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Kultur

Auf einen Nescafé mit dem Bildhauer Nico Wilbrandt

Sonntag, 20. Oktober 2013 | Text: Gastbeitrag | Bild: Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Wir treffen Nico Wilbrandt auf NeuLand, dem urbanen Gemeinschaftsgarten zwischen Südstadt und Bayenthal. Am Rande der Brache, die in diesem Jahr immer grüner und vielfältiger geworden ist, steht am Zaun ein alter, blauer Container. Das ist die Werkstatt von Nico Wilbrandt – er ist Mitglied des Kölner NeuLand e.V. und macht u.a. Bildhauerei-Workshops. Nico empfängt uns gut gelaunt mit einem Nescafé vom Kaffeewagen. Er arbeite ausschließlich draußen vor seinem Container in der Natur, erzählt er. Sprich: Mitten unter Eichhörnchen, Krähen, Salaten, Bohnen sowie Straßen- und Baugeräuschen, erschafft er Kunstwerke. Den Außenbereich hat er mit LKW-Plane überdacht, die uns während des Interviews vor einem Regenguss schützt. Für „Meine Südstadt“ holt Nico immer wieder etwas aus dem Container, zeigt es uns – und führt am Ende sogar vor, wie man eine grade Linie in eine Marmortafel meißelt. Da kommt man kaum zum Kaffee trinken.

Meine Südstadt: Was gefällt dir an diesem Ort?
Nico Wilbrandt: Ganz viele Sachen. Es ist ein gemeinschaftlicher Treffpunkt für Leute aus der Nachbarschaft und für alle Menschen, die vorbei laufen. Ich habe ein bisschen die Funktion von einem Aushängeschild. Ich ziehe Leute von der Straße rein, die sonst eigentlich gar nicht in den Neulandgarten gucken würden. Zum anderen gefällt mir, dass ich in der Natur, gleichzeitig aber auch mitten in der Stadt sein kann. Dass ich draußen arbeiten kann, den Himmel überm Kopf habe und die Vögel beobachten kann am laufenden Band. Das ist wirklich sehr schön.

Warum arbeitest du in der Südstadt?
Zum einen weil ich in der Südstadt wohne, aber das hat sich auch so ergeben. Ich habe vorher in Ehrenfeld in einer alten Fabrikhalle gearbeitet. Hier ist es einfacher und schöner für mich in der Nähe des Wohnortes zu arbeiten. Ich lagere mein Material hier, siehst Du ja, die paar Steinchen, die hier rumliegen. Und was ich sonst brauche, kaufe ich mir halt dazu.

An was arbeitest du grade?
Ich arbeite, wie immer, an vielen verschiedenen Dingen. Ich habe zum Beispiel – das kannst Du hinter Dir sehen (er steht auf und deutet auf seinen Arbeitstisch) diese Baumgruppe gemacht. Das zeig ich dir jetzt mal (er holt noch eine kleinere Baumgruppe aus dem Container). Ich habe letztens die Idee gehabt, dass ich einen ganzen mobilen Wald meißeln könnte. Nachdem wir uns hier in einem mobilen Garten befinden, habe ich mir gedacht, meißle ich einen mobilen Wald aus vielen kleinen Stücken. Dann kannst du drei oder fünf oder sieben oder fünfzehn zusammenstellen und hast einen ganzen Wald. Oder ein Waldstück. Kann sich jeder seine Parzelle kaufen (lacht). 

Wie lang arbeitet man an so einem Waldstück?
An dem großen hier hab ich 3 Wochen gearbeitet. Das ist Feldstein, den hab ich im Steinbruch in Frankreich geholt. Das waren Steine, mit denen sie nichts anfangen konnten. Das war Abfall für die, dann hab ich die mitgenommen und ein paar Bäumchen gemeißelt. Das ist ein sehr, sehr schöner Stein. Lance heißt der – Pierre de Lance. Und denselben Stein hab ich hier gefunden in Köln, zu Blöcken geschnitten. Es gibt hier um die Ecke einen Laden der heißt ‚Bildhau‘, den ich sehr empfehlen kann an Leute, die Interesse an bildhauerischen Tätigkeiten haben.
Ich fänd’s ja total toll, so eine ganze Galerie zu füllen damit. So einen gesamten Raum… Ein Podest zu bauen, so in der Höhe (versucht seine Vorstellung mit großen Armbewegungen zu verdeutlichen) oder vielleicht doch ein bisschen höher. So dass man halt fast schon drunter gucken kann. Eine weiße Galerie. Alles weiß, weiße Wände. Und dann die gesamte Galeriefläche füllen mit diesem Wald und nur dazwischen einen schmalen Gang führen. Dass du so eine gesamte Landschaft hast, und das Gefühl hast darüber zu fliegen (lacht). Das wär´ total geil.

Und warum Bäume? Was fasziniert dich daran so sehr?
Abgesehen davon, dass ich Bäume liebe, so wie jeder Mensch – es gibt glaube ich keinen, der keine Bäume mag, oder? – hab ich irgendwann mal diesen einzelnen Baum hier gemeißelt aus Marmor (holt eine kleinere Marmorskulptur aus dem Container hervor und pfeift dabei), und den fand ich sehr schön. Der hat auch sehr viel Anklang gefunden. Der hat was Magisches an sich. Ich fand’s aber immer so schade, dass der so alleine da drin stand und dann hab ich gedacht, wenn ich die jetzt freistehend machen will, dann geht es nur wenn ich mehrere Bäume gleichzeitig meißle. Dass ich also die verschiedenen Stämme als Säulen habe. Das war zufällig grade dann, als diese ganze „Gezi-Park-Sache“ in Istanbul geschah. Da gibt es auf jeden Fall einen Bezug zu.
Ich war auf einer Demonstration hier in Köln und da wurden Flugblätter verteilt mit einem Zitat von Nâzim Hikmet (einem türkischen Dichter, Anm. d. Red.) und das sagt sowas wie „Frei wie ein Baum, geschwisterlich wie ein Wald“. Und damit hat er’s genau getroffen, denn alleine kann so ein Baum nicht stehen, dann bricht der Stamm. Also der aus Stein. Aber wenn du zwei oder drei oder vier hast, dann können sie gemeinsam stehen, weil sie sich gegenseitig stützen. Das fand ich wirklich schön als Idee für einen Gemeinschaftsgarten und auch sehr zeitgemäß.

 

 

Wie oft bist du in deiner Werkstatt?
Ich bin eigentlich jeden Tag hier. Fast immer nachmittags. Wenn mich irgendjemand sucht – morgens ist immer schlecht. Meistens bin ich ab zwei Uhr nachmittags hier. 

 

Wo kommt der blaue Container her?
Meinen blauen Container, den hab ich gekauft. Ich find den total schön. Am Anfang war ich total unglücklich, weil der so abgerockt aussieht. Ist er ja auch, aber irgendwie passt der ganz gut. Schöne Farbe.

Arbeitest du da auch drin?
Im Moment stehen da nur Sachen drin, die ich für die Arbeit hier, auch mit Kindern, brauche.

Was beschäftigt dich momentan privat?
Privat? Was mich privat beschäftigt? Naja… meine Werkstatt. Ich halte nicht so viel von dieser Trennung von Leben und Beruf. Das ist alles das gleiche, das greift in einander. Mein Leben findet sowieso hier statt. Ich geh nach Hause zum Schlafen, und dann komme ich hierher. Das ist der einzige Ort, an dem ich sein will. Ich war grad zwei Wochen in der Türkei und hab jeden Tag gejammert, dass ich nicht in meiner Werkstatt sein kann (lacht).

Du bietest auch Workshops in Bildhauerei an. Was kann man dann bei dir lernen?
Ich bin hier auch angetreten bei NeuLand mit dem Vorschlag: ‚Gebt mir den Platz für den Container, ich baue eine Werkstatt auf, und im Gegenzug gebe ich Kurse für Leute, die interessiert sind und die Kurse sind kostenfrei.‘ Ich mache zwei Kurse à fünf Tage für zehn Personen. Was natürlich ein super Angebot für die Leute ist, die das machen wollen. Normal zahlst du für so was 300€. Und für NeuLand ist es super, weil es halt erstens eine Werbung ist und zweitens auch genau in das Prinzip trifft, wie es hier funktionieren soll. Für mich ist es super, weil es mir Spaß macht zu unterrichten. Und weil Leute auf mich aufmerksam werden. Eine „win-win-win-situation“ sozusagen (lacht). Zusätzlich gibt es auch kostenpflichtige Kurse.

Zuerst bringe ich den Teilnehmern bei, grade Linien zu meißeln. Wenn sie das nach ein paar Versuchen können, lernen sie Schlangenlinien zu meißeln. Dann kommt dazu, Ecken zu meißeln und nach 5 Tagen sind eigentlich alle in der Lage, Buchstaben, Blumen und solche Muster zu meißeln (Er zeigt mir eine Platte einer Teilnehmerin). Wer Interesse hat, kann mir einfach eine E-Mail schreiben. Das ist wirklich einfacher als man denkt. Das kann jeder lernen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

 

Die Autorin, Theresa Mainka, ist Kölnerin von Geburt und machte gerade ihr Abitur. Sie spielt Saxophon und interessiere sich für ferne Länder. Zur zeit absolviert sie ein Praktikum bei „Meine Südstadt“.

 

Text: Gastbeitrag

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