‚Black Hole Sun‘ – Rund um den Barbarossaplatz
Mittwoch, 17. Oktober 2018 | Text: Jeannette Fentroß | Bild: Jeanette Fentroß/Hist. Archiv Stadt Köln, Peter Fischer 1955
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Der Barbarossaplatz ist in seinem heutigen Erscheinungsbild gar kein Platz, sondern ein nahezu chaotisches Zusammentreffen aus verschiedenen Verkehrsachsen. Straßenbahnen, Autoverkehr, Radfahrer und Fußgänger begegnen sich andauernd und suchen ihre Wege durch ein Gewirr an alten, neuen, ausgeführten und nicht zu Ende geplanten Straßen.
Kölns Barbarossaplatz: Leere Mitte, schwarzes Loch
Am Barbarossaplatz 1 startet an einem Freitag bei strahlendem Sonnenschein die Führung der beiden Architekten Uschi Huber und Boris Sieverts unter dem Titel ‚Schwarze Sonne Barbarossaplatz‘, das Ganze als Teil des Projektes StadtLabor. Inspiration für den Titel des Stadtrundganges, der den Blick auf Kunst im öffentlichen Raum schärfen soll, lieferte das Stück ‚Black Hole Sun‘ der amerikanischen Grunge-Band Soundgarden. Die düstere Stimmung des Songs passt zu Hubers und Sieverts Assoziation des Platzes als Paradebeispiel für die „leere Mitte einer ratlosen Gesellschaft und sie führt mitten hinein in ein schwarzes Loch, das Materie und Energie anzieht und verschlingt“. Wir sind aber nicht unterwegs auf der Schattenseite der Stadt, sondern erleben beim Spaziergang die wechselhafte Geschichte des Barbarossaplatzes mit vollendeten und gescheiterten Verkehrskonzepten.
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TorburgEhemals Kopfbahnhof
Alles beginnt am ehemaligen Kopfbahnhof der Köln-Bonner Eisenbahnlinie. Hier kamen bis in die 1980er Jahre die Personenzüge der Vorgebirgsbahn aus Brühl und Bonn an, die Fahrgäste stiegen zur Weiterfahrt im Kölner Stadtgebiet in die Wagen der Straßenbahnen um. Der frühere, quer angelegte Bahnhofsvorplatz ist heute von der Straßenführung eingenommen und dem Verkehr vorbehalten. Für Fußgänger gibt es keine Aufenthaltsfläche mehr, „man muss ständig in Bewegung sein“, erklärt Sieverts. Das Endgleis der KBE-Bahnlinie ist noch erhalten, direkt daneben verlaufen die Schienen der KVB Linie 18, die übrigens eines der höchsten Fahrgastaufkommen im Streckennetz transportiert. Das zwölfstöckige Hochhaus mit Schwalbenschwanzdach von Ernst Nolte gehört heute der Sparkasse KölnBonn. Davor steht die rote, kinetische Skulptur ‚Steel-Watercolor-Triangle-Ring‘ des amerikanischen Bildhauers Fletcher Benton aus dem Jahr 1993, ein kleineres Pendant befindet sich versteckt im Hof des Gebäudes. 2014 wurde die große Skulptur für mehr als 10 000 Euro mit beträchtlichem Aufwand in 100 Stunden Restaurierungsarbeit von Aufklebern und anderen Verunreinigungen befreit.
Mitten auf der Straße halten wir an, als der Autoverkehr in einer Ampelrotphase ganz kurz zur Ruhe kommt. Wir stehen genau am eigentliche Barbarossaplatz, der allerdings nur noch auf alten Aufnahmen zu erkennen ist. Jetzt kreuzen sich an dieser Stelle Straßen-, Fuß- und Radwege, wo einst eine kreisrunde Grünfläche Platz zum Verweilen bot und sogar ein Springbrunnen stand.
Autogerechte Brachen, Autohändler, Autostraßen
Entlang der Luxemburger Straße führt uns der Weg an Brachflächen vorbei, die seit Jahren als Stellplätze von Autohändlern genutzt werden, zum Areal rund um den Eifelwall. Auf den alten Plänen ist erkennbar, dass viele dieser Flächen als Teile möglicher, neuer Verkehrsachsen bewusst unbebaut blieben. Der Masterplan ‚Neues Köln‘ von 1948 sieht bereits Ansätze zur Umgestaltung des Viertels mit einem rein autogerechten Straßennetz vor. So wurde beispielsweise die Neue Weyerstraße neben der ursprünglichen Weyerstraße eingezogen, um den Verkehrsstrom mehrspurig vom Rheinufer auf die Luxemburger Straße und auch zurück in umgekehrte Richtung zu lenken. Autos sollten schnell in die Stadt gelangen, aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar, wünschen wir uns doch aktuell mehr Raum für Fahrräder und Fußgänger. „Die Schadstoffbelastung der Kölner Stadtluft an dieser Stelle dürfte eine der höchsten in Deutschland sein“, vermutet Stadtführer Sieverts.
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Lund Languages – ein Ostfriese in der SüdstadtGegenüber der Haltestelle Barbarossaplatz der KVB-Linie 16 betrachten wir mit der Stahlskulptur des Schweizer Bildhauers Paul Suter ein weiteres Kunstobjekt im öffentlichen Raum. Sein monumentaler ‚Attila‘ entstand 1976/77. Die Raumkonstruktionen vereint Bewegung und Kraft zu einem stählernen Objekt. Nicht so recht dazu passen wollen die vielen Stacheln zur Taubenabwehr auf allen waagerechten Elementen der Skulptur.
Zwischen den Hauptachsen des Salierrings und der Bundesstraßen 55 und 265 eingeschlossen liegen die kleinen Wohnstraßen des Pantaleonsviertels. Straßen ohne Namen führen in Hinterhöfe mit Garagen oder enden als Sackgasse an den großen Verkehrswegen. Wir statten der Sozialistische Selbsthilfe Köln am Salierring einen Besuch ab. Dort erfahren wir einiges aus der interessanten und bewegten Geschichte der Initiative sowie der beiden Gebäude des SSK.
„Barbarossaplatz“ im TV: Nur Pilot
Zurück am Barbarossaplatz stehen wir vor dem zweiten Hochhaus am Platz, das jetzt von einer Kölner Supermarktkette unterhalten wird. Im Laden finden wir über dem Süßwarenregal alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Platzes aus den 1950er Jahren. Vom Dach des Parkhauses aus kann man die Vielschichtigkeit des Verkehrsnetzes aus der Vogelperspektive betrachten. Noch höher hinaus führt uns zum Abschluss der insgesamt viereinhalbstündigen Tour der Weg zum am Barbarossaplatz 7 nahe der Kyffhäuser Straße. In einer Praxis im obersten Stockwerk präsentieren Uschi Huber und Boris Sieverts Grundlagen ihrer Recherchen zum Projekt ‚Schwarze Sonne Barbarossaplatz‘ im Rahmen des StadtLabors: alte Stadtpläne von Köln, Fotos, die Geschichte der Köln-Bonner Eisenbahn, historische Sammlungen der KVB und den WDR-Pilotfilm für eine geplante Fernsehserie „Über Barbarossaplatz“.
Aufwertung für Plätze und Parks in der Innenstadt
StadtLabor ist ein von der Stadt Köln initiiertes und gefördertes Projekt für Kunst im öffentlichen Raum. Die Führung ‚Schwarze Sonne Barbarossaplatz‘ ist eine Wiederaufnahme aus dem Programm des Stadtlabor 2017. Mit ihrer Initiative Stadtoasen haben sich Uschi Huber und Boris Sieverts der Aufwertung innerstädtischer Parks und Plätze angenommen, mit dem Fokus auf das mittelalterliche, linksrheinische Köln. Der Barbarossaplatz ist aus Sicht der beiden Architekten zu einer reinen Verkehrsflächen zwischen Fahrspuren und Bahngleisen verkommen. Mehr Infos zum Projekt gibt es auf der Homepage von Stadtlabor, einer vom Kölner Kulturamt geförderten Aktionsreihe.
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Kommentare
Der Barbarossaplatz ist einer der fleißigsten, robustesten auf seine Art lebendigsten Plätze der Republik. Ihm vorzuwerfen, dass er gar kein Platz ist und dass er wegen des ganzen Verkehrs eher unelegant aussieht, ist wenig originell.
Verrückterweise ist der Barbarossaplatz seit vielen Jahren gerade bei jungen Leuten Kult. Wohl gerade auch aufgrund seiner nahezu urwüchsigen, urbanen Potenz. Dazu kommt natürlich die Nachbarschaft zum Kwartier Lateng. Was schöner werden könnte ist tatsächlich die direkte Umgebung, hier wäre es gut, die eine oder andere Ruheinsel bzw- -Ader zu inszenieren. Schönere Häuser drumherum wären auch toll – aber scheinbar schwer zu beeinflussen.
Zur Zeit betet man ja fast dafür, dass keine markante Kölner Bausünde mehr gegen geschmackvoll, gesichtlose Investorenklötze ausgetauscht werden, wie gerade am Rudolfplatz. Wo ganz diskret nebenbei einer der schönsten 50er-Jahre Konzert-/Kinosäle mit abgerissen wird.