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Kultur

Auf einen Kaffee mit Martin Block

Mittwoch, 1. September 2010 | Text: Antje Kosubek | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Eigentlich gibt es keine treffende Beschreibung für Martin Block, es sei denn Vielseitigkeit wäre eine neue Berufsbezeichnung. Martin Block ist Journalist, Medienpädagoge, Entwicklungshelfer, Mitbegründer der „ArGe Multimedia“, unterstützt philippinische Kinderschutzprojekte, organisiert Jugend-Theaterprojekte und lebt mit seiner Familie in der Kölner Südstadt.

Am kommenden Samstag liest er aus seinem Buch „Die Anwälte – Eine deutsche Geschichte“ im Rahmen des Bücherboulevards „Rheinlesen“ – ein Buch über die ehemaligen RAF-Verteidiger Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler.
Nach dem Dokumentarfilm von Birgit Schulz ist das Buch entstanden, an dem Martin Block und die Filmautorin gemeinsam gearbeitet haben. Es zeigt die Lebenswege der drei Protagonisten, die Anfang der 70er-Jahre als linke Anwälte gegen den restriktiven Staat kämpften und vor Gericht „Staatsfeinde“ verteidigten. Spektakuläre Prozesse, Verletzungen, Verblendungen, Widerstandslinien und Wandlungsprozesse, antiautoritäres Aufbegehren und autoritäres Durchgreifen –  was ist davon geblieben? Schily, Ströbele und Mahler: heute der eine SPD-Bundesinnenminister a.D., der zweite das „linke Gewissen der Grünen“ im Bundestag, der dritte einer der Anführer der rechten Szene und verurteilter Holocaust-Leugner.

Meine Südstadt: Wie ist die Idee zu diesem Buch entstanden?
Martin Block: Ein Foto von 1972 war der Ausgangspunkt für diese Filmidee, es ist auch auf dem Buchtitel zu sehen: Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler im Berliner Gerichtssaal. Mahler sitzt auf der Anklagebank und im Vordergrund sieht man Schily und Ströbele als seine Verteidiger. Aufgrund dieses Fotos ist Birgit Schulz auf die Idee gekommen diesen Film zu machen. Ein Vorteil war, dass alle drei Personen gesellschaftlichen, politischen und auch berufsständischen Einfluss hatten, dadurch gab es viel zeitgenössisches Material, das verwendet werden konnte und nicht nur Interviews aus der Gegenwart. Horst Mahler war lange vor dem Prozess ein renommierter Wirtschaftsanwalt, der große Projekte umgesetzt hatte und 1966 als erster deutscher Anwalt mit einer Beschwerde bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg erfolgreich war.
Während zum Beispiel Schily und Ströbele damals noch ziemlich unbekannt waren und Ströbele sein Referendariat bei Mahler gemacht hatte. Für das Buch hatte Birgit Schulz sehr viel recherchiert, dadurch gab es dann Material, dass nicht verfilmt werden konnte. So bin ich dann zu meiner Mitarbeit für das Buch gekommen, habe dann weiter und tiefer recherchiert.

Es gibt auch begleitendes Material für Schulen, Lehrer und Schüler. Wie kam es dazu?
Der Kinofilm-Verleih ist auf mich zugekommen, und ich habe dann zum Film begleitende Unterrichtsmaterialien entwickelt.  An einer Kölner Schule wurde das in der Oberstufe im Rahmen eines Medienprojekts bereits erfolgreich eingesetzt. Ich sehe das auch als lebendigen Geschichtsunterricht, hier kann man wesentliche innergesellschaftliche und politische Entwicklungen in Deutschland aus der Perspektive der drei Anwälte herunterdeklinieren. Die Auseinandersetzungen der 68er, die sich in der RAF zugespitzt haben, der Generationenkonflikt – der viel mit dem nicht aufgearbeiteten historischen Erbe aus Nazizeit zu tun hatte-, die Folgen des Vietnamkrieges, die Notstandsgesetze und viele andere politische Fragen und Umbrüche werden hier aufgezeigt. Sozusagen Geschichtsunterricht zum Anfassen. Fragen, die sich Schülerinnen und Schüler dann besser beantworten können: Warum waren die damals so drauf? Warum wurde die politische Auseinandersetzung so vehement und massiv mit Gewalt geführt? Wie ist es dazu gekommen? Alle drei sind ja auch unterschiedliche Wege gegangen: Horst Mahler hatte die RAF mitgegründet, er war einer der Hauptprotagonisten, auch ideologisch. Er war einer der politischen Brandstifter. Ströbele und Schily dagegen hatten sich immer von Taten der RAF distanziert, sie haben sie zwar als Anwälte verteidigt, aber nie „gemeinsame Sache“ gemacht.

Zurück zum realen Leben hier: Was gefällt Dir an der Südstadt?
Mein Lebensmittelpunkt hat sich durch meine Kinder immer mehr in die Südstadt verlagert. Seit Ende 2003 wohnen wir auch in der Südstadt und haben hier immer mehr Kontakte. Das Angenehme an der Südstadt ist, dass man – wenn man nicht völlig kontaktscheu ist –  hier wie in einem kleinen Dorf wohnt, viele Leute kennt, mehr oder weniger gut und in allen Variationen. Das macht es so angenehm. Man geht einkaufen und es gibt kaum eine Gelegenheit, wo man nicht hier und da noch ein Schwätzchen halten kann. Trotz der Großstadt Köln hat es eben diesen Dorfcharakter. Und für mich gibt es den Luxus, dass es in der Südstadt fußläufig drei bis vier Buchhandlungen gibt.

Was beschäftigt Dich gerade?
Ein Schwerpunkt von mir ist die Entwicklungspolitik. Ich bereite gerade ein großes Bildungsprojekt vor, einen Schulwettbewerb.  ?Hier geht es um vernetztes Denken: Herausforderungen vor denen die Menschheit steht: Hunger, Rohstoffknappheit, Handel-, Wirtschafts- und Finanzkrisen, Bevölkerungsentwicklung, Klimawandel, Gentechnik und so weiter… all diese Themen sind eng miteinander verzahnt, werden aber immer nur isoliert betrachtet. Der Sinn des Projektes ist es, diese Themen in Zusammenhang zu stellen und vernetztes Denken zu fördern und auszudrücken – das alles am Beispiel der Philippinen. Ich sehe es als Bildung für nachhaltige Entwicklung, es hat den Titel „Vernetzte Erde“. Mit den Philippinen bin ich auch durch meine Tätigkeit als Geschäftsführer der Entwicklungshilfeorganisation „Tatort-Verein e.V.“ verbunden. Während der Dreharbeiten für den Kölner Tatort „Manila“ vor 13 Jahren ist auf den Philippinen die Idee dazu entstanden. Für diesen Tatort wurde auch in philippinischen Armutsvierteln gedreht, damals hatte ich das im Rahmen eines Buchprojektes begleitet. Wir wollten einen kleinen Verein zu gründen, der sich vor Ort mit Projekten engagiert, wir hatten so an einen Zeitraum von zwei Jahren gedacht. Dass der Verein so lange existiert und beispielsweise auch solche Bildungsprojekte entstehen, hatten wir damals gar nicht beabsichtigt. Heute sind wir sehr stolz darauf.

Wer die Autoren  des Buches kennen lernen möchte: die Lesung und anschließende Filmvorführung findet am Samstag, 4. September um 20 Uhr im Rheinauhafen statt. Der Eintritt ist frei.

Mehr Informationen unter:
www.tatort-verein.org
Projekt: Jugend-Theaterstücks „Knastkinder“ Schulen 
Website des Schulwettbewerbs www.vernetzte-er.de
Schulmaterial zum Film „Die Anwälte“
Zum Film: www.die-anwaelte.realfictionfilme.de

 

Text: Antje Kosubek

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