Corona-Haustiere: Ein Hund um jeden Preis!
Donnerstag, 21. April 2022 | Text: Gaby DeMuirier | Bild: Gaby DeMuirier
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Corona hat unser ganzes Leben durcheinandergebracht. Und: Man war so viel zu Hause, wie sonst nie. Home-Office stand an, der Schulunterricht wurde lange Zeit ins Digitale verlegt und so richtig raus konnte man auch nicht mehr. „Da könnten wir uns doch ein Haustier zulegen“, dachten sich Viele. Der große Run auf die Züchter und Tierheime begann schon im Frühjahr 2020.
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Kartäuserkirche – Evangelische Gemeinde Köln„Auf einmal hätten wir die fünffache Zahl an Tieren vermitteln können, doch wir hatten keine“, erklärt Elke Sans, stellvertretende Leiterin des Zollstocker Tierheims, in einem Interview mit Meine Südstadt. Alles war einfach mühsam, denn die potenziellen Neu-HalterInnen konnten sich aufgrund der Corona-Regelungen nicht wie sonst in Ruhe nach einem geeigneten vierbeinigen Familienmitglied umschauen. Die Besuche im Tierheim durften nicht länger als eine halbe Stunde dauern – und die nächsten Interessenten warteten schon.
„Einen Großteil meiner Zeit habe ich damit verbracht, E-Mails zu beantworten und Telefonate zu führen. Das ging jedoch immer nur nach der täglichen Versorgung der Tiere vor Ort“, betont die Revierleiterin der Katzen. „Es gab die verrücktesten Anfragen. Leute riefen an, um vorübergehend ein Tier aufzunehmen, weil es jetzt gerade passte. Diese Anfragen haben wir entschieden abgelehnt.“ Schon früh befürchtete die „Katzenfrau“, wie Elke oft genannt wird, dass alles noch schlimmer kommen würde.
Im Herbst 2020 wurde es richtig fies
Mit dem zweiten Lockdown begann die richtig fiese Zeit, erinnert sich Elke Sans. Da es in den Tierheimen keine Tiere mehr zu vermitteln gab und auch die Züchter meist mit leeren Händen dastanden, schafften sich leider zahlreiche Familien ein Tier über das Internet an. Der Handel über das Netz boomte wegen der starken Nachfrage. In dieser Zeit wurden von den Behörden Hunderte Hundewelpen sichergestellt, die in einem katastrophalem Zustand waren.
Ohne medizinische Grundversorgung, einschließlich lebensnotwendigen Impfungen, wurden die armen Tiere viel zu früh vom Muttertier getrennt und über Tausende Kilometer, oft ohne genügend Futter und Wasser, nach Deutschland gekarrt, um dort ihrem neuen Besitzer übergeben zu werden. Im Tierheim Zollstock landeten nach Beschlagnahmung durch die Behörden bis zu 28 Junghunde täglich. Hier lagen schnell die Nerven blank, denn der Pflegeaufwand der nicht selten todkranken Puppies war enorm.
„Manchmal haben wir 4 Wochen lang um das Leben einzelner Welpen gekämpft“, erinnert sich Elke sichtlich aufgewühlt. Einige konnten nicht gerettet werden. Sie denkt auch ungern an die fünf Malteserwelpen zurück, die vom Veterinäramt aus einem Kofferraum heraus beschlagnahmt und nach Zollstock zur Pflege gebracht wurden. Allein für diese kamen 1000 Anfragen rein, denn die Medien hatten darüber berichtet. Oft reagierten die Menschen mit Unverständnis, dass sie keinen der Welpen mitnehmen durften. Drohungen, Beschimpfungen und Anfeindungen waren da keine Seltenheit.
Ich will jetzt aber einen Hund
Zu viele Internet-Welpen schafften es dennoch in die Familien, in den meisten Fällen Hunde. Die Neu-Besitzer*innen fielen dann regelmäßig aus allen Wolken, als sie zum ersten Mal mit ihren teuren Rassewelpen aus dem Netz in die Tierarztpraxis kamen.
„Viele Halter kamen mit sehr kranken Tieren in unsere Praxis. Für diese hatten sie viel Geld bezahlt. Dann waren sie völlig geschockt, dass die oft lebensnotwendige Behandlung bei uns auch noch hohe Kosten verursachen“, bemängelt Dr. Ralf Unna, der in Bayenthal mit Geschäftspartnerin Dr. Sabine Holland eine große Kleintierpraxis leitet. Häufig waren es die besonders „niedlichen“ Moderassen wie Mops oder Französische Bulldogge, die aufgrund der angezüchteten Kurznasen massive Atemproblemen haben. Diese erfordern einen operativen Eingriff, damit das Tier nicht zu sehr leidet.
„Zu uns kamen Tiere, die bereits seit 10 Tagen Durchfall hatten. Einige konnten wir nicht mehr retten“, erklärt Ralf, der auch die Tiere im Zollstocker Tierheim betreut. „Das Problem ist, dass die Leute sich vor dem Kauf absolut nicht informieren und einfach kaufen. Koste es, was es wolle. Der Tierarzt muss es dann ausbaden. Da entstehen schnell mal Behandlungskosten von 1600 Euro.“ Der Bayenthaler Tierarzt engagiert sich stark gegen den illegalen Welpenhandel, der durch Corona massiv zugenommen hat. Der Gewinn für die skrupellosen Händler an den meist aus osteuropäischen Ländern stammenden Hunden ist enorm. Denn die Nachfrage wächst weiter.
Corona hat uns viel abverlangt
Die Corona-Pandemie hat auch den Praxisalltag von Dr. Ralf Unna und Dr. Sabine Holland stark verändert. Bauliche Maßnahmen mussten durchgeführt werden, um die knapp 30 Mitarbeiter*innen vor Infektionen zu schützen. Seit mehr als zwei Jahren arbeiten alle in kleinen Teams und dauerhaft mit Mundschutz, um personelle Ausfälle bei eventuellen Ansteckungen gering zu halten. Prozesse mussten komplett umgestellt werden, Patientenbesitzer*innen draußen bleiben. „Wir haben schnell begonnen, Hunde am offenen Fenster zu behandeln, damit die Halter*innen doch irgendwie dabei sein konnten“, erinnert sich Ralf.
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SeverinstorburgZu Anfang waren die wirtschaftlichen Sorgen groß, da niemand wusste, wie sich die Situation entwickeln würde. Doch das Team konnte diese besondere Lage gemeinsam mit viel Energie und Kreativität meistern. Immer wieder wurden neue Ideen entwickelt, um nah bei den Patientenbesitzer*innen zu sein. Nach und nach kehren sie zurück ins normale Praxisleben. „Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen sind wir letztendlich gut durch die Krise gekommen“, sagt der Tierarzt.
Erste Abgabewelle schon zur Urlaubszeit
Die ersten Corona-Haustiere landeten schon mit Beginn der Sommerferien wieder im Tierheim. Die Zeit des Home-Office war bei einigen bereits vorüber und schließlich stand der Familienurlaub an. Da war einfach kein Platz mehr für den Vierbeiner. Zudem waren die Tierpensionen schon voll, bei denen man das Tier hätte unterbringen können.
„Mit Beginn der Ferienzeit ist das leider normal. Auffällig war aber, dass viele verhaltensauffällige, aggressive oder sogar bissige Tiere bei uns abgegeben wurden. Das hat damit zu tun, dass Hundeschulen geschlossen waren und auch Hundetrainer*innen keine Hilfe bei der Erziehung leisten konnten. Auch hatten viele Halter*innen gemerkt, dass das Leben mit Hund oder Katze sehr anstrengend sein kann und man sich als Halter*in schon mal einschränken muss“, weiß Elke.
„Ich wünsche mir, dass die Menschen weniger egoistisch sind“, bekräftigt die Tierpflegerin. „Die Anschaffung eines Haustieres sollte gut geplant und überlegt sein. Es geht ja nicht nur darum, seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Das neue Familienmitglied soll auch glücklich sein. Und manchmal bietet sich doch eher ein Stofftier zum Kuscheln an.“
Konrad-Adenauer-Tierheim, Vorgebirgstraße 76, 50969 Köln
Kleintierpraxis Dr. Holland & Dr. Unna, Bonner Str. 271c, 50968 Köln
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