Campus Kartause wird grüner, den Kritikern aber nicht grün genug
Donnerstag, 2. Juli 2020 | Text: Susanne Wächter | Bild: Susanne Wächter/Kraemer Architekten
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Auch wenn Architekt Kaspar Kraemer nachgebessert hat, die meisten Bäume, die zur Zeit noch das Gelände der evangelischen Familienbildungsstätte beschatten, werden dem neuen Gebäudekomplex – dem Campus Kartause – weichen müssen. Ein Beispiel von vielen, das zeigt, dass Architekten „wenig kreativ“ mit Bestandsgrün umgehen. Dabei könnte das gut funktionieren. Auch am Campus Kartause, wie Kai Matzak sagt. Der Anwohner und Mitbebründer der Bürgerinitiative „die Kartäuser“ ist ebenfalls Architekt. „Ich habe da mal ein bisschen gescribbelt, wie das Gebäude entstehen und möglichst viele Bäume erhalten werden können“, sagt Matzak, der findet, dass etwa der Zweitplatzierte aus dem damaligen Architektenwettbewerb das Bestandsgrün besser berücksichtigt hätte. „Es geht, einen Neubau mit vorhandem Baumbestand zu planen, es ist halt anstrengender“, meint Matzak.
Wie dem auch sei, für viele Bäume und somit auch denen auf dem Gelände der evangelischen Kirche scheint es zu spät. Ein guter Ort sei das, findet Helmut Röscheisen vom Vorstand der Kölner Kreisgruppe des BUND, um auf das Konzept zum Schutz der Bäume aufmerksam zu machen. Das sieht nämlich vor, Stadtbäume künftig besser zu schützen. Dazu hat der BUND Forderungen formuliert, zu denen nicht nur die Politik Stellung beziehen soll, sondern auch die Verwaltung. Denn es bliebe bisher nur wenig Spielraum die Beseitigung der Bäume zu verhindern,so Röscheisen.
Wie viele Bäume in den letzten Jahren gefällt wurden, legal oder illegal, weiß eigentlich niemand so genau bei der Stadt. Noch immer fehlt die schon lange geforderte lückenlose Statistik, wo Bäume entnommen wurden. „Die Stadt soll ab 2021 eine jährlich fortzuführende Statistik über die Zahl der gefällten und nach der Baumschutzsatzung geschützten Bäume veröffentlichen“, fährt Röscheisen weiter fort. Alles andere stehe konträr zum vor gut einem Jahr ausgerufenen Klimanotstand, der genau am 9. Juli 2019 von Oberbürgermeisterin Henriette Reker ausgerufen wurde.
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Thai Gourmet am Ubierring – Köstlichkeiten aus Vietnam und ThailandWas das Bauvorhaben der evangelischen Kirche für Südstadt bedeuten wird, erklärt Matzak anhand der letzten beiden heißen Sommer. „Und auch in diesem Jahr haben wir hohe Temperaturen und viel Sonne. Der Innenhof des Neubaus, der komplett versiegelt sein wird, wird sich aufheizen, dann haben wir hier statt eine Frischluftschneise, eine weitere Hitzeinsel.“ 1000 Unterstützer zählt ihre Petition, die sie für eine Umplanung gesammelt haben. Und es sollen noch mehr werden. Unterzeichnen kann jeder in der Porzellanwerkstatt von Eberhard Schulz.
Was genau die Evangelische Kirche an dieser Stelle vorhat, wurde am Abend vor unserem Treffen mit den Kritikern vorgestellt. Premiere für Köln. Erstmals wurde die Öffentlichkeit bei einem Bebauungsplanverfahren online beteiligt. Und so saßen also Bezirksbürgermeister Andreas Hupke, Eva Herr und Lena Zlonitzky vom Stadtplanungsamt, Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger und der Architekt Kaspar Kraemer auf einem virtuellen Podium im Technischen Rathaus und beanworteten die Fragen der Bürger, die diese per Chat nach Deutz sendeten. Die evangelische Kirche hat große Pläne. Für nicht weniger als 44 Millionen Euro soll das Gelände am Kartäuserwall neu bebaut werden, auf dem aktuell die Melanchthon-Akademie und die Familienbildungsstätte untergebracht sind. Das Vorhaben trägt den Titel „Campus Kartause“ und wird am Ende die Bildungseinrichtungen des Evangelischen Kirchenverband Köln und Region unter einem Dach vereinen.
Das sind die Melanchthon-Akademie, die Familienbildungsstätte, das Jugendpfarramt, das Schulreferat und das Pfarramt für Berufskollegs. Sie werden in einem neuen Gebäude untergebracht, das gegenüber vom aktuellen Akademiehaus liegt. In zwei weiteren Neubauten werden 30 Studierendenwohnungen für 42 Personen, eine diakonisch betreute Wohngruppe und eine evangelische Kommunität einziehen. Acht Personen werden dort in Appartments in einer klosterähnlichen Gemeinschaft leben. Darüber hinaus sind zehn öffentlich und frei finanzierte Wohnungen geplant. Auch ein Café soll es geben. Am Ende wird auf dem 6000 Quadratmeter großen Grundstück eine u-förmige Blockrandbebauung stehen, die sich zum Kartäuserwall öffnet. Mit dem Bau wird man 2023 beginnen, 2026 soll alles fertig sein. Für die Realisierung ist eine Änderung des derzeit dort geltenden Bebauungsplans Voraussetzung. Deshalb wurde jetzt die Öffentlichkeit beteiligt.
Dr. Seiger stellte das Projekt in einem größeren Kontext vor: „Bildung zu betreiben, war immer eine Kernaufgabe der Kirche. Bildung wird auch künftig der wesentliche Schlüssel sein, um sich in einer ständig wandelnden und schnell wandelnden Welt orientieren und zurecht finden zu können.Wir schaffen die räumlichen Möglichkeiten für eine langfristig angelegte Bildungsarbeit auf hohem Niveau.“ Im Moment sind die Bildungseinrichtungen in einem nicht barrierefreien Gebäude aus den 60er Jahren untergebracht. „Das ist nicht zeitgemäß“, so der Stadtsuperintendent. „Wir bauen auch einen Veranstaltungssaal für 140 Personen, der für Vorträge und Diskussionen genutzt und auch der Öffentlichkeit zu angemessenen Konditionen zur Verfügung gestellt wird. Etwa für größere Versammlungen. Demokratie braucht Räume.“ Man wolle ein gelungenes soziales Projekt schaffen, dass sich gut in die Nachbarschaft einfüge.
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Mainzer Hof – Traditionskneipe für Jung & AltKaspar Kraemer hat mit seinem Architekturbüro den Wettbewerb gewonnen, den der Kirchenverband für den Neubau ausgelobt hatte. Den Siegerentwurf hat Kraemer in den vergangenen Monaten überarbeitet. Zunächst wird das „Haus der Bildung“ vom Kartäuserwall aus gesehen auf der rechten Seite gebaut. Nachdem das bezogen wurde, reißt man die bestehenden Gebäude gegenüber ab, um Platz für die weiteren Neubauten zu schaffen, in denen Wohnungen entstehen. Vom Kartäuserwall aus links steht ab 2026 das Studierendenwohnhaus, das über einen Campanile auffällig erschlossen wird. Anders als ursprünglich gedacht, wird er jetzt doch nicht Aussichtsturm für alle.
„Wir haben einen Einleitungsraum vom Kartäuserwall, der sich von der Gastgronomie begleitet verengt und sich öffnet zu dem 24 mal 24 Meter großen Platz.“ Der Platz wird von Arkadengängen gesäumt. Alle Gebäude werden über diesen Platz erschlossen. Nachbarn hatten den ersten Entwurf wegen fehlender Grünflächen kritisiert. Daran hat Kraemer gearbeitet. „Wir haben den Platz sehr stark begrünt“, sagte der Architekt. „Wir werden alle 37 Bäume, die gefällt werden müssen, ersetzen.“ Im Innenhof wird ein Brunnen stehen, der von zwölf Bäumen umstellt wird. Dort wird man sitzen können. „Der Innenraum ist ein urbaner öffentlicher Raum, der für das Publikum nutzbar ist“, so Kraemer. Das gesamte Gebiet ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Man wird vom Kartäuserwall zu Fuß auf die Kartäusergasse gehen können. Alle Dächer und einige Fassaden werden intensiv begrünt. Stadtsuperintendent Dr. Seiger wandte sich an die Kritiker: „Wir wissen, dass dieses Projekt in Teilen der Nachbarschaft auch Kritik und Widerstand erfahren hat und haben deshalb den direkten Dialog gesucht und geführt.“ Bei den Bürgern, so scheint es, besteht weiterer Gesprächsbedarf.
Stefan Rahmann hat Susannes Text um die Passagen aus der Bürgerbeteiligung ergänzt.
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