Binnenschiffer an der Wand?
Mittwoch, 11. April 2018 | Text: Tim Hildebrandt | Bild: Marc Loecke
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Christian Niemann ist erzürnt. Dass die Kaimauer im Rheinauhafen in Zukunft nicht mehr als Festmachstelle für Frachtschiffe dienen soll, das stinkt dem Binnenschiffer gewaltig. „Wir sind auch Menschen! Damit nimmt man uns ein gutes Stück Lebensqualität.“ Nachdem die Häfen Güter Köln AG (eine Gesellschaft von Stadt Köln und Stadtwerke Köln, Anm. der Red.) Anfang des Jahres nach zwei Havarien die Kaimauer für Frachtschiffe sperrte, ging der große Protest der Binnenschiffer los. Denn diese Situation wollen sich die Schiffer nicht gefallen lassen. Nicht mehr zumindest…
Die Rolle des Menschen in der Binnenschifffahrt
„Man springt mit uns schon seit Jahren um, wie man möchte“, erzählt uns Christian Niemann, der mit seinen Kollegen schon den Wegfall des Deutzer Hafens als Anlegestelle hinnehmen musste. Damals akzeptierte man die Entscheidung. Außer warmer Versprechungen habe man jedoch nichts erhalten, so der Niemann, offizieller Sprecher der protestierenden Binnenschiffer. „Seit Jahren läuft eine Hetzkampagne gegen Binnenschiffer. Das wollen und können wir nicht mehr hinnehmen. “Dabei soll die Binnenschifffahrt europaweit ausgebaut werden. Im sogenannten TEN-Abkommen haben 28 Mitgliedsstaaten Schritte vereinbart, die einen effektiveren Güterverkehr auf den europäischen Wasserwegen bringen sollen. Vor allem Engpässe sollen beseitigt und Verbindungen zwischen Land- und Wasserwegen verbessert werden. Die Infrastruktur der Häfen soll ausgebaut werden und der Mensch an sich spielt in diesen Überlegungen eine wichtige Rolle.
„Wir sind uns der Problematik bewusst“, sagt Alexis Perier, Pressesprecher für den Sektor Transport der Europäischen Kommission. „Die Mitgliedsstaaten gehen mit dieser Thematik fachkundig um. Wir nehmen diesen Tatbestand, die Schließung von Liegeplätzen, dennoch sehr ernst.“ Doch was heißt in diesem Kontext fachkundig? Führt die Schließung der Liegeplätze nicht zu einer Verschlechterung der Bedingungen, der vorhandenen Infrastruktur?
Zweierlei Maß
Die Hafen- und Güterverkehr Köln AG (HGK), die wegen der Schließung der Anlegeplätze einen regelrechten Shitstorm über sich ergehen lassen musste, ist derzeit nur die Besitzerin der Kaimauer, in drei Jahren geht sie wieder in die Hand der Stadt über, der einstigen Eigentümerin. Und dann muss diese in einem einwandfreien Zustand übergeben werden, darf keine Schäden aufweisen. „Fakt ist, dass die Kaimauer intakt und keineswegs marode ist.“ Christian Lorenz, Pressesprecher der HGK, ist empört ob der bisher fälschlichen Berichterstattung. Das Problem sei, dass „eine Installation von Festmachvorrichtungen, die Zugkräften von bis zu 300 Kilonewton stand halten, technisch nicht möglich ist.“ Denn die derzeitigen Festmachvorrichtungen seien nicht für Zugkräfte heutiger Schiffe ausgelegt.
Dem hält Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister Innenstadt, entgegen. „Es ist Unsinn, dass die Schiffe größer geworden sind. Früher haben die Schiffe als Päckchen im Hafen gelegen und haben eine ähnliche Zugkraft ausgeübt.“ Der Bürgermeister sieht den Fehler bei dem Kapitän, der für die Havarie verantwortlich war. „Die Festmachertrossen wurden bei steigendem Hochwasser nicht nachgelassen. Das übt dann einen Effekt aus, ähnlich dem eines Baggers. Kein Wunder, dass die Vorrichtungen ´rausgerissen sind.“ Ein Vorschlag von Hupke sieht die Installation von Kameras im Rheinauhafen vor, die Verantwortliche von Schäden fortan zeitnah bestimmen könnten. „Aber die Sperrung an sich ist das falsche Signal. In der Altstadt liegen doch auch Schiffe, da sind dieselben Vorrichtungen. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.“
Kosten kosten
Wo also liegt das Problem? Markus Neumann, Ingenieur beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Köln (WSA), stellt einen interessanten Punkt heraus. Durch eine weitere Unterhaltung der Mauer ohne Festmacheinrichtungen und den daraus resultierend entfallenden Trossenkräften auf eben jene wären die Unterhaltungskosten derselben viel geringer, zudem „entfallen Kosten für eine Herstellung von Festmachern nach heutigen Belastungsstandards.“ Geht es also um eine Kostenfrage, auf Kosten der Binnenschiffer? „Wir arbeiten an einer Lösung, die für alle Parteien passabel ist, und führen Gespräche mit dem WSA und der Stadt Köln“, so Christian Lorenz von der HGK. Eine Lösung sieht bisher vor, vor der Kaimauer sogenannte Dalben zu errichten, die fortan als Liegeplätze fungieren sollen. „Diese Lösung wäre für uns das Optimale“, so Christian Niemann. Der Binnenschiffer und seine Kollegen können sich mit diesem Vorschlag offensichtlich anfreunden. „Wir begrüßen diese Lösung, da sie kostengünstig ist und auch die älter werdende Mauer schont.“ Dennoch äußert er Bedenken bezüglich des Zeitraumes, in dem die Dalben installiert werden könnten. „Alles, was länger als Sommer dauert, zieht den sofortigen und massiven Protest unsererseits nach sich.“ Denn immerhin gehe es auch darum, dass die Schiffer am gesellschaftlichen Leben Kölns teilhaben können müssen, Besuch von ihren Familien erwarten und auch mal ein Kölsch trinken gehen möchten. „Die derzeitige Situation ist einer Weltstadt wie Köln, sofern sie es denn sein möchte, nicht würdig“, sagt Andreas Hupke abschließend. „Die Schifffahrt hat Köln groß gemacht. Wir dürfen unsere Wurzeln nicht vergessen.“
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