Bitte: Den Laden dichtmachen!
Dienstag, 6. April 2021 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold/Screenshot
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Starker Anstieg mit Corona-Ansteckungen, inzwischen deutlich mehr Jüngere betroffen, schlimmere Verläufe und mehr Langzeitfolgen: Drastisch beschrieb Karl Lauterbach die momentane Pandemie-Lage, vor allem wegen der mutierten Viren. „70 ist das neue 80“ war einer der markigsten Sprüche des Kölner SPD-Mediziners und Epidemiologen.
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Living Mindfulness – mit Achtsamkeit durchs LebenIm roten Pulli unterm Jackett saß er pünktlich ab 18h im Zoom-Meeting von „Loss mer schwaade“, live bei Facebook. Seit fast fünf Jahren gibt es dieses urkölsche Talk-Format schon, „normaaaal“ natürlich in der Kneipe mit Publikum. Aber normal ist ja gerade nicht, deshalb wie so vieles, als Zoom-Meeting. Die Idee zum „Oregenal Kölsch Talk“ hatten 2016 Express-Redakteur Markus Krücken und Sportfotograf Eduard Bopp. „Vor allem um so Kölsche Themen wie FC und Karneval geht es oft, mit verschiedensten ModeratorInnen“, erzählt Krücken am Telefon, „Aber eben auch um Politisches.“ Und, betont er, das sei was Eigenes, habe mit EXPRESS nichts zu tun, außer dass EXPRESS das Format fördere, mit Berichten oder dem Livestream.
Wie läuft eine MinisterpräsidentInennkonferenz?
Da Livestreams und Corona-Pandemie ja praktisch Zwillinge sind, ging’s im jüngsten Stream von „Loss mer schwade“ eben auch um genau das: Corona. Beziehungsweise die aktuellen Maßnahmen, das politische Handeln, die mangelnde klare Bereitschaft zum KurzAberHeftig-Lockdwon, kurzum: Das „notwendige, aber fehlende Durchgreifen“, wie Karl Lauterbach es nannte. Mit ihm in der Talk-Runde saßen Südstadtgastronom und IG-Gastro- Gründer Daniel Rabe, Express-online-Redakteur Christian Spolders, Peter Brings und Testzentrum-Betreiber Marcel Klein. Und natürlich als Moderator der Musiker JP Weber. Wie denn das genau ablaufe bei den MinisterpräsidentInnen-Konfis mit der Kanzlerin (an der u.a. Herr Lauterbach in beratender Funktion teilnehme), wollte Daniel Rabe wissen. Ob da die wirklich von den Lockdowns Betroffenen echt Thema seien, ob sich wirklich Gedanken drum gemacht werde, was dieses ewige Hin- und Her, dieses In-die-Länge-Ziehen für die vielen Menschen bedeute?
Schlingerkurs nervt
„Ich mach´mir Sorgen, finanziell wird das eng jetzt. Viele von uns tragen die Maßnahmen bislang mit, wir kriegen 90% der Fixkosten ersetzt, aber natürlich keinen Unternehmerlohn, wir zahlen jeden Monat drauf und wissen nix, dieser Schlingerkurs nervt, wo bleiben wir, ist das Thema bei den Besprechungen?“
„Ja, uns (also den Epidemiologen und Virologen, Anm. der Red.) wird schon geglaubt, aber es werden daraus nicht die Konsequenzen gezogen“ antwortet Lauterbach darauf. Und macht gleich weiter: Er wolle einen entschlossenen Lockdown, der auch die gesamte Wirtschaft betreffe, nur dann könne man die dritte Welle brechen und das gesamte Leid verkürzen. „Diejenigen, die was an der Lunge haben, Asthma, Herzfehler oder andere Vorerkrankungen, die gehen jetzt ins volle Risiko, weil sie noch nicht geimpft sind – die Zahlen steigen explosiv in den jüngeren Altersgruppen. Viele 40, 50, 60jährige, denen ist gar nicht bewusst, dass sie womöglich demnächst sehr schwer erkranken, und das nur wenige Wochen bevor sie geimpft sein könnten.“ Es sei ein Fehler gewesen, in die dritte Welle hinein Anfang März Lockerungen zu beschließen, so Lauterbach.
Ja, aber Fehler könne man doch korrigieren, entgegnet Daniel Rabe, „Wenn ich als Gastronom ´ne schlechte Suppe verkaufe, dann muss ich das korrigieren, aber die Politik macht das einfach nicht. Die machen doch nen Scheiß-Job, wenn sie da nicht jetzt mal harte Maßnahmen beschließen.“
Was soll das Gelabere?
Und dieser Meinung ist auch Peter Brings, der seinen Gefühlen freien Lauf ließ: „Ich glaube dem Herrn Lauterbach und wenn man dem glaubt, was soll dann das Rumgeeiere, Mensch, macht den Laden zu, komplett!!“ polterte er voller Emphase los. Wieso denn das so schwierig sei, er habe den Eindruck, es gehe immer nur um Geld, die voreilige Öffnung von Schulen zum Beispiel, das sei doch nicht, damit die Kinder ihre Bildung bekämen, sondern damit Mama und Papa wieder zur Arbeit könnten.
Er frage sich, was das ganze „Gelabere“ solle, er habe darauf echt keinen Bock mehr und er spreche als jemand, der als erstes habe aufhören müssen und vermutlich als letzter wieder loslegen könne. „Ich habe jetzt ein Jahr Konzerte abgesagt, aber trotzdem gearbeitet, Autokino-Konzerte gegeben, und alles nur, um wenigstens meine Leute zu bezahlen – ich hab dabei keinen Cent verdient.“ erzählt der Bandmusiker und mutmaßt: „Aber wir haben ja Wahljahr, da will man sich ja keine Stimmen verscherzen.“
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Bambule’s Chilistube – Keine Angst vor SchärfeDa übrigens nickt und grinst Karl Lauterbach gequält, und: Erzählt was aus dem Nähkästchen. Er bekomme auch aus seinem Umfeld zum Thema radikal-Lockdown gesagt, „Sag´ das nicht, lass das doch die Schwarzen vorschlagen.“ Und die sagten wahrscheinlich „Nee, lass das mal die Roten machen“. Auch das Testen werde nicht konsequent nach vorne getrieben, in vielen Betrieben werde noch ohne Masken gearbeitet – eine Testpflicht in Betrieben würde mehr bringen als die vielen Testzentren für Einzelpersonen, widerspricht er Marcel Klein. Der Mitbetreiber von coronapoint hatte zuvor von seinen Erfahrungen im Schnelltestcenter in der Innenstadt berichtet und wusste, dass die Bereitschaft vieler BürgerInnen, sich häufig testen zu lassen, drastisch ansteige. „Ja, aber das sind immer Einzelpersonen. Wenn ich ihn Schulen und Betrieben konsequent teste, kann ich die Cluster erkennen und entsprechend isolieren.“
Karl Lauterbach verabschiedetet sich nach 45 Minuten aus dem Talk, nicht ohne sich dafür zu bedanken, dass die Kölner Zivilgesellschaft sich dieser Themen so annehme und versprach, gerne erneut dabei zu sein. Die Runde diskutierte insgesamt, unterhaltsam moderiert von JP Weber, nicht allzu kontrovers, denn schließlich waren sich alle einig in ihrem dringenden Appell an die Politik: Lasst uns bittebitte den Laden nochmal komplett dichtmachen. Damit wirres dann in absehbarer Zeit auch hinter uns haben,
Ein bis zweimal im Monat gibt es „Loss mer schwade“ als Facebook-Live-Ereignis, in der nächsten Runde wird NRW-Wirtschafts- und Digitalisierung-Minister Andreas Pinkwart erwartet. Und vielleicht ist auch wieder ein Gast aus der Südstadt dabei.
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