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Bildung & Erziehung Familie Gesellschaft

Darf ich vorstellen: Die Theo Burauen Realschule

Montag, 19. Dezember 2011 | Text: Judith Levold | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Ich trau´mich kaum, es zu sagen, aber zum allerersten Mal in meinem Leben betrete ich eine Realschule. Und habe die Vierzig schon überschritten. Als ich an einem sonnig kalten Vormittag in den Severinswall spaziere, um mir die älteste Realschule Kölns -hier bei uns im Viertel- anzusehen und ein paar Unterrichtsstunden mit der Klasse 5b zu verbringen, frage ich mich, wo eigentlich der Begriff Realschule sich herleiten mag. Ich lerne: vom realen Lernen, etwas, dass bereits im Humanismus ein Ansinnen vieler Gelehrter war und sich fortsetzte: dass man zu dem Worte auch die Dinge lehrte und lernte, real also, von res, lat.: Ding.

Also eine praxisorientierte Schule, die die erweiterte Grundbildung anstrebt und sich auf die Berufswahlvorbereitung konzentriert. Ich lese weiter, dass also die Realschule, eine allgemein weiterführende Schule im gegliederten Schulsystem sei, die Klassen 5-10 in der Sek I umfasse und als Abschluss die Mittlere Reife oder auch Fachoberschulreife anbiete.

 

Ich betrete die Schule, die sich schon seit 1894 an dieser Stelle befindet, zur großen Pause nach der dritten Stunde. Das übliche Schulfeeling stellt sich augenblicklich bei mir ein: herumalbernde Teenager am Schulkiosk, neugierige Blicke, Balzgehabe. Und rennende oder in Grüppchen schwatzende Kinder, lange Linoleumflure mit Bildern von Schülern, bunten Collagen und Fotos des Kollegiums. Hier lehren 23 Pädagogen, gut 300 Kinder besuchen die Schule. Die TBR, wie sie von allen genannt wird, ist zweizügig und hat sich einen prima Ruf erarbeitet,  doch das war nicht immer so. Von der Dreizügigkeit in den Neunziger Jahren bis zum Jahre 2005 erlebte sie einen ziemlichen Niedergang, war wegen zu geringer Anmeldungen von der Schließung bedroht. Sie war nur mehr Sammelstelle für viele Kinder, die an anderen Schulen abgelehnt wurden, deren Probleme und Schwierigkeiten, einen guten Zugang zum und Spaß am Lernen zu finden, sich bereits über die Grundschuljahre chronifiziert hatten. Kaum jemand wollte sein Kind dort hin schicken, wer auf den benachbarten Grundschulen eine nur eingeschränkte Gymnasialempfehlung bekam, ging lieber zur Europaschule nach Zollstock oder fuhr gar bis zur Gesamtschule Rodenkirchen. „Ich wollte unbedingt wieder eine gemischte Schülerschaft“ sagt mir Frank Görgens, seit 2005 hier Schulleiter, selbst integrativ zur Schule Gegangener der ersten Stunde. „Ich glaube an den Standort hier“ fügt er hinzu, aus diesem Grund hätten er und seine KollegInnen den Kontakt zu den Südstadtgrundschulen intensiviert. „Wir gehen regelmäßig in die benachbarten Grundschulen, stellen uns vor, präsentieren unsere Angebote und werben um Schüler, damit hier wieder mehr Mischung hinkommt.“ Und das scheint gelungen: ich sehe Can, Sophie, Kübra, Hanna, Sandro und Noah – ganz unspektakulär unterschiedliche Kinder, die sich heute mit dem Verdauungssystem der Kuh auseinandersetzen sollen, Bio gibt es bei Klassenlehrerin Stefanie Baldauf. Natürlich werden Witze gemacht, dazwischen gerufen und es gibt auch welche, denen das konzentrierte Arbeiten so richtig schwer fällt oder welche, denen das Arbeiten in der großen Gruppe zu viel wird.

Im Ganztagsbetrieb, auf den Schulleiter Görgens und seine KollegInnen hier seit 2007 umgestellt haben, bekommen die Kinder eine Begleitung bei den Hausaufgaben, zum Teil auch durch die LehrerInnen, mit denen sie im Unterricht zusammen sind. Sie essen, machen Pause, können Spielangebote wahrnehmen, in der Fahrradwerkstatt arbeiten. Das ist in enger Kooperation mit der Jugendarbeit vom Bürgerhaus Stollwerck organisiert und viele SchülerInnen nehmen die Angebote an und profitieren davon.

Ganz neu jetzt an der Theo Burauen Realschule seit diesem Schuljahr ist der Umbau zur inklusiven Schule, d.h. dem gemeinsamen Lernen behinderter und nicht behinderter SchülerInnen, dem Bildungsthema schlechthin. Sie ist damit die einzige   Realschule in Köln übrigens -unter ohnehin nur vereinzelten weiterführenden Schulen überhaupt-, die sich auf das Wagnis einlässt, welches diese Entscheidung trotz UN-Konvention und NRW-Landtagsbeschluss immer noch bedeutet. Denn natürlich mangelt es an allem Möglichen, wie an fast jeder Regelschule: Materialien, Platz, Ausstattung und besonders Personal für ein Mehr an Förderung und Begleitung einzelner Kinder durch das Schulleben. In der 5b haben  von 24 Schülern fünf Schüler einen erhöhten Förderbedarf, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Autisten, Kinder mit Lernbehinderung oder solche mit überdurchschnittlichen sozial- emotionalen Problematiken. „Mal sehen, ob Sie die auf Anhieb erkennen“ zwinkert mir die Klassenlehrerin Frau Baldauf zu, ohne Namen zu nennen. Nicht sofort erkenne ich, wer hier viel Zuspruch und Lenkung braucht, nach einer Weile Beobachtung dann schon.

 

Für diese Kinder ist  die Sonderpädagogin Heike Bonn hauptverantwortlich zuständig sowie Schulbegleiter, die im Umgang mit autistischen Kindern geübt sind und darauf achten, dass die beiden betroffenen Kinder Auswege finden, wenn sie von der Fülle der Reize überfordert werden. Grundsätzlich ist die Schule  darum bemüht, dass in der Klasse 5b möglichst beständig in Lehrerdoppelbesetzung unterrichtet wird. „Wir stehen noch am Anfang“, sagt Heike Bonn. „Wir machen jeden Tag neue Erfahrungen im Team und mit der Vielseitigkeit  der  Schüler.“, fügt sie hinzu und schickt mir zwei sehr unruhige und angespannte Jungs mit in den dritten Stock, wo sie mir bereitwillig den Raum aufschließen, in dem sie mit Frau Bonn seit neuestem Yoga machen. „Hier machen wir die Windmühle. Das ist am schwierigsten, aber ich schaffe es schon immer besser!“ verkündet  einer der beiden und schmeißt sich umgehend auf die Matte.

Das macht einen guten Eindruck, denke ich, diese Schule kann ich unumwunden empfehlen, hier gilt einfach ein positives Menschenbild.

 

Mehr Informationen über die Theo Burauen Schule finden Sie hier: www.theo-burauen.de

Text: Judith Levold

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