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Bildung & Erziehung Familie Südkids

Die KITA mit Altenheim

Montag, 16. Januar 2012 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

– Alte Geschichte(n), neue Windeln, viele Kinder. Die KITA St. Josefshaus.

Den Laden kennt eigentlich jeder. Wer in den letzten 130 Jahren im Vringsveedel mal Kinder aufgezogen hat, ist vermutlich irgendwann mit der Kindertagesstätte St. Josefshaus in Berührung gekommen. Denn hinter dem schmucklosen, durch zahlreiche Graffities nicht wirklich verschandelten, Zweckbau „An der Eiche“ verbirgt sich nicht nur die größte, sondern auch die älteste Einrichtung dieser Art in Köln.

Deren Geschichte reicht in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück, in der die Südstadt durch die Ansiedlung mehrerer großer Industriebetriebe einen enormen Bevölkerungszuwachs erlebte. Hier entwickelte sich in klassisches Arbeiterviertel, in dem bald ein hoher Betreuungsbedarf für den nicht schulpflichtigen Nachwuchs auftrat, da beide Elternteile in den Fabriken arbeiteten. So taten sich die beiden Kaufmanns-Familien Greven und Schülgen zusammen mit dem Frauenverein der Pfarrei St. Severin zusammen und gründeten 1881 eine Kleinkinderbewahrschule in der Annostraße. Zehn Jahre später folgte der Umzug in das neu errichtete Haus in der Dreikönigenstraße, wo täglich bis zu 400 Kinder betreut wurden. Zur Finanzierung der Einrichtung brachte man in dem Gebäude, im dem heute das Hotel Hopper residiert, gleichzeitig auch ein Heim für betuchte Pensionärinnen unter. Das vielfach bestaunte Kuriosum, dass sich im Neubau An der Eiche heute Kindertagesstätte und Altenheim unter einem Dach befinden und manche Senioren früher bereits den Kindergarten besucht haben, hat eine durchaus lange Tradition.

Seit 1989 ist Marianne Ricking Leiterin und Seele der KITA. Die Frau, die manche `ihrer´ Kinder körperlich nur unwesentlich überragt, möchte von ihrer Person am liebsten gar kein Aufhebens machen („Ach, nein…“; „Ich bin doch unwichtig“; „Das interessiert doch keinen.“), aber ein bisschen Homestory muss schon sein. Schließlich gab es einmal eine Zeit in der Marianne Ricking vorn „Schwester“ und hinten „Eva Maria“ hieß. Kurzum, die Frau war mal Nonne und Mitglied des Paderborner Ordens der Schwestern der Christlichen Liebe und als solche kam sie 1980 auch in die KITA nach Köln. Die Schilderung, wie genau es dazu kam, dass ausgerechnet ostwestfälischen Nonnen 1881 mit der Leitung der kölschen „Kleinkinderbewahrschule“ betraut wurden, würde hier zu weit führen. Jedenfalls übernahm Marianne Ricking 1989 die Leitung der Einrichtung und vier Jahre später hängte sie ihre Schwesterntracht an den Nagel und nahm wieder ihren bürgerlichen Namen an. Viel lieber als über sich erzählt „die Chefin“ von den Entwicklungen der KITA, die natürlich ein wunderbarer Seismograph für der Wandlungen des Viertels ist. So erinnert sie sich, dass der Anteil der (meist türkischen) Migrantenkinder 1980 noch bei rund 70 Prozent lag. Ausdruck der damals noch von stark von Arbeitern geprägten Bevölkerungsstruktur der Südstadt, in der Mitte der 70er Jahre mit der Schokoladenfabrik Stollwerck das letzte große Industrieunternehmen geschlossen worden war. Heute bildet die Klientel der KITA die (noch) bunte Mischung der Südstadt ab. Logisch, dass im Zeichen des Strukturwandels inzwischen auch die ersten Rheinauhafen-Kinder in der Einrichtung angekommen sind. Derzeit werden dort in fünf Gruppen 102 Kinder betreut, 18 davon in U 3-Gruppen. (Für Menschen ohne Kleinkinder: Das Kürzel steht für Kinder unter 3 Jahren.) Auch wenn Marianne Ricking gewiss nichts gegen Kinder mit Wickelbedarf hat, klingt bei ihr noch immer ein bisschen Wehmut durch, wenn sie auf die massiven Einschnitte durch das Kinderbildungsgesetz (KiBiz)
15 pädagogische Fachkräfte zu sprechen kommt. Schließlich ging die Aufnahme von U 3-Kindern mit der Schließung des Hortes einher, in dem bis August 2007 nachmittags Grundschulkinder in einer Form umfassend betreut wurden, die in den entsprechenden Schul-Horten heute kaum zu finden ist.

 

Für die KITA An der Eiche ging die Änderung auch mit einer Schrumpfung einher. Konnte man damals noch 150 Kinder aufnehmen, sind es auf Grund der veränderten räumlichen Anforderungen für die Kleinsten heute nur noch zwei Drittel davon. Gleichzeitig musste die Zahl der Pädagogischen Mitarbeiter von 19 auf 15 reduziert werden. Eine Maßnahme, der damals auch der einzige männliche Pädagoge zum Opfer fiel. Sehr zum Leidwesen von Marianne Ricking, die das reine Frauenregiment in ihrer Einrichtung überaus bedauert, sich aber auch keine Erzieher backen kann. Immerhin ist sie froh, heute 80 Prozent so genannte 45 Stunden-Kinder zu haben. Kinder also, die 45 Stunden pro Woche in der KITA betreut werden. Schließlich richten sich nach solchen Auslastungszahlen die öffentlichen Zuwendungen.
Den Strukturwandel des Viertels belegt indes auch eine andere Zahl. Derzeit sind in der KITA nur 10 Prozent Kinder mit einem Köln-Pass. Jenem Ausweis der sozial minder bemittelten Familien verschiedene Vergünstigungen gewährt. Die Zahl überrascht auf den ersten Blick, doch wer kennt nicht selbst Familien, die in den letzten Jahren spätestens beim dritten Kind angesichts der explodierenden Mieten der Südstadt mit großem Bedauern den Rücken gekehrt haben. Auch, dass die Zahl der Kinder von allein Erziehenden in der Einrichtung rückläufig ist, mag ein Indiz für diesen Wandel sein. Auf der anderen Seite übersteigt der Bedarf an Betreuungsplätzen noch immer die gegebenen Möglichkeiten bei weitem. So werden in diesem Jahr nach den Sommerferien lediglich 25 Kinder neu aufgenommen, von denen 11 (natürlich bevorzugt behandelte) Geschwisterkinder sind. 67 Bewerbern musste Marianne Ricking hingegen eine Absage erteilen. Die Kriterien bei der Entscheidung sind  Konfession, die unmittelbare Nähe zum Standort der KITA und die soziale Bedürftigkeit. Träger der Einrichtung ist übrigens nicht die Kirchegemeinde St. Severin, sondern  die Stiftung St. Josefshaus, der  zwar Pfarrer Johannes Quirl vorsteht, der aber auch nach wie vor Mitglieder der Gründer-Familien Greven und Schülgen angehören.

Noch was zu sagen, Frau Ricking? „Ach, Quatsch, das reicht doch jetzt.“

Text: Reinhard Lüke

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