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Lükes Liebes Leben

Aufm Desch mit Trudi

Montag, 17. September 2018 | Text: Reinhard Lüke

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Was für eine Lauferei gestern. Baui-Party, Demo und natürlich auch noch Längster Desch. Die Schnittmenge zwischen Besuchern der Sause auf der Severinstraße und denen der beiden anderen Veranstaltungen dürfte sich allerdings in Grenzen gehalten haben. Freunde und Bekannte schauen mich jedes Jahr kurz vorm dritten September-Wochenende entgeistert an, wenn ich eine gewisse Vorfreude auf die zweitägige Straßen-Show durchblicken lasse. „Is jetzt nicht dein Ernst oder? Da gehst du hin? Ist doch totaler Kommerzscheiß und reine Geschäftemacherei.“ So oder so ähnlich werde ich regelmäßig von wohlmeinenden Südstädtern belehrt, als wolle man mich über die Gefahren des Rauchens aufklären. Schon klar. Dä längste Desch ist kein kuscheliges Nachbarschaftsfest wie das auf der Merowingerstraße, sondern eine Veranstaltung der an der Severinstraße ansässigen Geschäftsleute. Und die wollen an diesen beiden Tagen -was Wunder- Geschäfte machen. Sie leben davon. Wenn der ein oder andere Betrieb seinen Jahresumsatz dadurch ein wenig aufpeppen kann, soll mir das doch nur recht sein. Ist doch allemal besser, als die nächste Geschäftsaufgabe mit anschließendem monatelangem Leerstand.

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Selbstreinigende Fusselbürsten

Zugegeben, ich hab´ da als Konsument in den letzten Jahrzehnten jetzt auch nicht Unsummen gelassen, weil ich eher doch keinen nietenbesetzten Gürtel oder ein T-Shirt mit Dom in Glanzoptik brauchte. Und in die Bude der Wahrsagerin hab´ ich mich auch noch nicht getraut. Aber ich sehe regelmäßig Menschen, die sich an dem feilgebotenen Sortiment erfreuen und auch das ein oder andere Teil erstehen. War auch in diesem Jahr nicht anders. Wobei ich mich schon frage, wie viele seiner monströsen Esstisch-Garnituren mit Bestuhlung der Mann während der beiden Tage verkauft hat, der sich seit Jahren immer vorm kik aufbaut. Ähnliches gilt für den Stand mit Markisen und Garagentoren. Der Herr mit den selbstreinigenden Fusselbürsten dürfte es da schon leichter gehabt haben. Gefehlt hat mir diesmal ein Stand, an dem ein Mann (es sind immer Männer.) mit Hilfe irgendwelcher Plastikutensilienen aus Obst und Gemüse Herzen oder kunstvolle Girlanden zaubert. Bei diesen Virtuosen der Fußgängerzonen bleibe ich immer fasziniert stehen. Dafür gab´s aber Torwandschießen am Stand von Fortuna mit der Chance auf Freitickets, und Glücksraddrehen bei der Thermen & Badewelt Euskirchen. Ist jetzt nicht so direkt Südstadt, aber wenn die keinem Anrainer den Platz weggenommen haben, stören mich auch die Bademeister aus der Provinz nicht weiter.

Stofftierchen und Trekking-Sandalen

So wenig wie all die Menschen aus dem Umland, die an diesem Wochenende in die Südstadt einfallen, weil sie es grundsätzlich irre finden, wenn man sonntags irgendwo einkaufen kann. Oder aber, weil sie einfach gern über Volksfeste schieben. Dabei deckt sich das Publikum beim Desch im Habitus ungefähr mit dem der Deutzer Kirmes, ist aber ein paar Jahre älter. Die typische Besucherin ist um die 50, gern blond, Sonnenbank-Nutzerin, tätowiert und trägt vorwiegend ausgewaschene, modisch gelochte Blue Jeans, dazu das passende Jäckchen mit Strassbesatz, der sich oft auch noch am bequemen Schuhwerk findet. Das Handtäschchen, an der süße Stofftiere baumeln, darf natürlich auch nicht fehlen. Der Herr an ihrer Seite präsentiert sich hingegen im lässigen Outdoor-Look mit Trekking-Sandalen, lustig bedrucktem T-Shirt und gesteppter Weste. Und beide sind unbedingt gewillt, sich an diesen Tagen in der Südstadt zu amüsieren. Soll mir doch recht sein. Von Pipi-Exzessen, Schägereien und riesigen Müllbergen ist mir in den 38 Jahren, die es den Desch nun gibt, nicht groß was zu Ohren gekommen.

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Frisch frisiert mit Kölsch

Und es gibt auch alteingessene Südstädter, die sich alljährlich auf die Sause freuen. Bei meinem Friseurrbesuch in der letzten Woche saßen da in Salon Severin mehrere ältere Damen, die sich eigens für den Desch die Haare schön machen ließen, über die Wetteraussichten während der Festtage spekulierten („Soll ja schön wäda, han se im Radio jesaht.“) oder mitteilten, dat dat Trudi aus de Südstadt, dat ja vor Jahren zu ihrem Sohn nach Widderdorf gezogen sei, dieses Jahr aber auch wieder kommen wolle. „Ach, dat Trudi, dat wo früher in de Rosenstroaß gewohnt hät un wo de Mann doch so schwerk krank woa?“ Genau dat. Und wenn die ondulierten Seniorinnen dann mit dem Trudi über die Severinstraße flanieren oder, Kölsch in der Hand, zu kölschen Gassenhauern schunkelnd vor der Bühne auf dem Severinskirchplatz stehen, ist das für mich ein Stück liebens- und erhaltenswerte Südstadt. Unbedingt. Wobei das mit dem Flanieren auf der Meile am späteren Nachmittag auch diesmal so eine Sache war. Was mit der schlichten Masse an Besuchern aber auch der mit immer weiter zunehmenden Breite der Rollatoren zu tun hatte. Wenn sich da zwei, drei Menschen mit den praktischen Gehhilfen trafen und spontan beschlossen, ein kleines Schwätzchen zu halten, ging auf der Straße vorübergehend nix mehr.
Das kulinarische Angebot war auch diesmal so, wie es sich für ein volkstümliches Fest gehört. Pommes, Currywurst, Fischbrötchen und Rievkooche statt Streetfood, und Kölsch statt Pinot Grigio. Wobei nicht verschwiegen soll, dass es da auch zwei Weinstände gab. Einer davon natürlich wieder der von Pallhuber & Söhne. Aber auch 2018 ohne die berühmten Gewächse Hupfheimer Jungferngärtchen, Klöbener Krötenpfuhl und Oberföhringer Vogelspinne. Die gab es exklusiv bei Loriot. Abgefüllt und original verkork(s)t.

Text: Reinhard Lüke

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