Beef, Bier und Barbiere
Montag, 12. Juni 2017 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Tamara Soliz
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Am besten, ich sag es gleich. Dann kann hinterher auch niemand sagen, er hätte es nicht gewusst. Eigentlich bin ich nicht der Typ für Straßenfeste. Warum? Wisst Ihr schon. Gedränge, Du denkst, Du schiebst, und wirst geschoben, Mucke wie am Ballermann, Verkaufsstände für Dachfenster. Und Handyhüllen. Immer wieder Handyhüllen. Meine Erwartungen sind also durchaus überschaubar, als ich auf dem Chlodwigplatz zu meinem Rundgang über das Südstadt-Fest auf der Bonner Straße aufbreche. Was sofort auffällt, ist die entspannte Atmosphäre am Eingang.
Stille auf einem Straßenfest statt aufdringlicher Musik ist mir noch nicht begegnet. Still ist es auch auf der Bühne von „Hund mit Grund“ gegenüber vom Rewe. Entspannt geht es dort aber nicht zu. Eine Handvoll Herren im erst- oder zweitbesten Alter mühen sich dort beim Yoga-Training unter Anleitung von Dulce Jiménez, die mit Antje Schulze das Studio „Hund mit Grund“ an der Alteburger Straße betreibt. „Dynamisches Yoga“ nennt sich das, was Dulce heute anbietet. Ob die Herren den „Hund“ hingekriegt haben, ist nicht überliefert. Wenn nicht, an der Motivation der Hundeschüler hat es jedenfalls nicht gelegen.
Nur mal kurz umgedreht, und schon könnte ich mich von Zeichnern porträtieren lassen, die vor dem „cöln comic haus“ die Stifte gespitzt haben. Ich lasse mich aber weiter treiben und treffe auf einen Stand mit grünen Totenköpfen und allerlei anderem Krimskrams. Werden meine Vorurteile doch bedient? Gegenüber: Handyhüllen. Immerhin in Holzoptik. Diese beiden Stände sind aber Ausreißer. Nach dem Ärger im vergangenen Jahr wegen Überkommerzialisierung ist das Fest zu seinen Südstadt-Wurzeln zurückgekehrt. Julie Caziers Verlag „Tintentrinker“, sonst eher versteckt im Hinterhof des „Massimo“ an der Alteburger Straße, präsentiert ihre mehrfach ausgezeichneten Bücher.
„Wilde Geschichten“ gab es für die Kleinen im Märchenzelt gegenüber von Hütten. Und kulinarisch? Naja, dass Craft Beer die Kundschaft spaltet, ist für Kai Boecker vom Craft Beer Store nichts Neues. Kein Problem hat er damit, dass es Leute zum Kölsch-Stand zieht. Auf keinem Straßenfest fehlen darf die Reibekuchenbude. Das gilt seit kurzem natürlich auch für Pulled Pork und Beef. Zupf noch mal dran.
Ein interessantes Projekt stellt Michael Kortenbrede vor. Der stammt zwar nicht aus dem Veedel, sondern studiert in Münster Betriebswirtschaftslehre. Und ist Gründer von „bayti hier“. „Das ist ein Kleidungslabel für Integration“, erklärt er. Ilham und Mohammad sind vor dem Bürgerkrieg aus Syrien geflüchtet. Sie sind ausgebildete Schneider und fertigen für das Projekt „bayti hier“ Kleidung, die auch im Internet vertrieben wird. Sie haben ihre Nähmaschinen am Wochenende auch an der Bonner Straße aufgestellt und mühen sich nach Kräften bei großer Hitze. Es ist schließlich Ramadan. Später werden die T-Shirts, die westliche mit orientalischen Stilen vereinen, auf einer Modenschau gezeigt, an der sich auch Textilgeschäfte aus der Südstadt beteiligen.
„bayti hier“, von Münster in der Südstadt.
Ein paar Schritte neben den Nähmaschinen wird für Abkühlung gesorgt. Zumindest theoretisch. Dort präsentiert sich die Therme und Badewelt Euskirchen. Herzlich willkommen in der Südstadt. Boris von den „Gents of Cologne“ steht vor dem Café Ernst und barbiert, dass es eine Lust ist. Kölsch gibt es bei ihm auch. Der Kreisel rund um die Bananenrepublik ist gemeinnützigen Initiativen aus der Nachbarschaft vorbehalten. Dort werben Vertreter des Zollstocker Tierheims, des Gemeinschaftsgartens NeuLand und einer Flüchtlingsinitiave der Gemeinde von St. Severin für ihre Anliegen.
Die GOT („Ganz offene Tür“) Elsassstraße organisiert mit der Aktionsgemeinschaft Bonner Straße/Chlodwigplatz, die das Fest veranstaltet, eine Verlosung. Über 300 Preise haben die ortsansässigen Geschäftsleute spendiert. Der Hauptpreis, ein E-Bike von Stadtrad, wechselte schon am Samstagnachmittag den Besitzer. Und als dann später auch noch Querbeat und Björn Heuser musikalisch die kölsche Seele streicheln, haben eigentlich alle alles richtig gemacht. Ein schönes Fest. Gerne wieder.
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