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Gesellschaft

Baui, Büdchen, Bunt im Block – ein ziemlich persönlicher Blick auf 2018

Montag, 31. Dezember 2018 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Das war’s. 2018 ist Geschichte. Unser Autor wirft nochmal einen sehr persönlichen Blick auf das Jahr bei uns im Veedel.

Früher kämpften in der Südstadt die da unten gegen die da oben. Heute bekämpfen sich Nachbarn auf Augenhöhe. Und es kämpfen die, die früher gefeiert haben und heute ihre Ruhe wollen, gegen die, die heute feiern. Bei dem Streit um das vom Ordnungsamt schließlich verbotene Fest „Bunt im Block“ ging es aber auch um die Deutungshoheit im Veedel. Da haben die Altinternationalen noch mal gezeigt, wo der Hammer hängt. Und wie man ihn schwingt. Weil man es noch kann. Ich habe gerade den Eindruck, dass in der Südstadt die Zahl derer dramatisch sinkt, die sich vorstellen können, dass jemand sich für eine Sache engagiert, ohne damit Geld verdienen zu wollen. Dadurch geraten alle mit guten Absichten unter Generalverdacht. Wer will sich dem freiwillig aussetzen? Dann gibt’s halt nix Neues. Die Ersatzveranstaltung „Bunt im Blöckchen“ lockte übrigens nur wenige Leute auf die Straße.


Gewundert hat manchen, dass 300 Unterschriften gereicht haben, damit das Ordnungsamt „Bunt im Block“ untersagt. Gegen das Carree-Fest in Sülz wurden 600 Unterschriften gesammelt. Durfte stattfinden. Das böse Wort „Willkür“ machte die Runde. Beim Streit um das Brauhaus Schäfer geht es um Recht und Gesetz. Im Bebauungsplan steht, dass neue Gastronomie an der Elsassstraße nur bis 22 Uhr geöffnet haben darf. Dagegen zieht der Wirt gerade vor Gericht.

Brauhaus Schäfer
Der Bebauungsplan rund um die Comedia sah auch die Schließung der Kneipen um 22 Uhr vor. Als klar war, dass Gastronomie in dem städtischen Gebäude angesiedelt und Geld für die Stadt einbringen sollte, hat die Politik den Bebauungsplan übrigens kurzerhand geändert. Ärger gab es auch im Rheinauhafen. Da flogen Müll und Flaschen in Richtung ankernde Schiffe. „Bestimmt nur Veuve Clicquot“, lautete der Standardwitz. Die Anwohner fühlten sich durch den Lärm der Schiffsdiesel gestört. Nicht eine Flasche flog bei dem Picknick im Rheinauhafen. Dabei waren die Schönen und vor allem Reichen weitestgehend unter sich.

Langer Tisch im kleinen Park Sachsenring vor dem Humboldt; Menschen am Tisch
Aber es gibt auch Erfreuliches aus dem öffentlichen Raum zu berichten. Der Lange Tisch am Sachsenring bleibt erhalten. Karneval und Elfter im Elften präsentierten sich als harmlose Feste in Himmeldixieblau. Geht doch. Und sogar der Schmuckzaun am Weinberg des Herrn Eichert ist fertig. Kommendes Jahr wird vielleicht sogar der Bauzaun davor abgeräumt.

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fbs – evangelische Familienbildungsstätte
Bereits seit mehr als 60 Jahren ist die evangelische Familienbildungsstätte, kurz fbs genannt, am Kartäuserwall in der Südstadt zu finden. E…

Alle stöhnen über hohe Mieten. Aber es gibt Hauseigentümer, die trotzdem den Hals nicht voll kriegen. Das Phänomen, aus Mietwohnungen Ferienappartments zu machen, hat mit dem „Rollkofferhaus“ Im Ferkulum längst die Südstadt erreicht. Auf noch mehr Geld spekulieren auch die Eigentümer des Grundstücks Kartäuserwall 14. Das liegt weiterhin brach. Verzockt haben sich wohl die Eigentümer des Hauses an der Bonner Straße, in dem früher die Apotheke „Zum goldenen Horn“ angesiedelt war. Der schwarze Klotz steht schon lange leer. Aufgerufen war mal eine Miete von 7500 Euro für das Ladenlokal. Pro Monat. So lange kann eine alte Frau gar nicht stricken, um das herein zu holen. Gähnende Leere auch im ehemaligen „Strauß“. Spannende Frage, wer sich in Zeiten von Amazon traut, eine solch große Fläche im Veedel zu bespielen. Immerhin kann man in der ehemaligen Dessous-Abteilung von Strauß jetzt Kaffee trinken.


Wie man sich erfolgreich gegen Amazon wehrt, zeigt die Buchhandlung am Chlodwigplatz. Johann Schumandl hat sein Geschäft an die Mayersche übergeben und genießt seinen Ruhestand. Der Laden brummt. Natürlich dank uns allen, die dort ihre Bücher kaufen. Geht doch. Aber nicht bei allen. „Bett und Decke“ wird im kommenden Jahr schließen. Wegen Internet. „Trödel&Objekt“ am Kartäuserwall ist schon zu. Das Comeback des Jahres erlebte Brigitte mit ihrem Büdchen an der Merowinger Straße. Dank der Hilfe aus dem Veedel konnte der Kiosk wieder flott gemacht werden.

Gegen hohe Mieten helfe nur, neue Wohnungen zu bauen, heißt es. Ob die Luxusimmobilien, die derzeit an der Alteburger Straße und am Waidmarkt im Rekordtempo hochgezogen werden, für das Gros der Wohnungssuchenden erschwinglich sind, darf man getrost in Zweifel ziehen. Preiswerter werden wohl die Wohnungen, die die evangelische Kirche im Veedel bauen möchte.

Lutherkirche
Pfarrer Mörtter plant des Abriss und Neubau zweier Häuser neben der Lutherkirche. Die Parkplätze fallen weg. Und die Grünfläche vor der Evangelischen Familienbildungsstätte am Kartäuserwall wird wahrscheinlich auch bebaut.

In Atem gehalten haben Brände die Südstadt in 2018. Zwei Menschen starben bei einem Feuer An St. Magdalenen. Die Hilfsbereitschaft des Veedels war enorm. Gebrannt hat es auch in einem Haus an der Severinsmühlengasse. Fünf Personen erlitten teils schwere Rauchvergiftungen. Feuer legten Unbekannte auf dem Bauspielplatz. Viele Hütten wurden abgefackelt. Immer wieder klettern nachts und an den Wochenenden Leute über den Zaun und feieren auf dem Baui Parties.

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Severinstorburg
Severinstorburg. Das Wahrzeichen unserer Südstadt. Mittelalterliches Stadttor, Wächter über den Chlodwigplatz, Tor zum Vringsveedel. Als Sta…

Schock für die Fortuna und ihre Anhänger. Trainer Koschinat ist gegangen. „Hier schreit nur einer, Uwe und sonst keiner“ schreit jetzt in Sandhausen eine Klasse über der Fortuna. Aber wer weiß, vielleicht schreit er nächstes Jahr zumindest einmal wieder im Südstadion. Sandhausen schwebt in arger Abstiegsgefahr. Und die Fortunen müssten die Klasse halten. Nicht unmöglich, ist aber viel Arbeit.

Gute Nachrichten gab es für Radfahrer. Auf der Nord-Süd-Fahrt dürfen sie eine Fahrspur ganz allein nutzen. Auf dem Sachsenring auch. Der Umbau der Kreuzung an der Ulrepforte ist abgeschlossen, der Kartäuserwall ist jetzt Einbahnstraße in Richtung Nord-Süd-Fahrt. Gab ein bisschen Gemecker. Wie immer, wenn Verkehrsführungen geändert werden. Warum die Alteburger Straße nicht schon längst wie von der Politik beschlossen Fahrradstraße ist, bleibt Geheimnis der Verwaltung.


Die hatte nach Jahren intensiver Stille mal wieder zu einer Bürgerinformationsveranstaltung zur Parkstadt Süd eingeladen. Vorgestellt wurde der Integrierte Rahmenplan, der in zwei Jahren hinter verschlossener Tür erarbeitet worden war. Überraschung des Abends: Der neue Baudezernent Markus Greitemann gab dem Autonomen Zentrum eine vorläufige Bestandsgarantie, die mittlerweile vertraglich geregelt ist und bis Ende 2019 läuft. Ansonsten durften die Bürger mal wieder ihre Wünsche an die Parkstadt auf Zettel schreiben. „Wir nehmen die dann mal mit“, hieß es wie immer von der Verwaltung. Allerdings weiß niemand wohin, denn danach sind sie ja verschwunden. Und mit ihnen die Wünsche.


Es gab zwei Weihnachtsmärkte im Veedel. Der an der Lutherkirche hat jetzt schon Tradition. Die KG Ponyhof stellt das ehrenamtliche Personal im Glühweinstand. In diesem Jahr hat man sensationelle 209.000 Euro eingenommen, die für soziale Projekte gespendet werden. Da hat sich jeder Kater gelohnt. Die ABC und die IG Severinstraße haben sich zusammengerauft und organisieren jetzt im jährlichen Wechsel den Weihnachtsmarkt auf dem Chlodwigplatz. Das ist doch mal ein Anfang für einen wahrscheinlich langwierigen Friedensprozess. Die Hauseigentümer entlang der Severinstraße haben sich zu einer Immobilienstandortgemeinschaft zusammengetan. Mit den Beiträgen wird ein Veedelshausmeister bezahlt. Und die Weihnachtsbeleuchtung.

Signalgrau
Soweit 2018. Und wie wird 2019? Wahrscheinlich genauso bunt und manchmal trist wie immer. Sagen wir signalgrau. Und wer jetzt meint, dass der Autor spinnt, hat diesmal Unrecht. Signalgrau werden nämlich alle „Steuerungs- und Versorgungskästen mit aktiver Technik“ im öffentlichen Straßenraum in Zukunft sein. So steht es im Gestaltungshandbuch der Stadt. Darauf ein dreifach donnerndes Prost Neujahr!

Text: Stefan Rahmann

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