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Politik

Das grüne Dach der Elsaßstraße

Mittwoch, 12. August 2015 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Es gibt sie, diese versteckten Orte in der Südstadt, die nicht besonders bekannt sind. Wie diese Innenhöfe mit langer Geschichte. Einer davon liegt in der Elsaßstraße, auf dem Gelände Nummer 49 bis 51. Seit vielen Jahren grünt es dort in einem Garten auf dem Dach einer Tiefgarage von 1989. Eine große Weide steht dort, es wachsen Kiwi, Tomaten und Wein, den der Stadtwinzer jährlich erntet. Und dort sitzt ein uralter Papagei namens Tapsi auf einer Stange und pfeift und keckert.

 

Das Gelände ist mehr als 1.000 Quadratmeter groß und unter mehreren Parteien aufgeteilt. In den vergangenen Wochen hat es dort viel Streit gegeben zwischen dem Eigentümer und einem der drei Gartenpächter. Es geht um eine Liste von Punkten. Zum Beispiel um den Zustand des Gartens, um die Bäume, um die Notausgänge der Tiefgarage, um die Nutzung von Wasser und Strom. 

 

Beide Seiten vertreten ihre Haltung, es steht Aussage gegen Aussage. Das Ergebnis: Der Eigentümer schickte dem Pächter erst eine Abmahnung und dann eine außerordentliche Kündigung zum 15. August. Die Anwälte beider Seiten sind mit dem Sachverhalt befasst.

 

 

Was wird aus dem Gelände?

 

Durch den Streit ist bei den Anwohnern im Viertel eine andere Frage aufgekommen: Was wird aus dem Innenhof? Bleiben die Gärten erhalten – oder gibt es Überlegungen, das Areal umzugestalten? Auch in der Facebook-Gruppe von „Meine Südstadt“ wird bereits am 2. August darüber diskutiert.

 

Im Vordergrund steht die Frage, ob auf dem Gelände womöglich ein Parkplatz gebaut werden soll. In solchen Fällen hilft gegen Spekulationen ein Anruf beim Bauaufsichtsamt: Amtsleiterin Angela Thiemann hat eine Neuigkeit: Ja, es liege ihr seit kurzem ein Bauantrag vor, bei dem es um die Nutzung des Geländes als Parkplatzfläche gehe. Und das, so sagt sie „dürfen Sie zitieren!“.

 

Fakt ist Fakt: Es gibt einen Bauantrag.

 

Der Antrag wird jetzt erst einmal vom Amt geprüft, und darum kann und darf Frau Thiemann nichts sagen zu den Aussichten, ob er durchkommt oder nicht. Selbst wenn der Antrag genehmigt würde, bedeutete das noch lange nicht, dass auch tatsächlich gebaut wird. Aber Fakt ist Fakt: Es gibt ihn, den Bauantrag. Und Fakt ist auch: „Meine Südstadt“ hatte Einblick in den Entwurf eines Kölner Architekturbüros. Dort heißt es für diesen Innenhof klipp und klar: „Wiederaufnahme der Nutzung als Pkw-Parkfläche“ (es hat wohl vor vielen Jahren schon einmal oberirdische Garagen hier gegeben, das legen Bilder nahe, die man online finden kann).

 

Wir rufen beim Stadtplanungsamt an. Zuständig ist Christian Seibel, und er hat Zeit  und viel Geduld für unsere Fragen. Christian Seibel weist uns auf den Bebauungsplan 67431/02 hin. Er stammt nach seinen Angaben aus dem Jahr 1995. So ein Plan ist nichts Geheimes – nur lesen können muss man ihn. Christian Seibel kann das.

 

 

„Textliche Festsetzung“: Begrünung vorgesehen

 

Der Plan besteht aus einer Karte von dem Areal und einem Anhang. In dem Anhang stehen Details, die „festgesetzt“ werden und damit rechtlich relevant sind. Sie gelten bis heute. Im Falle der Elsaßstraße 49 bis 51 ist es Punkt 6.1, der Aufschluss bietet. Denn da steht: 

 

„Gemäß §9 (1) Nr. 25 BauGB wird für die gekennzeichneten Flächen und für Garagen, Tiefgaragen und Garagenanlagen eine 80 % der Dachfläche überdeckende Dachbegrünung mit Bodendeckern, Stauden, Gräsern, Blumen oder niedrigen Sträuchern (extensive Dachbegrünung) festgesetzt, sobald die Grundfläche bebaut wird bzw. nach Abbruch alter Bauten neu bebaut wird.“

 

Ich frage Christian Seibel, was das bedeutet. Er antwortet erstmal ganz grundsätzlich: In einem Wohngebiet kann man laut Bundesrecht nur dann Parkplätze bauen, wenn die Stellplätze den beteiligten Grundstücken dienen. Der Stellplatz-Bedarf muss baurechtlich begründet werden. Was nicht geht: Stellplätze zu schaffen, um sie kommerziell zu vermarkten. Das wäre nach den Worten von Christian Seibel unzulässig.

 

Konkret für den vorliegenden Bebauungsplan müsste es Gründe geben, die Festsetzung in Punkt 6.1 aufzuheben. Das könnten sein: ein öffentliches Interesse zum Beispiel. Eine Bleibe für Flüchtlinge, ein Kindergarten. Auch die städtebauliche Vertretbarkeit spielt eine Rolle. Das heißt: Es geht um Lärm-Emissionen, die in dem Areal durch Autos entstünden. Im „rückwärtigen Bereich“, also im Innenhof, wäre das wohl nicht vertretbar. Christian Seibel bringt es auf den Punkt: Es gibt „Hemmnisse“, dort einen Parkplatz zu bauen. Es müsste eine „intensive Abwägung“ stattfinden, an der auch das Stadtplanungsamt beteiligt wäre.

 

Tiefgarage und Begrünung wurden gemeinsam geplant

 

Wir wollen die Historie des Gebäudekomplexes verstehen. Dafür rufe ich den Landschaftsarchitekten an, der 1989 – also vor mehr als einem Vierteljahrhundert – die allererste Begrünung des damals neuen Tiefgaragendaches umgesetzt hat. Heute heißt das Büro Lill+Sparla, und H. Peter Sparla erinnert sich noch an das Projekt. Er erzählt mir am Telefon, dass Garage und Begrünung gemeinsam geplant wurden. Dass der Eigentümer damals eine Frankfurter Investmentgesellschaft (Westend) gewesen sei, und dass es der Wunsch dieses Investors gewesen sei, das Dach der Tiefgarage zu begrünen. 

 

Herr Sparla weiß noch mehr. Er berichtet, dass die alten Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, wohl einst Kasernen waren, und zwar mit dem Zweck, das nahegelegende Wasser- und Elektrizitätswerk zu beschützen. Spannend. Und als Investitionsobjekt für die Frankfurter waren die Gebäude damals eben interessant. 

 

H. Peter Sparla hat gemeinsam mit Prof. Heinz Haunschild die Begrünung umgesetzt und zum Beispiel die große Weide gepflanzt, die bis heute dort steht. Für diese Weide wurde damals extra eine Aussparung in der Tiefgaragendecke eingeplant – mit Verbindung des Baumes zum Erdreich, dem „gewachsenen Untergrund“, wie es der Landschaftsplaner nennt. Ziel der Begrünung war es, erinnert er sich noch genau, „einen benutzbaren Freiraum mit Zugang für die Mieter zu schaffen.

 

Passen die Puzzleteile?

 

Damit haben wir am Ende einige Fakten gefunden: Es gibt einen ganz frischen Bauantrag mit dem Ziel einer Umnutzung als Parkplatz. Es existiert ein Entwurf eines Architekturbüros für eine solche Nutzung. Es gibt aber auch einen Bebauungsplan von 1995, der eine 80-prozentige Begrünung auf dem Dach der Tiefgarage vorsieht. Und es gibt eine außerordentliche Kündigung für einen Pächter, die zum 15. August 2015 ausgesprochen wird. Ob diese Puzzleteile zusammengehören oder nicht – und ob sich für das Gelände in der Elsaßstraße etwas ändern wird oder nicht: Niemand weiß das zum jetzigen Zeitpunkt – wir bleiben dran!

 

Wir haben den Eigentümer kontaktiert und gebeten, sich ausführlich zu dem Sachverhalt zu äußern. Wir haben ihm unsere Fragen gemailt. Er hat entschieden, sich für unseren Artikel nicht zu dem Sachverhalt zu äußern.

 

 

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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