„Auf Elektromusik kann jeder tanzen!“
Donnerstag, 6. Juli 2017 | Text: Gastbeitrag | Bild: Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
„Und jetzt die Pobacken fest zusammenkneifen!“ ruft Leni Wolf lachend den Frauen zu, die auf einer Wiese im Volksgarten im Halbkreis um sie herum auf Handtüchern liegen und Kraftübungen machen. Siebzehn Teilnehmerinnen haben sich heute bei Sonnenuntergang zusammengefunden, um zu Technomusik einen Mix aus Cardio, Kraftübungen, Dehnelementen und Tanz zu absolvieren.
Rave Aerobic nennt sich das Workout, das als High-Intensity Tanz-Workout mit wechselnden zusätzlichen Trainingsarten beschrieben werden kann. Los geht es mit einer Aufwärmrunde, danach geht es weiter mit Bodenübungen, die heute speziell auf Bauchmuskeln abzielen. Zwischendurch zeigt die Anleiterin den Teilnehmerinnen Elemente einer kurzen Choreografie.
Treffpunkt und Uhrzeit auf Facebook
“Das Konzept vereint Bewegung, Körperbewusstsein und Musik. Die Idee kam 2009 auf einer langen Reise durch Indien und Asien“, erzählt Leni Wolf, die Gründerin. “Da habe ich überlegt, was ich zuhause machen will, wenn ich wieder komme. Durch meine Tanzpädagogik-Ausbildung gab es den Wunsch nach irgendeiner Verbindung mit einem Tanzkurs, der aber nicht auf dem Level von einer Tanzschule ist, und mit dieser Technomusik, die ich hier in Köln lieben gelernt habe.“
Wann immer schönes Wetter ist und sich gerade Zeit findet, postet sie auf Facebook Treffpunkt und Uhrzeit und schaut, wie viele Menschen Zeit und Lust haben. Das Konzept geht auf: “Wir sind immer so zwischen 3 und 30 Leute“, berichtet Wolf. “Die meisten kommen entweder über Facebook hierauf oder laufen vorbei und machen einfach mit. Wir waren mit Rave-Aerobic schon an total unterschiedlichen Locations. Zum Beispiel unter dem Colonius, von Fackeln beleuchtet. Mit einem ganz harten Kern habe ich das auch schon im Schnee gemacht, am Denksteiner Weiher mit glitzernder Sonne. Irgendwie geht es immer. Jetzt gerade ist aber die ideale Zeit, denn draußen hat jeder mehr Lust, zu trainieren.“
Gut, dass du mich dazu gezwungen hast!
Wer jetzt annimmt, das Programm sei nur etwas für Tanzprofis und Sportskanonen, liegt falsch: „Ich freue mich total, wenn jeder das einmal ausprobiert“, sagt Leni Wolf. “Was ich festgestellt habe, ist, dass die Leute, die ich dann dazu überreden konnte oder solche, die ganz unsportlich sind und sich denken Aerobic hört sich nicht nach mir an oder ’Ich kann das nicht, denn ich bin so ein Körperklaus und kann mir so eine Choreografie nicht merken’, die sind dann nachher oft doch total begeistert und sagen ’Gut, dass du mich dazu gezwungen hast!’ Fortgeschrittene, Anfänger, es können alle mitmachen“, erzählt die Tanzpädagogin, die auch verschiedene Kurse für Kinder, Flüchtlinge oder Menschen mit Behinderung anbietet. Auch Verletzte oder körperlich Beeinträchtigte sind willkommen, für die zeigt Leni Wolf dann entsprechend angepasste Übungen.
„Jetzt gerade ist die ideale Zeit, denn draußen hat jeder mehr Lust, zu trainieren.
„Rave Aerobic eignet sich auch total gut für alle, die eigentlich nicht so gut tanzen können, denn auf Elektromusik kann jeder tanzen! Ein bisschen Taktgefühl reicht da schon, man muss hier nicht toll mit dem Po wackeln können“, erzählt eine Teilnehmerin. “Leni passt das Training auch immer unseren Bedürfnissen an, pusht uns aber gleichzeitig auch, sodass man am Ende echt stolz auf sich sein kann. Ich komme vor allem wegen Leni hierhin, wie viele andere glaube ich auch. Sie begegnet uns auf Augenhöhe und eher freundschaftlich und die Atmosphäre ist total locker und nicht so ernst und verkrampft wie andere Fitnesskurse.“ “Stimmt, ich bin eigentlich die Definition von unsportlich, aber ich komme trotzdem total gerne her“, ergänzt eine andere Teilnehmerin lachend.
Die Choreographie wechselt von Mal zu Mal
Viele sind durch Leni Wolfs mitreißende Art auf den Kurs gekommen, denn sie stellt ihr Programm regelmäßig vor, zum Beispiel beim Feiern im Odonien oder auf dem Melt!-Festival. Bei solchen Events verfolgt sie ihr Ziel, auch Männer für den Sport zu begeistern und deren Hemmschwelle zu senken, denn noch nehmen überwiegend Frauen teil.
Dabei ist Abwechslung gegeben, denn nicht in jeder Stunde liegt der Fokus auf Bauch-Beine-Po. Einzig feste Bestandteile des Workouts sind Warm-Up und eine kurze, von Mal zu Mal wechselnde Choreografie, die während des Kurses einstudiert wird und am Ende von allen zusammen getanzt wird.
„Rave Aerobic eignet sich auch total gut für alle“.
Für die Gestaltung der Stunde lässt sich die Trainerin von allen Seiten inspirieren: “Ich überrasche mich ja auch gerne selbst damit. Wenn ich zum Beispiel zu einem Tai Chi Kurs gehe oder gerade Voguing mache oder solche Tanzkurse, dann fließen diese Sachen auch immer mit ein – was ich halt gerade so cool finde“, sagt sie.
Mitbringen muss man nur ein Handtuch und etwas zu trinken, denn als nach 70 Minuten Training alle zusammen zum letzten Mal die Choreo tanzen, ist die ganze Runde ziemlich erledigt.
Aber bitte nicht von vornherein ausschließen!
Zum Schluss drückt jeder Leni einen Schein oder einige Münzen in die Hand, denn einen festen Preis gibt es nur, wenn im Winter indoors im Fitnesscenter Bushido trainiert wird. “Wenn ich einen Raum miete, muss ich natürlich einen Festpreis nehmen. Sonst ist es mir aber total wichtig, dass man sich auch als Schüler, Student oder wenn man gerade einfach nicht viel Geld zur Verfügung hat, nicht scheut, vorbei zu kommen. Man gibt mir dann einfach so viel, wie man möchte. Wenn das mal nichts ist, ist das auch gar nicht schlimm. Das läuft total schön, alle schmeißen in einen Pott und tragen die anderen dadurch mit“, erklärt die Tanzlehrerin.
Was sie allen Interessierten mitgeben möchte? “Ich wünsche mir, dass sich jeder mal traut, Rave Aerobic auszuprobieren. Nachher kann man immer noch sagen, dass es nichts für einen ist. Aber bitte nicht von vornherein ausschließen. Ich freue mich auch total, das in der Südstadt, wo ich kürzlich erst hingezogen bin, machen zu können, es würde mich freuen, wenn das hier wächst und gedeiht, weil eben auch diese Gemeinschaft beachtlich gewachsen ist und sich hier so viele Leute kennenlernen“, resümiert Leni Wolf – während sie, den Lautsprecher hinter sich herziehend, den Volksgarten verlässt.
Alle zusammen zum letzten Mal die Choreo tanzen.
Mehr im Netz
Wer weitere Infos zum Programm oder zum Konzept sucht oder über bevorstehende Kurse informiert werden möchte, wird auf der offiziellen Website www.rave-aerobic.de oder auf der Facebookseite fündig.
Unter kultur-kreativpiloten.de/vote kann man außerdem für Rave Aerobic abstimmen und das Projekt dadurch für Kultur-Kreativpiloten, den Förderpreis des Landes, unterstützen.
Autorin: Sarah Koldehoff ist Nachwuchs-Autorin zwischen Abitur und Studium, Südstadt und dem Rest der Welt.
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