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Sport Südstadt

Das Glück im Hinterhof

Mittwoch, 23. März 2022 | Text: Bettina Brucker | Bild: Bettina Brucker / ginger up

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Das Yogastudio ginger up liegt versteckt in einem Hinterhof in der Seyengasse. Erst 2019 findet Simone Picha diesen Wunschort in der Südstadt. Sie ist überglücklich, beim Umbau und der Gestaltung der alten Mauern mitsprechen zu dürfen. Es entsteht ein Kleinod. „Hier fühle ich mich geborgen“, sagt sie in ihrer ruhigen und lebensfrohen Art.

„Ich wollte schon immer etwas mit Meditation machen“, sagt Picha zum Beginn unseres Gesprächs. Da aber Meditieren und Geld höchstens auf Spendenbasis zusammenpassen, eignet es sich nicht als Berufstätigkeit. Und so absolvierte sie neben ihrer Festanstellung als Modedesignerin eine vierjährige BDY-Yogalehrerausbildung.

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2007 eröffnet Simone Picha dann ihr Yogastudio im Siebengebirge im Rheinauhafen. Denn in der Südstadt hat sie keine passenden Räume gefunden. Schon während der Baumaßnahmen hängt sie Transparente ins Fenster, die für ihr Studio werben. Zudem nimmt sie ein Café mit rein, um auch Menschen anzusprechen, die vielleicht (noch) nichts mit Yoga zu tun haben. „Ich habe voll auf die Location gesetzt“, sagt die Unternehmerin Picha. Ort und Konzept bewähren sich. Ihre Kurse sind schnell ausgebucht.

Rheinauhafen als Sprungbrett

2012 zieht sie mit ihrem Studio in die Nachbarschaft der Kranhäuser. Immer noch der Rheinauhafen, obwohl ihr der nicht zusagt. „Es ist ein bisschen wie Phantasialand. Bei schönem Wetter tummeln sich hier Radfahrer, Fußgänger und Skater, auf dem Rhein sind Schiffe, Motorboote, Jet-Skis und Kanufahrer unterwegs, am Himmel kreisen Flugzeuge und auf den Poller Wiesen am gegenüberliegenden Ufer tanzen die Drachen“, zählt sie auf. „Doch bei schlechtem Wetter ist es hier tot!“ Sie vermisst in diesem „künstlich erzeugte Gebiet ohne gewachsene Struktur“ das normale urbane Leben. Und dann ist da noch „die Hürde“, wie sie sagt. Die Rheinuferstraße, die Südstadt und Rheinauhafen voneinander trennt.

Der Rheinauhafen als Sprungbrett in die Selbstständigkeit als Yogalehrerin hat für die ehemalige Chefdesignerin funktioniert. Doch erst auf der anderen Seite der Rheinuferstraße fühlt sie sich angekommen. „Viele Lehrer, die im ginger up unterrichten und viele, die den Unterricht besuchen, leben hier. Seit 2009 wohne ich auch in der Südstadt. Ich finde es schön, hier zu arbeiten und zu leben. Immer wieder trifft man jemanden, den man kennt. Andererseits hat man genug Freiraum.“

Im Hinterhof glücklich angekommen / Foto: Bettina Brucker

Yoga ohne Schnörkel

Im ginger up stehen Ashtanga Yoga und Zen-Meditation im Mittelpunkt. „Beide haben viel gemeinsam“, erklärt Picha, die seit gut 35 Jahren meditiert. „Bei der Zen-Meditation sitzt man schweigend auf seinem Kissen, schaut auf die Wand und ist mit sich selbst beschäftigt. Es gibt keine Zeremonie.“ Das hört sich für den Unerfahrenen sehr fremd an, weshalb die meisten übers Yoga zur Mediation finden. Auch Ashtanga Yoga ist geprägt von Schnörkellosigkeit und Klarheit. Durch die festgelegte „Choreografie“ der Ashtanga-Sequenz ist der Ablauf immer derselbe. Die Lehrer:innen erfinden nicht jede Stunde neu. „Es gibt nicht einfach mal zwischendurch die Ansage für einen Kopfstand.“ Picha trinkt einen Schluck Kaffee und fährt dann fort. „Dadurch kann sich jede:r auf sich selbst konzentrieren und spürt immer wieder neu, wie unterschiedlich sich ein und dieselbe Bewegung an unterschiedlichen Tagen anfühlt. Jeder kann nach einigen Monaten unabhängig vom Lehrer üben. Diese Selbstständigkeit – ich nenne es gerne Selbstermächtigung – ist eine besondere Qualität des Ashtanga Yoga.“

Ein Grundthema für den Ablauf

Der verlässliche Ablauf ermöglicht es, zur Ruhe zu kommen. Damit beim Ansagen der ständig gleichen Serien keine Langeweile aufkommt, braucht es eine weitere Dimension. „Nachmittags nehme ich mir eine Stunde Zeit, um meinen Unterricht vorzubereiten. Ich lese ein oder zwei Sutras (Anmerkung: buddhistische Lehrtexte/Verse).“ Beim Lesen kristallisiert sich nach und nach ein Thema heraus. „Wie mein Lehrmeister Fumon Nakagawa Roshi habe ich zu Beginn der Stunde das Buch dann neben mir liegen, schaue aber nicht rein. Ich spreche intuitiv und spontan aus dem Herzen heraus. Ich glaube, das ist echter und berührender als ein Vortrag, der von Anfang bis Ende geplant ist. Es kann allerdings passieren, dass ich nichts von dem erzähle, was ich nachmittags gelesen habe“, lacht sie und schiebt dann besonnen hinterher: „Das Textstudium bereichert mich nicht nur, sondern es schenkt mir auch die Freiheit, mich vom Wort an sich lösen zu dürfen.“

Hat sie ein Grundthema gefunden, beleuchtet sie es mehrere Stunden unter unterschiedlichen Aspekten und richtet die Pranayama-Praxis (die Atemübungen) und die Asansas (Körperhaltungen) danach aus. Bis ein Kipppunkt da ist und sie spürt, dass das Thema „durch ist“ und etwas Neues beginnen darf. Durch diese Vorgehensweise, durch die Bezüge zum aktuellen Geschehen oder zu Dingen, die die Schüler:innen gerade beschäftigen „bekommt das Unterrichten eine besondere Tiefe. Und das macht mir Freude.“

Neue Wege wagen

Während der Corona-Pandemie hat Simone Picha Neues ausprobiert. Podcasts im ersten Lockdown, Online-Unterricht im zweiten. „Für mich – für alle Lehrer:innen – war es wunderbar aus dieser toten Stille wieder mit unseren Schüler:innen in Verbindung zu treten. Endlich konnten wir aus der Defensive heraustreten und wieder aktiv werden.“

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Das hybride Format von Live-Kurse plus online soll es weiterhin geben. So kann jeder zu Hause mitmachen, egal ob er im Homeoffice arbeitet, die Kinder krank oder Eltern zu pflegen sind. Selbst im Urlaub ist so die gewohnte Yoga-Praxis möglich. „Ich habe heute ein Foto von meiner Schwester und meinem Schwager bekommen. Ihr Laptop steht auf einer Fensterbank, auf dem Monitor bin ich zu sehen, die gerade in Köln unterrichtet, und im Hintergrund die Skyline von Bangkok. Ist das nicht toll?“ Simone Picha lacht, ihre Augen funkeln.

Online und analog: Simone Picha in Aktion / Foto: ginger up

Und wie sehen die Zukunftspläne fürs Unterrichten aus? Als nächstes soll ein Online-Workshop mit Yoga-Modulen entstehen, in dem einzelne Übungen systematisch und auf unterschiedlichen Levels gezeigt und angeleitet werden. Denn eine korrekte Bewegungsausführung ist bei dieser kraftvollen und sportlichen Yogarichtung wichtig. Und noch etwas anderes schwebt Picha vor. „Die erste Serie beim Ashtanga heißt wörtlich übersetzt ‚Yogatherapie‘. Mein eigener Unterrichtsstil hat sich in den 15 Jahren Praxis bereits in diese Richtung entwickelt.“ Wenn zum Beispiel jemand eine Verletzung hat, wandelt sie die Übungen so ab, dass die Person weiterhin Yoga praktizieren kann. Dabei beobachtet sie immer wieder, dass dadurch der Heilungsprozess unterstützt wird. „Ich kann mir durchaus vorstellen, in den kommenden Jahren eine Zusatzqualifikation zu machen, um Yoga therapeutisch einsetzen zu können. Denn am meisten Freude macht es mir, Yoga so zu vermitteln, dass alle mitmachen können. Das ist mein Glücksgefühl.“

Feste Zeiten für die Yoga-Praxis

Eine letzte Frage wollen wir von Simone Picha noch beantwortet haben. Wie und wann übt eigentlich eine Yogalehrerin? „Es bewährt sich, eine feste Zeit für die Praxis zu haben. Wichtig ist die Regelmäßigkeit“, betont Picha. „Mir liegt der Vormittag gut, abends bin ich oft müde. Früher bin ich meist um 5 Uhr aufgestanden und habe gegen 6 Uhr angefangen. Heute bin ich nicht mehr so streng“, sagt sie mit einem entspannten Lächeln. „Ich nehme mir vor, sechsmal die Woche zu praktizieren, Samstag ist mein freier Tag. De facto werden es meistens fünfmal und ich gestehe mir inzwischen auch einmal ein kleineres Programm zu, je nachdem wie ich mich fühle und wie viel Kraft ich habe. Yogapraxis, Atemübung und Meditation dauern zusammen etwa zwei Stunden. Zuerst praktiziere ich Yoga, daran schließe ich die Meditation an. Nach der kraftvollen Bewegung bin ich warm und das Sitzen in Ruhe ist dann ganz leicht.“ Sie macht eine kurze Pause, ein leises Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Das ist sozusagen mein ‚Bonbon‘“.

Yogastudio ginger up
Seyengasse 3a (Hinterhaus), 50678 Köln
gingerup.de

Text: Bettina Brucker

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