buchstäblich Tür an Tür mit meinem besten und längsten Freund wohne; außerdem ist es zu meiner Familie nicht weit, was mir sehr wichtig ist.

 

Hast Du mit Hubert Winkels (Jurymitglied beim Bachmannpreis) schon einen Kaffee in der Südstadt getrunken? Er ist ja Literaturredakteur im Deutschlandfunk am Bayenthalgürtel.
Wenn ich ihn sehe, würde ich versuchen, ihn professionell zu ignorieren, wenn das geht. Nein, mal im Ernst, ich mochte den immer, wenn ich ihn im Radio gehört habe. Der ist ja ein sehr guter Rhetoriker und kann elaboriert über Bücher sprechen. Aber leider hat er ein eher konservatives Literaturverständnis. Ich bin bei ihm und auch bei den meisten anderen Juroren in Klagenfurt mit meinen Texten gegen eine Wand aus Stahlbeton gefahren.

 

Die konnten mit meinen Texten einfach nichts anfangen. Mir ist klar, dass die Kurzprosa, mit der ich dort aufgetreten bin, nicht salonfähig ist, und ich habe auch nicht mit einem der Preise gerechnet. Aber ich hätte nie gedacht, dass sich die Jury so krass und unsachlich über Kleinigkeiten auslässt. Und mir zu raten, ich solle noch üben, das empfand ich schon als Frechheit. Man hat mir damit quasi gesagt: Eigentlich gehörst Du gar nicht hier her.

Aber wie schön, dass Du für exakt das gleiche Werk den Rolf-Dieter Brinkmann Preis bekommen hast!
Es waren nicht genau dieselben Texte, aber aus dem gleichen Kompendium, die gleiche Art von Texten. Das war großartig. Ich hatte am Donnerstag meine Lesung in Klagenfurt, und am Freitag bekam ich den Anruf der Stadt Köln, dass ich den Rolf-Dieter Brinkmann-Preis bekomme. Diese Nachricht kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Die Klagenfurt-Episode fiel zudem mit meinem Umzug nach Köln zusammen. Brinkmann sagte mir also: Vergiss Klagenfurt, hallo Köln! Es hat mir den Wegzug aus Wien erleichtert, und so bin ich jetzt mit vollem Schwung in Köln angekommen.

Wie war denn Deine Schulnote in Deutsch?
Die pendelte immer zwischen 3 und 5. Mit Literatur und Deutsch hatte ich während der Schulzeit nix am Hut. Ich habe als Jugendlicher auch nichts geschrieben, sondern Theater gespielt, mein damals einziger Berührungspunkt mit Literatur. Bücher lesen war eine Qual.

Gibt es ein Grundthema in Deinen Texten?
Mich beschäftigt derzeit vor allem die Kurzprosa. Diese Form ist mein roter Faden. Ich versuche, Alltäglichkeiten einzufangen und zu verdichten, ohne sie zwingend in einen höheren Kontext zu stellen. Ich belasse sie durch die Beschreibung einfach bei sich und deute vielleicht trotzdem über sie hinaus – profane Epiphanien. Um es weniger abstrakt zu fassen, könnte man auch von Kippbildern sprechen, bei denen zunächst alles ganz normal wirkt; aber wenn man länger draufschaut, tut sich ein Abgrund auf, oder, um es weniger dramatisch auszudrücken: die Kehrseite kommt zum Vorschein – und die ist mal schön, mal schrecklich.

Im Internet findet man nicht so viel von Dir?
Ich habe weder einen Blog noch bin ich bei Facebook oder Twitter. Das mit der Homepage werde ich in nächster Zeit vielleicht mal angehen, derzeit habe ich nur ein Profil bei literaturport.de. Mit Facebook konnte ich noch nie etwas anfangen. Twitter finde ich noch etwas interessanter, weil es einen auf 140 Zeichen reduziert, aber das ändert sich auch gerade. Ich sehe schon den Marketingnutzen, aber den persönlichen Nutzen für mich habe ich noch nicht gefunden. Ich bin ein Freund der Entschleunigung.

Hast Du besondere Schreibroutinen??

Ich laufe so durch die Gegend und mache mir allerlei Notizen. Die tippe ich dann in den Computer, drucke sie aus und hänge sie an die Zimmerwände. Dann schlendere ich davor auf und ab, bearbeite und korrigiere die Texte und versuche, sie in eine Reihenfolge oder Komposition zu bringen. Das kann ich auf ausgedrucktem Papier besser als auf einem endlosen Worddokument. Das merke ich auch bei meinem Job als Lektor, man sieht auf dem Papier einfach mehr, als auf dem Bildschirm. Bei mir ist das jedenfalls so.

Was verbindest Du mit der Südstadt?

?Gutes Essen! Ich bin ein Fan vom Massimo in der Alteburger Straße und dem direkt gegenüber liegenden Griechen Dialog. Und die Pizza von 485 Grad finde ich auch exquisit. In Wien gibt es einen tollen Pizzaladen (Pizza Mari), und ich weine ihm Tränen hinterher, weil der Laden so cool ist. Aber die Pizza hier ist fast noch besser.
Ich merke in der Südstadt deutlich den italienischen Einfluss. Ich bin ein großer Italienfan, und Köln ist ja bekanntlich die nördlichste, italienische Stadt. Köln ist keine Perle, aber die Südstadt ist eine Perle, einer der attraktivsten Orte in Köln: hohe Altbauten, und die Atmosphäre im Sommer ist einfach großartig. Ich mag es gerne, wenn die Häuser groß und die Straßenschluchten breit sind. Der öffentliche Nahverkehr ist in Köln allerdings eine große Katastrophe.

Vielen Dank für das Gespräch.
 

Text: Jasmin Klein

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