Billy Cobham live im Pfandhaus
Montag, 4. April 2011 | Text: Roger Lenhard | Bild: Gerhard Richter
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Fünf Jahre gibt es das Pfandhaus und fünf Jahre war ich nicht ein einziges Mal dort. Das überrascht mich noch immer, nicht nur weil ich kaum mehr als einen Steinwurf entfernt wohne von der mittlerweile weit über Köln ausstrahlenden Jazz-Location, sondern vor allem überrascht es mich, weil ich immer gerne Jazz gehört habe. Nicht den Jazz, aber bestimmte Spielformen des Jazz.
Meine erste Jazzplatte war „Kind of Blue“ von Miles Davis, und von dort war es nicht weit bis zum eigentlichen Initiationserlebnis: Der grandiosen Platte „My favorite Things“ von John Coltrane mit der verwirrend hintergründigen Polyrhythmik des kongenialen Schlagzeugers Elvin Jones. Es folgte eine weitere Geschmacksformung durch die freie Radikalität des Saxophonspiels Ornette Colmans. Die kühle Ästhetik eines Miles Davis und die scheinbar ungebundene Expressivität innerer Erlebniswelten durch die helle Saxophonstimme Coltranes sind Ausdruck einer Kunst, die etwas zu sagen hat und etwas sagen kann durch meisterhafte technische Fähigkeiten. Virtuosität war in beiden Fällen niemals Selbstzweck und alles andere als oberflächlich. Dieser Jazz war authentisch.
Deshalb war ich weit vor der Jazzmusik ein großer Fan des Rock´n´Roll, womit ich die Einstellung bezeichne, sich Instrumente zu schnappen und einfach loszulegen – egal wie ungeschliffen und im handwerklichen Sinne dürftig das Ergebnis auch sein mag. Die raue Direktheit der frühen Who oder Small Faces wie auch später der Ramones oder Clash haben mich völlig umgehauen. Wunderbarer Lärm, nicht immer virtuos, aber echt.
Und jetzt Billy Cobham im Pfandhaus.
Bevor sich Cobham auf eigene Füße stellte, spielte er mit Miles Davis und danach mit John McLaughlin im Mahavishnu Orchestra, das wegweisend war für die Verschmelzung von Jazz und Rock. Es wird nicht allzu sehr überraschen, dass Jazzrock, auch Fusion genannt, mir ein Greuel war, weil nicht das Raue des Rock mit der komplexeren Ausdrucksvielfalt des Jazz verbunden wurde, sondern sich Lautstärke und glatte Virtuosität unselig zusammenfanden. Mit gemischten Gefühlen betrat ich den Konzertsaal und war baff. Gleich einem schmalen, langgezogenen Hufeisen umfassen die ebenerdige Bühne drei nach oben führende Sitzreihen und ein anschließendes Geländer die Stehplätze. Auf der Bühne waren die Instrumente aufgebaut. Alles im üblichen Rahmen, wäre nicht neben einem kleineren Schlagzeug ein schwarzer Schlagzeugmonolith von gigantischen Ausmaßen mit neun Trommeln und vier Becken zu bestaunen gewesen. Hier kommt nicht irgendwer, hier kommt die Drummer- und Jazzrock-Legende Billy Cobham, dessen Schlagzeugspiel u.a. von Massive Attack im Song „Safe from Harm“ gesampelt wurde.
Nach dem wirklich guten ersten Teil des Abends setzte sich Mr. Cobham an sein Schlagzeug. Und gerade diesen Teil des Abends fand ich sehr enttäuschend. Das Zusammenspiel der hochkarätigen Musiker war fahrig, uninspiriert, ja fast lustlos. Das Schlagzeugspiel von Mario Garruccio im ersten Set war zwar zurückhaltend, aber punktgenau und hatte einen einen groovigen Beat. Fand ich viel besser als die Schnörkel und Wirbel von Cobham, dessen kraftvolles Spiel irgendwie unverbunden zu dem Spiel der Mitmusiker war. Aber auch die Soli des Saxophonisten Eric Marienthal und des Bassisten Jimmy Haslip wirkten in ihrer Brillanz gleichförmig handwerklich. Schade, dabei ist die Räumlichkeit eine Wucht, weil nicht nur die Gesichter der Band wahrgenommen werden. Auch das Publikum hat auf einmal wahrnehmbare Gesichter und verschwindet nicht amorph vor dem Geschehen auf der Bühne wie bei herkömmlichen Raumaufteilungen anderer Konzertorte.
Mein persönliches Fazit am Ende: Ich werde jetzt regelmäßiger Besucher des tollen Pfandhauses sein und mir dann aber statt Fusion lieber Old School Acustic Jazz anhören.
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