„Auf Kurs“ – Ein Leberwurstbrot mit Martin Wolf
Mittwoch, 8. Oktober 2014 | Text: Gastbeitrag | Bild: Andreas Moll
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
„Das war das Beste, was uns passieren konnte“, erklärt Martin Wolf, den ich im Café „Geschnitten Brot“ treffe. Der Südstädter, der sich in den vergangenen Jahren als Wirt der „Torburg“ einen Namen gemacht hat, redet bei einem stillen Wasser und einem Leberwurstschnittchen begeistert von seinem neuen Leben. Je zur Hälfte arbeitet er nun als Segellehrer und als Gastwirt, und das im völligen Einklang mit seiner Frau Hülya, seinen Töchtern und seinem Hund.
Meine Südstadt: In Nullkommanichts von der Landratte zum international agierendem Skipper und Segellehrer. Was ist geschehen – Burnout, Pleite oder Krankheit?
Martin Wolf: Eigentlich nichts von allem. Mich hat das Segeln in dem Moment gepackt, als ich meine erste richtige Tour drei Wochen lang mit einem deutschen Skipper rund ums Kap Horn machte. Meine Frau Hülya hatte mir damals dieses tolle Geburtstagsgeschenk gemacht. Wenn ich bedenke, dass mich Mitte der 90er, als ich noch in Nippes das „Holbeineck“ leitete, Stammgäste regelrecht zu meiner ersten Segeltour zwingen mussten. Auf den einmal jährlich stattfindenden Herrentouren in Kroatien habe ich eigentlich immer nur die Landgänge genießen können – das eigentliche Segeln war eine Qual für mich.
… und wie ging’s weiter?
Ich muss dazu sagen, dass ich ein sehr ehrgeiziger Mensch bin, wenn mich eine Sache begeistert. Nach dem Törn ums Kap Horn machte ich erst einmal den Segelschein auf einer Jolle hier in der Nähe am Liblarer See. Ich besorgte mir alle mögliche Literatur zum Thema, machte hier in Deutschland alle möglichen Bootsführerscheine, besuchte Seminare und belegte einen Schlechtwetterkurs. Ich setzte noch einen drauf, ging nach England und machte die Ausbildung zum „Sailing Instructor“ (Segellehrer).
Dein Englisch…?
… war zu dem Zeitpunkt noch echt beschissen, doch das hat mich eher noch mehr motiviert. Ich habe die Sprache gelernt, habe alle meine Diplome gemacht und spreche an Bord meistens englisch. Ich fluche jedoch auch weiterhin op kölsch.
2010 haben wir ein Segelboot mit dem Namen „Hürriyet“ (Freiheit) gekauft, das dann drei Jahre lang verchartert wurde – ab und zu mit mir als Kapitän und Ausbilder. So amortisierte sich diese Investition schnell wieder. Seit März diesen Jahres bin ich fest bei „Sailing Island“ als Segellehrer angestellt und 14 Tage im Monat auf See. In den beiden anderen Wochen bin ich hier in meiner Heimatstadt und schiebe meine Schichten als Gastwirt in der „Torburg“.
Wie kommt denn Deine Familie mit der Änderung zurecht?
Wir haben im Vorfeld natürlich sehr viel gesprochen. Hülya musste mehr Verantwortung in unserer Kneipe übernehmen, hat dort ein neues Team aufgebaut und die Kneipe weiterentwickelt. Meine beiden Töchter sind selbstständiger geworden, haben automatisch mehr Aufgaben im Haushalt übernommen, ihre Mutter unterstützt und sich mehr um den gemeinsamen Hund gekümmert. Die gemeinsame Zeit kommt uns allen viel intensiver vor, wir reden deutlich mehr als vorher miteinander und haben mehr voneinander.
Wo lauerten die Probleme?
Ich musste lernen, loszulassen, wenn ich nach meinen Segelwochen wieder in Köln war und akzeptieren, dass meine Frau der Boss ist und den Laden fest im Griff hat. Anfangs konnte ich es nur schwer ertragen, dass ich ersetzbar war. Jetzt kann ich anerkennen, dass meine Frau vollkommen souverän handelt. Ich übernehme, wenn ich in Köln bin, ihre Dienstagsschicht, und am Wochenende arbeiten wir an zwei Tagen gemeinsam hinter der Theke.
Und wie geht es weiter?
Nachdem ich nun ein Jahr als Berufsskipper arbeite, flattern Angebote aus England herein, die noch ein wenig anspruchsvoller sind. Ich könnte dann Langstrecken von Southampton nach Stavanger in Norwegen segeln, die wunderbare Natur genießen, meine Erfahrungen weitergeben und dafür auch noch bezahlt werden. Wir wären dann zwei Wochen am Stück unterwegs. Das würde mich sehr reizen. Das Fifty-Fifty-Konzept wollen meine Familie und ich aber auf jeden Fall beibehalten.
Wie lautet Dein Fazit?
Dieser Schritt ist das Beste, was uns passieren konnte. Unser Glück besteht sicherlich darin, dass wir aus einer gesunden Basis heraus agieren konnten, und alles gemeinsam besprochen haben. Daran jedoch, dass wir mit unserem Vorhaben hätten scheitern können, haben wir gar nicht gedacht. Einen „Plan B“ hatten wir auf jeden Fall nicht in der Tasche.
Am Ende des Gespräches kommt Martins Frau Hülya, setzt sich zu uns und verrät, dass sich auch für sie einiges verändert habe. Sie hat sich mit Lust den wachsenden Anforderungen in der „Torburg“ gestellt, sich in die neue Rolle hineingearbeitet und diese ganz neu interpretiert. „Der Erfolg gibt mir Recht“, sagt sie lächelnd und sichtlich zufrieden. Besonders schwer jedoch sei es für sie gewesen, mit dem Neid einiger Menschen umzugehen, die „nur darauf gewartet haben, dass unser Experiment scheitern würde“. So ganz langsam aber akzeptiere auch der Letzte die Veränderungen und erkenne an, dass die Wolfs ihr (neues) Glück gefunden haben.
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