Bis an die Grenzen
Dienstag, 2. Oktober 2018 | Text: Alida Pisu | Bild: meyer originals
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Die neue Spielzeit des Comedia Theaters steht unter dem Motto „Selber-Denken“ und gleich die 1. Premiere „Values / Värde / Werte“ fordert vehement dazu heraus, ohne es dem Zuschauer allzu leicht zu machen. Denn die eindrücklichen Bilder, die Regisseur Manuel Moser mit seinen drei Darstellern Jennifer Ewert, Sibel Polat und Öğünç Kardelen erzeugt, sind vieldeutig.
Unwiderruflich verloren
Es fängt beim Bühnenbild an. Rohe Holzstämme, in denen lange Stangen stecken. Unwillkürlich drängt sich die Assoziation an die Rodung des Hambacher Forstes auf. Der Wald – hat er nicht auch einen Wert, der unwiderruflich verloren geht, wenn die Gesellschaft ihn nicht bewahrt? Da die Stämme verschiebbar sind und sie die offene Bühne, um die herum das Publikum sitzt, auch schon mal nach außen abgrenzen: könnten die Darsteller nicht auch Wächter sein, die hinter dicken Mauern ihr Territorium und ihre Werte vor den Anderen schützen wollen? Oder sind die Stämme gar kulturelle Barrieren, die aus unterschiedlichen Werten bestehen? Denn immerhin werden Werte auch in mehreren Sprachen benannt. Man weiß es nicht, es bleibt rätselhaft.
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BagatelleDie Inszenierung verliert sich aber nicht darin, die Unterschiede zwischen Menschen und ihren Werten zu betonen, sie zeigt ebenso die Möglichkeit des Gemeinschaftlichen. Etwa in dem Bild, in dem die Stangen, auf der Erde liegend einen gemeinsamen Raum bilden, in dem jeder Wert seinen Platz hat. Ab diesem Moment nimmt das Geschehen an Fahrt auf, die Werte werden munter getauscht, die Zuschauer immer wieder mit einbezogen. Insgesamt wird Sprache eher sparsam eingesetzt, ist teils unverständlich. Und das soll sie vielleicht auch sein, da Worte manchmal mehr Missverständnisse auslösen können, als dass sie Klarheit schaffen. Je weniger Sprache, desto beredter die Choreographie. Die Darsteller sind tänzerisch sehr stark, sind ebenso höchst präsent in ihren Bewegungen, mit denen sie sich abgrenzen, doch auch miteinander verschmelzen. Choreographin Julia Kraus Dybek lässt die Darsteller bis an ihre Grenzen gehen und selbige ausloten, auch die eigenen körperlichen. Auch das gehört zu einem Thema, das sich mit Grenzen auseinandersetzt.
Alles offen, auch die Richtung
So offen wie die Bühne, sind aber auch die Interpretationen der hergestellten Bilder. Das ist einerseits eine Stärke, andererseits eine Schwäche dieser Inszenierung, da sich damit auch die Frage nach der Beliebigkeit von Werten stellt. Natürlich gibt es immer wieder einen Wertewandel, ebenso natürlich werden die Einen Werteverluste beklagen, während die Anderen begrüßen, dass gesellschaftliche, politische oder kulturelle Strukturen sich verändern.
Einem Stück, das sich mit Werten auseinandersetzt, hätten mehr Richtung und ein roter Faden gut getan. So kann man oft nur raten, ob die eigene Interpretation schlüssig ist oder nicht.
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Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg – DPSG KölnUnd dennoch: das Spannende an der Inszenierung ist, dass sie viele Fragen aufwirft, offenbar ohne den Anspruch zu haben, diese beantworten zu wollen. Wie auch, wenn „Selber-Denken“ angesagt ist. Das Stück löst bei den Zuschauern sicherlich ganz unterschiedliche Eindrücke und Deutungen aus, über die angeregt diskutiert werden kann. Um auf die Assoziation zum Hambacher Forst zurückzukommen: Unabhängig davon, ob sie nun „richtig“ oder „falsch“ ist: Anfang der 80er Jahre trieb die Angst vor dem „Waldsterben“ Unzählige auf die Straße. Für die Erhaltung des Waldes und aus Protest gegen den „Sauren Regen“, für den die Industrie verantwortlich war. Nicht nur, dass sich Geschichte wiederholt, dieses Beispiel macht deutlich: es gibt Werte, die von Dauer sind und für die zu kämpfen es sich lohnt. Insofern: Nicht nur „Selber-Denken“, sondern auch für das auf die Straße gehen, was Bestand haben sollte.
„Values / Värde / Werte“ – eine Produktion von c.t.201 in Koproduktion mit Julia Kraus Dybeck/S und dem COMEDIA Theater
Die nächsten Termine: 3.10., 2., 3. und 4.12.2018
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