Das hat Museumsqualität
Mittwoch, 31. Juli 2013 | Text: Gastbeitrag | Bild: Galerie Thomas Zander
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Mit zwei aktuellen Ausstellungen erweist sich Thomas Zander in Köln einmal mehr als großer Förderer der Fotokunst.
An dem kleinen weißen Tisch in der Kaffeeküche neben dem großen Ausstellungsraum haben schon viele der wichtigsten Fotografen der Gegenwart gesessen. Lewis Baltz dachte hier über die beste Hängung für seine Aufnahmen nach. Das letzte Buch von Larry Sultan, das erst nach seinem Tod erschien, entstand zum Teil an diesem Tisch. Dieter Meier von Yello signierte hier seine Kataloge, und zuletzt war es Candida Höfer, die im Erdgeschoss arrangierte, was nun eine Etage höher in einer sachlich gehängten und doch begeisternden Ausstellung zu sehen ist: frühe Aufnahmen aus den späten sechziger und frühen siebziger Jahren. Eigentlich hätte eine solche Ausstellung in ein Museum gehört: Höfer vor Höfer, vor der Becher-Schule, vor ihrem Berühmtwerden. Selten gezeigte konzeptuelle Werkserien, die die Fotografin lange im Bilderschrank gelassen und erst vor wenigen Jahren überhaupt zum ersten Mal gezeigt hat.
Zu sehen sind sie nun nicht in einem öffentlichen Kunsthaus, sondern in einer privaten Galerie am südlichen Rand der Kölner Innenstadt. Seit inzwischen 17 Jahren gibt der Galerist Thomas Zander der Stadt dort, was ihr seit Jahrzehnten so dringend und spürbar fehlt: einen festen Ort für regelmäßige Fotografie-Ausstellungen von musealer Qualität. Wo schon ab 1950 der Journalist L. Fritz Gruber mit der photokina die internationale Fotografie nach Deutschland brachte und die deutsche Fotografie hinaus in die Welt trug, wo Pioniere wie Ann und Jürgen Wilde oder Rudolf Kicken und Wilhelm Schürmann die ersten Fotogalerien gegründet haben, finden heute nur noch gelegentlich Ausstellungen im Museum Ludwig statt. Ansonsten gibt es die einst führende Fotostadt Köln nicht mehr. Wären da nicht Galerien wie die von Priska Pasquer in der Innenstadt und eben jene von Thomas Zander.
Es gehe ihm, anders als vielen seiner Kollegen, nicht darum, mit einzelnen Meisterwerken der Fotografiegeschichte zu handeln, erzählt der 51-Jährige auf der Dachterrasse seines eleganten Galeriegebäudes. Vor zehn Jahren ist Zander in die neuen Räume an der Schönhauser Straße gezogen, die er auf die Fundamente einer alten Druckerei gebaut hat. Damals stand gleich nebenan noch die Dom-Brauerei. Inzwischen ist sie abgerissen, und eine riesige Brache wartet auf neue Nutzung. Ein neues Justizzentrum ist im Gespräch, eine Gesamtschule oder Wohnbebauung. Das Literaturhaus neben der Galerie will in die Stadtmitte ziehen, sucht aber noch nach einem geeigneten Ort. Rolf Hengesbach ist mit seiner Galerie nach Berlin gegangen, Michael Wiesehöfer hat seine geschlossen. Nur das Forum für Fotografie und die Galerie Schmidt Maczollek sind als Nachbarn noch geblieben. Es scheint recht einsam zu werden für Thomas Zander.
Er werde nicht wegziehen, sagt er: „Wer sich für Fotografie interessiert, weiß, was ich hier mache, und kommt dafür nach Köln. Außerdem bin ich gut vernetzt in Deutschland, aber auch in den USA.“ Auf diese Weise gelang es ihm im vergangenen Jahr, bis dahin unbekannte Foto-Unikate von Andy Warhol zu zeigen, die einem visuellen Tagebuch seines New Yorker Alltags nahekamen. Auf diese Weise war die Werkschau von Dieter Meier nach Stationen in der Sammlung Falckenberg und dem ZKM in Karlsruhe auch in der Galerie Zander zu sehen. Und auf diese Weise schaffte es Zander nun auch, jene Bilder nach Deutschland zu holen, die der berühmte amerikanische Fotograf Garry Winogrand in den siebziger und frühen achtziger Jahren in Europa machte. In eleganter Reihe sind diese Aufnahmen nun im großen Erdgeschossraum der Galerie zu sehen.
Auf die gelb gestrichene Stirnwand hat Zander Vintage Prints aus der 1975 veröffentlichten Serie Women Are Beautiful gehängt. Sie dienen als Ouvertüre wie als Maßstab für die folgenden, oft in harten Schwarz-Weiß-Kontrasten abgezogenen Bilder. Auf seinen Europareisen versuchte Winogrand, sich wie in seiner Heimat New York einem Touristen gleich durch die Straßen treiben zu lassen und im rechten Augenblick seine Kleinbildformatkamera auszulösen. Es war diese Technik, die ihn als einen der Väter der Street Photography und als manischen Fotografen berühmt machte, in dessen Nachlass sich angeblich rund 7.000 nicht entwickelte Filme fanden.
Er sei zuversichtlich, beruhigte sich Winogrand selbst einmal, dass in dem Moment, in dem er einen Film wechsle, gerade auch nichts Wichtiges geschehe. Sein Freund Henry Wessel, der am vergangenen Wochenende eigens nach Köln kam, um die Ausstellung zu sehen, berichtet von einem ähnlichen Erlebnis: Winogrand habe ihn zu Hause in Kalifornien besucht und, als Wessel morgens ins Wohnzimmer kam, rücklings auf dem Sofa gelegen und die Decke fotografiert. „Ich habe schon mal mit der Arbeit begonnen“, beschied er lächelnd dem Freund und Kollegen, als er dessen fragenden Blick sah.
Die Kölner Ausstellung macht dieses entspannte Arbeitsprinzip mit hochklassigen Vintage Prints sichtbar, die Winogrand noch vor seinem Krebstod 1984 selbst abgezogen und signiert hat. Sie zeigt aber auch, dass es sich nicht ohne Verluste von einem Kontinent auf den anderen übertragen lässt. In Kopenhagen, London und Paris fotografierte Winogrand nicht mit der gleichen Gelassenheit wie in Manhattan. Hier suchte er deutlicher nach jenen Motiven, die er in den USA ganz selbstverständlich fand: die Menschengruppen, in denen jede Person für eine eigene Geschichte zu stehen scheint. Unentspannter wirken diese Aufnahmen dadurch allerdings nicht.
Die aktive Suche nach originellen Motiven merkt man auch den frühen Bildern von Candida Höfer an. Weniger in der 173 begonnenen Serie Türken in Deutschland, in deren manchmal arrangierten Aufnahmen die Fotografin das Leben der ersten Migrantengeneration dokumentierte. Auch nicht in den Bildern von Flipper-Räumen, die nebeneinander in einem langen Vitrinentisch liegen, die späteren Typologien der Becher-Schule bereits zart andeuten und die bei Zander als Gesamtarbeit so viel kosten wie eine mittelgroße Altbauwohnung in der Kölner Südstadt. Die Liverpool-Bilder aber, die visuell den Mersey Sound der damals gefeierten jungen Dichtergeneration der Stadt illustrieren sollten, sind alles andere als lässige Schnappschüsse. Höfer benutzte eine 6×6-Mittelformatkamera, deren orthogonaler Sucher die Fotografin schon rein technisch vom unmittelbaren Blick auf die Wirklichkeit entfernt. Sie musste bewusst finden, was zu den Gedichten der Liverpool Poets passen könnte. Und das ist ihr gelungen, auch wenn das gemeinsame Buchprojekt nie zustande kam.
Noch bis zum 30. August, sind die Aufnahmen von Höfer und Winogrand in Köln zu sehen. Und zu kaufen. Während die aktuellen Winogrand-Retrospektiven in San Francisco, Washington und New York gerade die Preise in den USA nach oben treiben, sind seine Europa-Aufnahmen bei Zander noch für Preise zwischen 7.000 und 12.000 Euro zu haben. Das 16-teilige Women Are Beautiful- Tableau kostet 70.000 Euro. Was er davon verkaufe, wisse er nicht, sagt Thomas Zander: „Aber ich muss so hohe Standards setzen, damit die Sammler für unsere Ausstellungen nach Köln kommen. Und ich lasse sie nicht allein mit der Fotografie. Die Vermittlung ist für mich so wichtig wie die Präsentation.“ Im Museum Ludwig, vier Kilometer rheinabwärts, wurde die bislang letzte bedeutende Fotoausstellung im September 2011 eröffnet.
Stefan Koldehoff
Er ist Autor und Redakteur beim Deutschlandfunk.
Foto links: Garry Winograd, Paris, France, ca. 1969
© 1984 The Estate of Garry Winograd/ Courtesy Fraenkel Gallery, San Francisco, Galerie Thomas Zander, Köln
Foto rechts: Candida Höfer, Liverpool XVI 1968
© Candida Höfer/VG Bildkunst, Bonn 2012
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