Car-Sharing ist gefragt wie nie
Mittwoch, 28. Juni 2017 | Text: Stefan Rahmann | Bild: kaboompics/pixabay
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Sülz und Klettenberg sind das Eldorado der Car-Sharing-Branche. Dort hat Cambio seine Kunden befragt. Das Ergebnis lässt sicher manchen vor Überraschung mit den Augen rollen. Ein Car-Sharing-Auto hat dort im Durchschnitt 18 vorher privat genutzte Autos ersetzt. „Das ist natürlich nicht repräsentativ“, beeilt sich Tanya Bullmann de Carvalho dos Santos, die Leiterin von Marketing und Vertrieb bei Cambio, der Phantasie der Zuhörer Grenzen zu setzen. Wäre ihr Unternehmen überall so effektiv, könnte die meisten Südstadt-Parkplätze in außengastronomische Erlebniswelten umgewandelt werden.
Am Stadtrand könne man nicht im Traum an Zahlen wie in Sülz und Klettenberg denken. Bullmann de Carvalho dos Santos eröffnete mit ihrem Statement das alljährliche Presse-Gespräch des Amtes für Straßen und Verkehrstechnik zum Thema Car-Sharing. Der Einladung gefolgt waren auch Aurika von Naumann von „Drive Now“ und Vera Pfister, die vor „car2go“, Letzteres ein Car-Sharing-Unternehmen von Daimler Benz und Europcar. Zu „Drive Now“ haben sich BMW und der Autovermieter Sixt zusammengefunden. Ebenfalls gekommen war Nils Roßmeisl von „Drivy“, der ein komplett anderes Vermietungskonzept als das der anderen vorstellte. Was alle Vertreter der Auto-Teilen-Unternehmen eint, ist das solide Wachstum ihres Marktes.
Ein Vierteljahrhundert Leih-Auto
Cambio wird in diesen Tagen 25 Jahre alt. 1992 startete die Unternehmung mit einigen Autos an sieben Stationen als „stattauto Köln“ für eine lebenswertere Stadt mit mehr Platz für Menschen“.
Niemand hätte damals geahnt, dass 25 Jahre später in Köln und Hürth 18.350 Kunden, 500 Fahrzeuge und 90 Stationen zu zählen sind, an denen die Kunden ihre Autos abholen können. Cambio besitzt 20 E-Fahrzeuge und neun E-Stationen. Seit Juni 2016 ist die Kundenzahl um elf Prozent gestiegen. Elf neue Stationen wurden seitdem eröffnet, davon vier E-Stationen. 37 Prozent der Kunden mieten ihr Auto weniger als drei Stunden und legen dabei im Durchschnitt 19 Kilometer zurück. 63 Prozent mieten länger als drei Stunden. Sie legen durchschnittlich 93 Kilometer zurück. Alle zusammen fahren im Durchschnitt 23 Kilometer und nutzen ihr Auto vier Stunden.
Wie nutzen die Menschen cambio?
Sie fahren an Orte, die mit Bus und Bahn schlecht erreichbar sind. Die Baggerseen im Erftkreis und Ikea in Godorf zum Beispiel. „Kürzere Fahrten innerhalb der Stadt oder in die nähere Umgebung werden immer häufiger mit einem E-Auto zurückgelegt“, hat Bullmann de Carvalho dos Santos festgestellt. Und noch eine Zahl, die interessant ist: 78 Prozent der Cambio-Kunden in Köln besitzen kein eigenes Auto. Bundesweit sind das 50 Prozent. Das Unternehmen ist als Mobilitätspartner der Stadt auch beteiligt an dem EU-Projekt „GrowSmarter“.
Foto: Nikolai Wolff / cambio
Gemeinsam mit der Stadtverwaltung und den KVB werden sogenannte Mobilstationen eingerichtet, an denen die Anbieter vernetzt werden. Das heißt, an zentral gelegenen Umsteige-Haltestellen der KVB soll der Kunde Cambio-Autos und Fahrräder der KVB vorfinden, mit denen er sich weiter bewegt. Das Projekt steht noch am Anfang. Eine erste Mobilitätsstation entsteht gerade in Mülheim. „Solche Stationen sind für uns ideal, weil wir dort unsere E-Autos aufladen können.“ Klaus Harzendorf, Leiter des Amtes für Straßen und Verkehrstechnik, signalisierte Unterstützung: „Wir möchten, dass die Leute den Verbund nutzen. Car-Sharing rundet hier ein Angebot ab.“ Aurika von Naumann von „Drive Now“ berichtete von dem „Hand-Shake-Projekt“. Über eine App kann man den Ort und die Ankunftszeit eingeben, wenn man ein Auto gemietet hat. Andere Kunden haben Einblick in die Daten und können das Auto reservieren. Für den Mieter entfällt die Suche nach einem Parkplatz. „Das ist sehr praktisch gerade in hoch verdichteten Innenstädten etwa in Bahnhofsnähe“, sagte von Naumann.
Wachstumszone Rheinland
In Köln und Umgebung hat „Drive Now“ 82.000 Kunden, 20 Prozent mehr als 2016. Vera Pfister von „Car2Go“ erzählte, dass ihr Unternehmen 100.000 Kunden im Rheinland 650 Autos zur Verfügung stellt, die damit im vergangenen Jahr 26 Millionen Kilometer zurückgelegt haben. Nach einer Studie des Daimler-Konzerns ersetzt ein Car-Sharing-Auto acht andere, „vor allem ältere, was wiederum zu Einsparungen bei den Schadtstoff-Emissionen führt“. Das Rheinland ist bei „Drive Now“ das Gebiet mit den zweithöchsten Wachstumsraten weltweit.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt „Drivy“: „Wir wissen, dass 93 Prozent aller Autos im Durchschnitt 93 Prozent ihres Lebens parkend verbringen. Das wollen wir ändern.“ „Drivy“ hat eine Plattform eingerichtet, auf der Privatpersonen ihr Auto an andere Privatpersonen vermieten können. Angemeldet sind deutschlandweit 170.000 Nutzer. 6000 Autos werden angeboten. 35.000 Vermietungen wurden im vergangenen Jahr gezählt. In Köln stehen 170 Autos zur Verfügung. „Donnerstag bis Sonntag sind bei uns starke Zeiten“, berichtete Nils Roßmeisl: „Die Leute wollen am Wochenende raus aus der Stadt.“ 500 Nutzer sind im Schnitt auf der Plattform eingeloggt.
Die durchschnittliche Distanz, die Mieter zurücklegen, beträgt 323 Kilometer. Und für die Vermieter ist der Deal auch nicht schlecht, weiß Roßmeisl: „Die verdienen mit der Vermietung pro Jahr im Durchschnitt 770 Euro. Damit ist ein großer Teil der Steuern und Versicherungen bezahlt.“
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