„Fassaden-Kunstwerk am Ubierring vor dem Abriss“
Donnerstag, 5. Juli 2012 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Sie prägt das Gesicht der Südstadt seit über vier Jahrzehnten. Nun will die Stadt die Fassade der Kölner Fachhochschule für Design am Ubierring 40 wegen Bauschäden austauschen. Gestaltet hat sie unter anderem der Bildhauer und Professor der ehemaligen Werkkunstschule Ludwig Gies (1887-1966). Von ihm stammt unter anderem der Bundesadler im alten Bonner Bundestag, der nun im Berliner Reichstag hängt. Das Kollegium der „Köln International School of Design“ und Stadthistoriker reagieren bestürzt auf den städtischen Beschluss. Am heutigen Donnerstag um 17.30 Uhr wird aus diesem Grund in den Räumen der Fachhochschule eine Podiumsdiskussion stattfinden.
Nora Koldehoff sprach vorab mit dem Historiker Martin Stankowski und dem Fotografen Eusebius Wirdeier.
Meine Südstadt: Warum soll die historische Fassade verändert, nämlich abgerissen werden?
Eusebius Wirdeier: Dieser Bau wurde 1967 in Betrieb genommen. An seiner Südfassade, also im Innenhof, haben sich Waschbetonplatten gelockert und drohen herab zu fallen. Die sind jetzt schon mit Netzen gesichert worden. Da muss selbstverständlich etwas dran getan werden. Schon in den frühen 1970er-Jahren waren im Innenhof mehr als zwanzig undekorierte Fassadenplatten abgenommen worden, weil sie wohl nicht richtig befestigt waren. Ich habe das auf einer Fotografie von 1973 gesehen. Diese Platten sind später wieder angebracht worden. Soweit ich weiß, sieht die zuständige Stelle nun eine komplette Abnahme der Fassaden an diesem Gebäude von 1967 vor, also die Fassade am Ubierring und das Stück an der Mainzer Straße und im Hof.
Das Fassadenornament von Ludwig Gies befindet sich ja an der Außenseite des Gebäudes, 1080 Kegel, die von der ersten bis zur fünften Etage als aufsteigende Bänder unterhalb der Fenster montiert sind. Jeweils drei Kegel auf einem Fassadenbauteil. Es wäre ja fürchterlich, wenn diese Arbeit jetzt durch eine Verschieferung ersetzt würde. Ob auch das Relief von Joseph Jaekel aus den frühen 1970er-Jahren, das rechts neben dem Eingang angebracht ist, von der Fassadenänderung betroffen sein wird, muss erst noch geklärt werden.
Welche Alternativen würde es geben?
Martin Stankowski: Natürlich die Fassade mit dem vorhandenen Werk von Gies restaurieren, auch säubern und das ganze als respektvollen Umgang mit der jüngeren Geschichte der Stadt und den Bürgern präsentieren.
Was wissen Sie über die Entstehung der Fassade der ehemaligen „Werkkunstschule“? Gab es Diskussionen, oder wurde der Entwurf sofort akzeptiert?
EW: Ob der Entwurf von Ludwig Gies kontrovers diskutiert wurde, ist mir nicht bekannt. Dieses Fassadenornament war schon fertig, als ich im April 1967 mein Studium am Ubierring begann. Das Relief von Joseph Jaekel war heftig umstritten und wurde von Teilen der Studierenden und Lehrenden abgelehnt. Es gab darüber, während es entstand, eine Debatte und auch Drucksachen.
Was bedeutete es, 1967 einen Künstler mit einer solchen Teil-Bauaufgabe zu betrauen?
MS: Das war wohl selbstverständlich, die Künstler, die auch Lehrer an der Schule waren, mit der Gestaltung zu beauftragen. Eine gute Tradition, die man sich heute manchmal zurückwünscht.
Besteht eigentlich Denkmal- oder Ensembleschutz? Falls nicht: Warum hat man sich darum nie bemüht?
EW: Es besteht wohl bisher kein Denkmalschutz, auch kein Ensembleschutz. Das ist ein Versäumnis, gerade auch für die ganz frühen Gebäudeteile. Aber die Denkmalpflege ist immer dann sehr zurückhaltend, wenn Teile der Fassade schon verändert oder im Krieg beispielsweise beschädigt wurden.
Ludwig Gies ist kein Niemand. Die Nationalsozialisten ließen seine expressionistischen Werke beschlagnahmen. Sein berühmtes Kruzifix wurde 1937 in der „Entartete Kunst“-Ausstellung gezeigt und anschließend wohl vernichtet. 1966, kurz vor Vollendung der Fassade am Ubierring, starb er in Köln. Sieht die Stadt ihre Verpflichtung diesem Künstler und Menschen gegenüber?
MS: Ich kann das jedenfalls nicht erkennen, aber da müssen Sie mal den Kulturdezernenten Quander fragen, wenn der Zeit hat und nicht gerade wieder in der Oper rumrockt.
EW: Es wäre sinnvoll, wenn Köln sich wieder mehr mit dem Werk von Ludwig Gies beschäftigen würde. Der drohende Verlust dieser Fassade ist ein guter Anlass dafür. Es ist bei der Frage des Fassadenerhalts allerdings eine Gemengelage zwischen städtischen Interessen und denen des Landes NRW. Das führt natürlich zu unterschiedlichen Perspektiven, wahrscheinlich auch zu Ausblendungen. Der Kostenträger sieht sich wahrscheinlich nicht als Träger der Identität des Ortes.
Was würde ein Erhalt der Fassade kosten?
EW: Dazu werden die Vertreter der Fachhochschul-Verwaltung sicher etwas sagen können. Erhalt und Austausch können gegeneinander gerechnet werden, aber beim Austausch wäre ein immaterieller Verlust zu beklagen, der sich nur schwer oder gar nicht in Geld ausdrücken ließe.
Gibt es Gespräche mit der Stadt?
EW: Es ist ja eine Landesangelegenheit, die hier ins städtische Vermögen hineinspielt. Eigentlich sollte die Stadt Köln und die Kulturverwaltung dazu Stellung nehmen. Zunächst aber ist die Stadtgesellschaft gefragt und dazu wird am Donnerstagnachmittag Gelegenheit sein.
Was hoffen Sie?
MS: Ich erwarte eigentlich von den Lehrenden und Studierenden der KISD, dass sie sich mehr für „ihren“ Bau interessieren und hoffentlich engagieren, der ja mehr ist als eine Ansammlung von Heizkörpern, Ziegelsteinen und Türrahmen, für seine Geschichte, dass sie neugierig sind auf ihre Vorgänger und Künstler, die in diesem Haus und sicherlich auch mit ästhetischem Gespür und heißem Herz gelernt und gearbeitet haben. Ich erwarte von den Kölnerinnen und Kölnern der Südstadt, dass sie die Qualität und Ästhetik der Architektur erkennen und vor allem schätzen lernen, dass sie umgeben sind von Kunst, die heute und so nicht mehr selbstverständlich ist. Und ich erwarte vom Land, bzw. der Leitung der FHS, dass sie die Sanierungspläne stoppen, neu planen, Nutzer und Anwohner einbeziehen und dann eine wunderbare Sanierung hinlegen. Das dauert vielleicht länger, macht aber alle glücklicher. Denn schließlich hängen Ethik und Ästhetik auch zusammen.
EW: Auf eine Lösung, die bauphysikalisch sicher, finanziell tragbar und gleichzeitig unter denkmalpflegerischen Aspekten seriös ist. Beide Fassadenarbeiten sollen weiterhin sichtbar sein, und zwar optisch unverändert.
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