Chronologie eines dubiosen Geschäfts
Mittwoch, 30. März 2011 | Text: Gastbeitrag | Bild: Dirk Gebhardt
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Seitdem die Staatsanwaltschaft Wuppertal wegen Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung ermittelt und die Zahl 88 Millionen im Raum steht, bewegt die Südstadt ein Thema: der Deal um die Brache rechts und links der Alteburger Straße, zwischen Bahndamm und Schönhauser Straße. Beim Kauf der Flächen durch das Land NRW nahmen Steuergelder ihren Weg in die Taschen gewiefter Kölner Bauunternehmer. „Meine Südstadt“ hat recherchiert, wie genau das Geschäft vor sich ging und wie die Fläche zu einem der größten Millionengräber Kölns werden konnte.
Der Skandal nahm seinen Anfang im Jahr 2008. Im Dezember läutete eine Entscheidung eine wahre Baueuphorie für den Kölner Süden ein. Das Ingenieurwissenschaftliche Zentrum (IWZ) der Fachhochschule Köln in Deutz war als sanierungsbedürftig eingestuft worden. Für den Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes NRW (BLB), dem das IWZ gehört, war die Sache ziemlich schnell klar: ein Neubau muss her. Das, so ließ der BLB unter dem damaligen Geschäftsführer Ferdinand Tiggemann Anfang Dezember verlauten, sei die kostengünstigere und für den laufenden Lehrbetrieb in Deutz angenehmere Lösung, so das Fazit eines Gutachtens.
Sehr zufällig bot sich gerade zu diesem Zeitpunkt eine einmalige Chance im Kölner Süden. Dort war nach dem Abriss der Dombrauerei und einem gescheiterten Wohnbauprojekt eine Brache entstanden, die offenbar genügend Raum für ein neues IWZ bieten konnte. 300 Millionen Euro, so verkündete der damalige NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) Anfang Dezember 2008 gemeinsam mit Finanzminister Helmut Linssen (CDU), stelle sein Ministerium im Rahmen der Hochschulmodernisierungsoffensive zur Verfügung. Gewollt sei ein Neubau im Kölner Süden. FH-Präsident Joachim Metzner vertrat diesselbe Meinung. Auch der damalige Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) und zahlreiche Lokalpolitiker quer durch alle Parteien sprangen ins Boot in Richtung Campus-Lösung: Das IWZ solle sich unweit des geisteswissenschaftlichen Teils der FH, am Ubierring beheimatet, niederlassen. Die Fachhochschule, im Kölner Süden vereint.
Wohlgemerkt: Das NRW-Finanzministerium, dem der BLB untersteht, und das NRW-Wissenschaftsministerium als Auftraggeber sprachen sich zwar für einen Neubau aus. Eine vernünftige Entscheidungsgrundlage aber stand noch aus. Es fehlte ein detailliertes Sanierungsgutachten für das Deutzer IWZ, das Sanierungskosten und -modalitäten genau festlegt. Auch war noch nicht ermittelt, ob eine Sanierung nicht vielleicht doch die wirtschaftlichere Lösung ist. Dieses Gutachten wurde erst viel später, im Dezember 2010 in Auftrag gegeben.
Doch Ende 2008 hatte der BLB bereits seit dem Sommer munter begonnen, Grundstücke entlang der Alteburger und Koblenzer Straße für den Neubau zu besorgen – bis 2010 für insgesamt 88,595 Millionen Euro. Allerdings tat der NRW-Baubetrieb das nicht direkt, sondern über Zwischenhändler. Haus um Haus, Fläche um Fläche gingen zunächst an die Firmen Tertianus, Animus und Gambrinus. Diese drei Firmen wiederum waren Tochterfirmen des Kölner Bauunternehmens Bauwens.
Geschäftsführer der Bauwens-Gruppe sind unter anderem Patrick Adenauer und Paul Bauwens-Adenauer. Letzterer ist auch Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer Köln. Er ist außerdem einer der Unternehmer, die der Stadt Köln die Erarbeitung des Masterplans durch Albert Speer geschenkt haben, in dem wiederum der Umzug der FH in den Kölner Süden thematisiert wird.
Interessanterweise kam bei der vierten und letzten Werkstattsitzung zum Masterplan im November 2008 das Thema FH-Umzug auf. Am 28.11.2008 überreichten die Unternehmer um Bauwens-Adenauer OB Schramma den gedruckten Masterplan. Darin steht auf Seite 86 der stadtentwicklerischen Handlungsanleitung zu lesen, dass ein IWZ-Neubau im Kölner Süden zur Vernetzung und Identitätserzeugung der FH beitragen könne, mit der städtebaulichen Idee eines Wissenschaftsgrüngürtels zwischen Uni über Großmarktgelände bis zum Rhein grundsätzlich vereinbar sei, aber letztlich noch überprüft werden müsse.
Zu diesem Zeitpunkt hatten die Zwischenhändler einen Großteil der Grundstücke bereits gekauft. Nachdem und während die Öffentlichkeit auf den Umzug eingestellt worden war, wurden die Flächen und Gebäude nach und nach an den BLB weiterverkauft teilweise saniert, teilweise zusammengelegt, aber immer mit kräftigen Aufschlägen und mit ansehnlichen Gewinnmargen.
Im Vorfeld der Grundstücksaufkäufe im Kölner Süden habe sich BLB-Chef Tiggemann, so berichtete eine Ex-Mitarbeiterin des BLB kürzlich im WDR-Fernsehen, mit Paul Bauwens-Adenauer in einem Golfclub mehrfach zum Geschäftemachen getroffen: Irgendwann hieß es dann: Wir bauen die FH auf dem Gelände der Domhöfe.
Erster und dickster Deal der mutmaßlichen Sportfreunde also: Der Weiterverkauf des ehemaligen Dombrauereigeländes. Kaufpreis für die Bauwens-Tochter Gambrinus im Juli 2008 : 23.038.503 Euro, Weiterverkaufspreis an den BLB im April 2009: 33.400.000 Euro. Macht eine Differenz von gut 10 Millionen Euro, von denen nach Bodensanierungsarbeiten und Steuerabzügen noch mindestens 4,4 Millionen Euro Gewinn für Bauwens übrigblieben.
Wo mal die Dombrauerei stand, liegt jetzt eine Brache mit ungewisser Zukunft
Das Wohn- und Geschäftshaus Alteburger Straße 144/46, in dem einst der Tiernahrungshersteller Royal Canin residierte, wechselte samt zugehörigem Grundstück Anfang Dezember 2008 für 5,5 Millionen den Besitzer. Das Land kaufte den Komplex knapp zwei Wochen später für 7,28 Millionen Differenz: 1,78 Millionen.
Ein Pharmaunternehmen verkaufte sein Grundstück mit Hauptsitz samt Produktions- und Lagerhallen am 13.3.2009 für 10 Millionen an Tertianus. Bereits vier Tage vorher hatte die Bauwens-Tochter ein bindendes Angebot an den BLB gemacht, in dem die spätere Weiterverkaufssumme schon festgelegt war: 12,5 Millionen. Aufschlag hier: 2,5 Millionen, 25% .
Mit ähnlich interessanter Wertsteigerung verkaufte Gambrinus im Januar 2010 die Gebäude und das Grundstück eines früheren Kunststoffherstellers an der Koblenzer Straße für 3,08 Millionen ans Land. Erworben hatte Gambrinus das Objekt 2008 für gerade mal 2,5 Millionen.
Auf- und weiterverkauft wurden unter anderem Grundstücke der Deutschen Bahn, die entlang des Bahndamms liegen. Dazu zählen das Grundstück, auf dem seit 1945 der Entsorgungsbetrieb Müllenmeister&Schwerfel Pächter ist und der Biergarten Alteburg, der auf der gegenüberliegenden Seite der Alteburger Straße liegt.
Auch die Südstadt-Kirchengemeinde Sankt Severin war in das Verkaufskarussell involviert. Für ihr Grundstück an der Koblenzer Straße 13, ein ehemaliges Stiftungsgeschenk, hatte sie noch 2007 große Pläne gehabt. Gemeinsam mit einem Investor wollte Sankt Severin dort ein Studentenwohnheim bauen. Doch die Stadt blockierte. Als dann das Kaufangebot durch Bauwens kam, waren wir ganz froh, dass wir das Gelände verkaufen konnten, so Rechtsanwalt Stefan Gazecki vom Liegenschaftsausschuss der katholischen Gemeinde. Von einem Weiterverkauf ans Land wussten wir nichts. Uns wurde bei den Verhandlungen nur mitgeteilt, dass das Gelände entwickelt werde.
Der Verkaufspreis an die Firmen Gambrinus und Animus insgesamt 6,22 Millionen sei für die Fläche durchaus angemessen gewesen. Deshalb ärgere man sich bei der Gemeinde auch nicht darüber, dass nicht das Land selbst als Käufer aufgetreten sei. Weiterverkauft wurden die Gründstücke für 7.213.000 Euro an den BLB mit einem Aufschlag von einer knappen Million. Heute bangen dort zwei Handwerksbetriebe um ihre Zukunft, weil sie nicht wissen, ob ihre Pachtverträge unter dem neuen Besitzer Land NRW verlängert werden.
Lediglich der Deal um das Gelände der ehemaligen Dombrauerei wurde zunächst öffentlich. Als die Kaufdifferenz bekannt wurde, wehrte Paul Bauwens-Adenauer im Mai 2009 im Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger allerdings jeden Vorwurf schnell ab: Er sei schließlich kein Gutmensch, die Marge sei branchenüblich, und die Vorgehensweise, dass ein Vorkäufer Grundstücke im Auftrag des Landes erwerbe, sei durchaus normal: Wenn bekannt geworden wäre, dass das Land NRW die Grundstücke kaufen will, hätte es zu drastischen Preissteigerungen kommen können. Das Land habe da wohl seine Erfahrungen gemacht, so Bauwens-Adenauer.
Dass dieses Vorgehen normal ist, mag man vielleicht in Köln so sehen. In Rheinland-Pfalz findet man es jedenfalls nicht selbstverständlich. Wir treten eigentlich immer selbst als Käufer auf, ohne Zwischenhändler, sagt Markus Ramp gegenüber „Meine Südstadt“. Er ist Sprecher des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung Rheinland-Pfalz, einer mit dem nordrhein-westfälischen BLB vergleichbaren Institution.
Nach unseren Recherchen hat der BLB im Zusammenhang mit dem Vielleicht-FH-Neubau lediglich ein Grundstück direkt und ohne Bauwens-Zwischenkäufer erworben: Der Besitzer eines 6.509 Quadratmeter großen Grundstücks samt Haus an der Schönhauser Straße veräußerte dieses im Mai 2009 direkt ans Land – für 7.250.000 Euro. Zu genauen Abläufen wollte der BLB gegenüber unserer Redaktion keine Stellung nehmen.
Auch die Staatsanwaltschaft Wuppertal fand, dass eine derartige Verquickung von Landes- und Privatinteressen den Verdacht der Korruption nahelegt. Sie weitete bereits laufende Korruptionsermittlungen gegen den BLB-Geschäftsführer Tiggemann und andere Mitarbeiter im Februar auf den FH-Deal aus. Die Ermittler beschlagnahmten in Köln Akten und Computerdaten der Firma Bauwens.
Das Finanzministerium nach den letzten NRW-Wahlen jetzt unter SPD-Führung hatte bereits im Dezember eine Sonderprüfung der Vorgänge im BLB veranlasst und Tiggemann beurlaubt. Ob Paul Bauwens-Adenauer zu den 13 weiteren Personen gehört, gegen die die Wuppertaler Ermittler derzeit durch Terabytes von Computer- und Tonnen von Papierakten nach Beweisen für Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue suchen, wollte Oberstaatsanwalt Baumert gegenüber „Meine Südstadt“ nicht sagen. Bis Klarheit herrscht, bis überhaupt Anklage erhoben werden könne, könnten noch zwei Jahre Ermittlungsarbeit vergehen.
Klar ist aber schon jetzt eines: Die Differenz zwischen dem, was die Bauwens-Gruppe zahlte und dem, was das Land zahlte, liegt nach unseren Recherchen bei mindestens 25 Millionen Euro. Bei einer Gesamtkaufsumme von über 88 Millionen hat das Land damit mindestens 28 Prozent mehr bezahlt, als es bei geschicktem Verhandeln als Direktkäufer hätte zahlen müssen.
Selbst nach Abzug von Sanierungskosten, Steuern, Gebühren bleibt das ein stolzer Preis für ein Stück Land, dessen Zukunft im Moment völlig ungewiss ist. Bis heute gibt es keine Entscheidung, ob auf den Grundstücken jemals eine neue Fachhochschule gebaut wird. Das vom Wissenschaftsministerium und dem BLB in Auftrag gegebene Gutachten für die Sanierung des IWZ in Deutz soll erst im Sommer fertig sein – und es ist durchaus denkbar, dass die Ingenieurwissenschaften dort bleiben, wo sie jetzt sind.
Dorothea Hohengarten und Wassily Nemitz
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