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Politik Verkehr

Brötchen holen mit dem Auto? Geht’s noch? – Der Kommentar

Dienstag, 5. September 2017 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Angefangen hat der Quatsch bei uns vor der Haustür. Und jetzt soll die ganze Stadt darunter leiden. Es geht um die Brötchentaste. Die gibt es seit über zehn Jahren auf der Severinstraße. Dort kann man, wenn man am Parkscheinautomaten den entsprechenden Schein zieht, 15 Minuten kostenlos parken. Und das wird von den Kunden auf der Vringsstroß intensiv genutzt. Die Verwaltung hat an zwei Tagen gezählt. „Auf der Severinstraße zeigt sich demnach ein Nachfragepotential von bis zu 404 Blankoparkscheinen“ pro Werktag, lautet das Ergebnis. „Damit stellt sich ein hohes Nutzungspotenzial dar“, schließt Verkehrsdezernentin Andrea Blohme und hat eine Verwaltungsvorlage auf die Tagesordnungen der Bezirksvertretungen für deren September-Sitzungen setzen lassen. Die Stadtteilpolitiker sollen die Einführung der Brötchentaste auf vielen Abschnitten von Einkaufsstraßen stadtweit beschließen: Die Lindenthaler für die Dürener und Aachener Straße, die Ehrenfelder für die Venloer Straße, die Nippeser für die Niehler und Neusser Straße, die Kalker für die Kalker Hauptstraße und die Mülheimer für die Dellbrücker Hauptstraße. Um nur einige zu nennen.

Vier Kriterien müssen erfüllt sein

Die Verwaltung hat vier Kriterien für die Einführung der Brötchentaste aufgestellt. Die in Frage kommenden Straßen dienen nicht ausschließlich zur Versorgung der Menschen, die dort wohnen. Der Anteil der Geschäfte des täglichen Bedarfs muss in dem Straßenabschnitt mindestens 30 Prozent betragen. Zu diesen Geschäften zählt man Bäckereien, Metzgereien, Blumengeschäfte, Kioske, Apotheken und Tabakwarengeschäfte. Die Brötchentaste darf es nicht geben, wenn die Stellplätze als Bewohnerparkplätze ausgewiesen sind. Und zum Schluss: Die Taste ist nur erlaubt für Parkplätze, die unmittelbar am Fahrbahnrand vor den Geschäften liegen oder maximal durch einen Grünstreifen von den Geschäften getrennt sind. 131 Parkscheinautomaten überall im Stadtgebiet werden umgerüstet. Das soll 31.000 Euro kosten.

Was ist das für ein Signal?

Ungeachtet der vergleichsweise geringen Kosten stellt sich die Frage: Was ist denn das für ein Signal? Nicht genug, dass diese Stadt seit Jahren verlässlich daran scheitert, das Radfahren für die Bürger sicherer und komfortabler zu machen. Nicht genug, dass wir in Köln meilenweit davon entfernt sind, den angestrebten Drittelmix im Verkehr zu erreichen – ein Drittel Auto, ein Drittel öffentlicher Verkehr, ein Drittel Rad und Fußgänger. Jetzt lautet die Einladung der Stadt an die Autofahrer: Kommt mit dem Auto, wenn ihr ein Brötchen, eine Schachtel Zigaretten oder einen Strauß Nelken kaufen wollt. Hier parkt ihr umsonst. Und die Autofahrer werden kommen: „Ach, ich brauche noch eine Schachtel Aspirin, weil mir wegen der schlechten Luft in der Stadt der Kopf brummt. Fahr ich doch eben zur Apotheke an der Severinstraße. Da kann ich sogar umsonst parken.“

 

15 Minuten frei Parken – grüne taste drücken!

Das alles ist so unfassbar 70er, dass einem die feinstaubbelastete Luft wegbleibt. Gerade der Klassiker „Mit dem Auto Brötchen holen“ hat denen, die den Autoverkehr in den Vierteln reduzieren wollten, immer Argumente geliefert. Brötchen holt man zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Und jetzt soll ausgerechnet eine „Brötchentaste“ eingeführt werden.  Mein Appell geht an alle Bezirksvertretungen: Tut Köln das nicht an!

Autofreie Severinstraße an Samstagen

Asche auf mein Haupt, aber ich bin vor einigen Tagen mit dem Auto über die Severinstraße gefahren. Fazit: Ich hatte das Gefühl, das Auto gehört da nicht hin. Es ist völlig deplatziert in dem Gewusel von Fußgängern auf der Straße und Radfahrern, die in beiden Richtungen unterwegs sind. Statt Brötchentasten sollten die Bezirksvertretungen stadtweit Einkaufsstraßen in Fußgängerzonen umwandeln.

 

Testweise für zwei Samstage im Monat. Vorbilder gibt es: Es muss ja nicht alles schlecht sein, nur weil es aus Bayern kommt. Was Stadt- und Verkehrsplanung angeht, ist München Köln weit voraus. In der bayerischen Metropole hat man trotz unverhohlener Skepsis der Geschäftsleute die Sendlinger Straße für ein paar Monate zur Fußgängerzone erklärt. Mein Lieblingsbeispiel, denn am Ende der Testphase wartete auf die Stadtverwaltung eine faustdicke Überraschung: Die größten Anhänger der Fußgängerzone waren die Geschäftsleute. Worauf wartet die Bezirksvertretung Innenstadt noch? Mit der Severinstraße kann man jederzeit den Anfang machen.
 

Text: Stefan Rahmann

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