Dankeschön, Grundschule!
Montag, 12. Juli 2010 | Text: Jens Rosskothen | Bild: Dirk Gebhardt
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Vor nun fast vier Jahren überraschte meine Frau und mich eine im Gesetz verankerte Tatsache, die uns nicht hätte überraschen müssen. Die Schulpflicht. Natürlich hatten wir das Recht unseres Sohnes auf Bildung und Pausenbrotvergleich rational gespeichert. Emotional war die bevorstehende Einschulung jedoch eine durchaus überraschend komplizierte Herausforderung. Nun darf man nicht vergessen, wir leben in einer Zeit der pädagogischen Aufklärung. Oder sagen wir mal, wir sind Überlebende dieser Epoche. Und so stehen wir nun aufgeklärt in der Gegend rum, wissen durch mehrere Therapieeinheiten um die fatalen Erziehungsfehler unserer Eltern und wollen doch nur eines: Es besser machen. Das Prinzip von Ursache und Wirkung hängt jeder elterlichen Entscheidung eine Tonne Bedeutung an Hand und Fuß und läßt uns schlaflos die Kissen zerwühlen. Denn diese bescheuerte Aufklärung kann in Ihrer Passivität ein Fluch sein. Wer sexuell aufgeklärt ist, kann noch lange nicht gut küssen. So etwas in der Art war wohl mein Gedanke damals, als es uns pädagogisch gebildeten Eltern an den Kragen ging: Wir mußten uns für eine Grundschule entscheiden.
In meiner Heimatstadt gab es früher zwei Grundschulen. Eine war evangelisch, die andere liebte den Papst. Da war die Entscheidung mit der Taufe schon getroffen. Heute in der kölner Südstadt ist das Schulangebot weitaus größer.
Und so standen wir da. Meine Frau als Logopädin, wohlwissend um die Bedeutung dieser ersten Schuljahre für die sprachliche Entwicklung. Und ich, der ich mich eigentlich seit dem „Vater-Baby-Massagekurs“ schon auf der sicheren Seite wähnte, wenn es darum ging, bei einer später von unserem Sohn eventuell angestrebten Familienaufstellung einen guten Eindruck zu hinterlassen. Letztlich rettete uns ein Satz:‘ Man kann es nur falsch machen.‘ Strebte ich beim Massagekurs noch den Erhalt des Ordens für den perfekten Vater an, so erkannte ich plötzlich, welcher Horror dem innewohnt. Ich stellte mir vor, mein Sohn hätte die perfekten Eltern, die immer die richtigen Entscheidungen treffen. Wie sollte sich das Kerlchen jemals von solchen Eltern erholen?! Mit dieser Erkenntnis, nur das Beste zu wollen und dem Restrisiko ’ne Fratze zu schneiden, entschieden wir uns schließlich für die Gemeinschaftsgrundschule in der Zwirnerstrasse. Denn bei aller pädagogischen Ausrichtung der einzelnen Schulen, entscheident für die aufkeimende Lust am Lernen ist doch am ehesten die Kompetenz und Persönlichkeit der Klassenlehrerin oder des Klassenlehrers. Von allen Lehrern und Lehrerinnen, die ich kennen lernen durfte oder mußte, ist mir meine Grundschullehrerin besonders und auf durchaus positive Art in Erinnerung geblieben. So wählten wir diese Grundschule, weil sie eine integrative Pädagogik vertritt, weil uns die Atmosphäre auf dem zuvor besuchten Schulfest so gut gefiel, und weil das Schulgebäude in seiner Übersichtlichkeit so wirkte, als könne sich unser Sohn hier heimisch und wohl fühlen.
Wir haben diese Entscheidung nie bereut. Wir haben engagierte Lehrer und Lehrerinnen kennengelernt, die kreativ arbeiten und als Kollegium im Sinne unserer jungen Fußballnationalmanschaft, ‚einer für alle, alle für einen‘, mit ebensolcher technischen Raffinesse im Sinne der Pädagogik agieren. Wir haben Feste gefeiert, die stets in einem Rahmen stattfanden, der durch die geringe Größe der Schule vertraut und familiär wirkte. Unser Sohn hat Projekte genossen, die ihm, von Schach bis Zirkus, immer großen Spaß machten. Wir haben Aufführungen der Schüler und Schülerinnen besucht, die einem oft vor Rührung die Tränen in die Augen trieb. Wir haben eine Zusammenarbeit von Lehrer -und Elternschaft erlebt, die unabhängig vom Thema immer von gegenseitigem Respekt geprägt war. Unser Sohn hat Lesen und Schreiben gelernt und tausend andere Dinge, ist nebenbei von ganz alleine zwanzig Zentimeter gewachsen und geht mit der Empfehlung für eine der zahlreichen weiterführenden Schulen in der Tasche in die Sommerferien. Und das wird nicht so einfach. Für ihn ist dies ein Abschiednehmen von einer Schule, die zu einem vertrauten Ort des Lernens und Erlebens geworden ist. Für uns ist dies ein Abschiednehmen von einer Schule, deren Wahl wir nie bereut haben. Ich weiß, mein Rückblick auf diese vier Jahre ist nicht besonders sachlich. Doch Sachlichkeit wird grundlegend überschätzt und kann mich hier mal kreuzweise. Didaktik ist sachlich und sicherlich wichtig. Und didaktisch war die Grundschullehrerin unseres Sohnes ein Profi. Doch mindestens genauso wichtig ist eine unverstellte Wärme und Zugewandtheit. Das kann man an der Universität nicht lernen. Und so gilt mein unsachlicher Dank neben der Schule vor allem der Grundschullehrerin unseres Sohnes, die den Lernstoff immer in einer nicht zu studierenden Verbundenheit zu ihren Schülern und Schülerinnen vermittelte.
Vor einiger Zeit wählten meine Frau und ich die weiterführende Schule, die unser Sohn nach den Sommerferien besuchen wird. ‚Wir können es nur falsch machen‘. Einige schlaflose Nächte hatten wir seitdem trotzdem…
Mehr über die GGS Zwirnerstrasse unter www.zwirnerstrasse.de
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