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Südstadt

„Bei diesem Leben ging mir der Stoff nicht aus“

Donnerstag, 13. April 2023 | Text: Gaby DeMuirier | Bild: Peter Henning, privat

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Babyglück, Mutterliebe, Urvertrauen, Zusammenhalt, Schutz, Fürsorge – es gibt unzählige Begriffe, die man mit Familie assoziiert. Doch nicht alle haben das Glück, in eine gesunde Familie hinein geboren zu werden. Gibt es falsche und richtige Familien? Wie funktioniert das Gerüst Familie und was passiert, wenn dieses Gerüst zusammenbricht?

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Bricht eine Familie auseinander, ist es oft der Vater, der geht. Nur in seltenen Fällen beschließt eine Mutter, die Familie zu verlassen. So aber hat es Henry Kaplan erfahren. Er ist der Protagonist in Peter Hennings neuestem Roman „Bis du wieder gehst“. Als Henry 4 Jahre alt ist, packt seine Mutter Erika ihre Sachen und lässt ihn zurück. Allein, denn auch sein Vater ist nicht mehr da, er fühlte sich einfach noch nicht reif genug für ein Kind und ließ die junge Frau mit dem Baby allein. Frustriert geht sie nun auch.

Ich kann nicht mehr

Ein Zettel, auf dem stand: „Ich kann nicht mehr, kümmere dich um ihn und veranlasse das Nötigste“, war die einzige kurze, kümmerliche Erklärung für ihr Tun. Eine Freundin holt den kleinen Henry, der sich zusammen mit seiner Kuscheldecke in die Badewanne verkrochen hat, am nächsten Tag ab und bringt ihn zu seiner Großmutter, die ihn kurz darauf in einem Kinderheim abliefert.

Die Romanhandlung beginnt Jahrzehnte später, als Henry, inzwischen Antiquar, einen Anruf aus dem Uniklinikum in Frankfurt erhält, mit der Nachricht, dass seine Mutter zusammengebrochen sei. Sie hatte ihn als Notfallkontakt vermerkt. Henry fährt widerwillig nach Frankfurt und damit auch in seine Vergangenheit. Der Leser taucht ab nun mehr und mehr in seine komplizierte Kindheit ein.

Das ist 1:1 meine Geschichte

Nach großen Romanen wie „Die Tüchtigen“ oder „Die Ängstlichen“ findet Peter Henning einen großartigen Abschluss seiner autobiografisch geprägten Bücherreihe. Ein wichtiger Abschluss, wie der Kölner Schriftsteller erzählt. „Nach den zahlreichen Väterbüchern war noch ein Platz frei für die Mutter“, erklärt Peter. Und er hat alles andere als gelitten beim Schreiben dieser bedrückenden Geschichte, die, wie er sagt, 1:1 seine Geschichte sei. Mit Bedacht hat er weitere Figuren und leicht dramatisierte Binnengeschichten erfunden, um die Dramaturgie des Romans interessanter zu gestalten.

Trauma Kinderheim

Peter Henning, gebürtig aus dem hessischen Hanau, erlebte nach seinen Worten eine Kindheit voller Angst vor Tod, Verlust und Ausbüchsen. Im Alter von 3 Monaten von der eigenen Mutter zurückgelassen, lebte der Schriftsteller abwechselnd bei der Großmutter und im Kinderheim, an das er mit Grauen zurückdenkt. „Ich hatte gegen Morgen seit langem wieder von den „Zecken“ geträumt und beim Aufwachen reflexartig an die Narben an meiner Schulter gefasst. „Zecken“ nannten wir im Heim untereinander die perfiden kleinen Sadisten, die nachts lustvoll über die Wehrlosesten unter uns herfielen und ihre Milchzähne wieder und wieder in deren Fleisch gruben, bis sie aufwachten und vor Schmerzen schrien“ – so beschreibt Peter seine traumatischen Erfahrungen in seinem neuen Roman. Mit 4 Jahren kam er dann in eine Familie, „in der man sich aufhängte, mit Spritzen selbst anästhesierte, verrückt wurde, die Ruhr kriegte. Es war wie im Irrenhaus“, erinnert sich Peter.

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Rettung Literatur

Seine Leidenschaft für Geschichten und die Literatur habe ihn gerettet, so Peter. Nach seinem Studium arbeitet der Wahlkölner als freier Journalist bei zahlreichen deutschen Zeitschriften und Rundfunkanstalten. Beim Schreiben seiner Geschichten kann er alles rundherum vergessen, entwickelt dabei eine Art Misanthropie. Seine umfassende Erfahrung gibt er nun schon seit vielen Jahren mit großer Freude als Lehrbeauftragter für Kreatives Schreiben an der Uni Köln an die Studierenden weiter.

„Wer einmal verlassen wurde, verlässt später andere“

Familie ist Fluch und Segen für den Schriftsteller – und irgendwie immer auch eine Art Gefängnis. Die schlimmen Erfahrungen in seiner Kindheit haben Peter zu einem Einzelgänger gemacht. Trotz inniger Liebe zu seinen beiden Töchtern, packt er seine Adidas-Tasche und geht ebenfalls, nur in Begleitung seiner beiden Hund Ole und Elvis. „Ich kann nicht so viele Leben leben, ich bin ausgebrannt“, erklärt er.

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Neues Buch in Arbeit

Nach dem Abschluss seiner Familiengeschichten widmet sich Peter nun zur Abwechslung mal einer leichten und liebevollen Geschichte. Es geht um einen Schriftsteller, dem ein Hund zugelaufen ist. Mehr verrät er darüber noch nicht. Doch seit langer Zeit hat der Autor mal wieder richtig Spaß am Schreiben. „Es wird ein schönes Buch“, verrät er.
„Bis Du wieder gehst“ könnt Ihr überall kaufen. Die Buchhändler*innen in unserem Veedel freuen sich auf Euch. Sobald Peters neuer Roman „Das Glück braucht einen Hund“ erscheint, informieren wir Euch natürlich wieder.

Peter Henning – Bis du wieder gehst, Luchterhand Literatur Verlag, 185 Seiten, 22 Euro

Text: Gaby DeMuirier

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