Besetztes Haus am Großmarkt: Bürgerhausleiter soll sich kümmern
Montag, 15. Juni 2020 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Oliver Kroh macht beruflich eigentlich was anderes. Gerade aber steht er im Schatten des besetzten Hauses auf dem Großmarktgelände, am Bahndamm. Die temporären BewohnerInnen halten ihr abendliches Plenum ab.
Natürlich draußen und mit Abstand, sitzen alle auf Palettenbänken, es gibt jeden Tag was zu besprechen. Zum Beispiel stellt sich eine WDR-Reporterin vor, die eine Langzeitbeobachtung dieses Projekts machen möchte, und: Die beiden Mitarbeiter des Amtes für Soziales, Arbeit und Senioren sind wieder zu Besuch gekommen.
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Café Kult – hier ist der Name ProgrammKroh und sein Kollege Ulli Wendler, normalerweise zuständig für die Bürgerhäuser wie das Stollwerck, die Feuerwache oder das BüZe Ehrenfeld, haben für die Zeit der Corona-Pandemie einen neuen Job bekommen: Sie sollen sich kümmern, um drei Aspekte der Unterstützung von Wohnungslosen, nämlich: Eine Hygienestation mit mobiler Dusche am Hauptbahnhof, die Verteilung von kostenlosen Essens-Paketen, und: Um das besetzte Haus am Großmarkt bzw. seine aktuellen etwa 30 BewohnerInnen.
„Das ist eine schwierige Gemengelage, jetzt in der Corona-Zeit. Wir sind hier quasi als Kümmerer abgestellt und sollen die Duldung dieser Besetzung hier steuern.“ sagt Wendler. Und Kroh ergänzt: „Wir schlagen die Brücke zur Verwaltung, reden mit den Leuten und sind deren Ansprechpartner. Zum Beispiel während der Quarantäne des Hauses: Da haben wir die Lebensmittelversorgung sichergestellt.“
Zuhause zum Zuhausebleiben
Ende März hatten sich der wohnungslose André Salentin und andere im Haus hinter der langen Halle auf dem Großmarkt ein Obdach einfach genommen. Angesichts der damaligen behördlichen Devise „Zuhausebleiben“, hatte die Stadtverwaltung sich entschlossen, dies unter Vorbehalt zu dulden. Anstatt, wie vom Liegenschaftsamt zunächst gewollt, zu räumen. Sozialdezernent Harald Rau war selbst vor Ort gewesen und hatte sich für den Verbleib der Obdachlosen während der Corona-Pandemie eingesetzt, obwohl es sich dabei, wie er betonte, um eine „widerrechtliche Nutzung“ handele. Der geplante Abriss von Haus und Halle war noch in der Ausschreibungsphase, genug Zeit also, um die Leute erstmal dort leben zu lassen und zugleich nach anderen Optionen für sie zu suchen. In der Zwischenzeit haben sich Oliver Kroh und Ulli Wendler gekümmert, zum Beispiel um Müllentsorgung und Security und eine Brandwache. Zugleich besuchen sie die Bewohner regelmäßig, um sich ein Bild davon zu machen, wie diese mit dem Haus umgehen.
„Es geht auch darum, zu erkennen, welche Potenziale die Leute haben, was sie selbst hier schaffen, auch wenn dieses Haus dem Abriss geweiht ist. Wir müssen ja perspektivisch andere Unterkunft-Optionen für sie finden.“ Doch eine städtische Liegenschaft, in der man etwas gemeinsam mit den Leuten entwickeln und aufbauen könne, sei schwer zu finden, meint sein Kollege Ulli Wendler und so werde es wohl darauf hinauslaufen, dass man die Leute erstmal in städtische Unterkünfte vermitteln müsse.
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Living Mindfulness – mit Achtsamkeit durchs LebenDenn bald wird es eng: Ab 1. August soll der Abriss anlaufen, bis dahin müssen die Bewohnerinnen woanders hin. Ihr selbst ernannter Koordinator André Salentin will aber nicht aufgeben und arbeitet unbeirrt weiter daran, diesen, wie er sagt „noch völlig intakten Wohnraum“ zu erhalten, auszubauen und zu putzen. Vor dem Gebäude hat er eine geschenkte Ladung Erde abladen lassen und damit begonnen, Holzkisten zu befüllen und zu bepflanzen, UnterstützerInnen bringen regelmäßig Essen aus dem Foodsharing vorbei und machen Musik.
Man wolle darum kämpfen, so lange bleiben zu können, bis es eine vergleichbares Haus gebe, in das man dann umsiedeln könnten, so André Salentin. Für Oliver Kroh eine noch ungelöste Aufgabe, er muss sich weiter: Kümmern.
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