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Gesellschaft

„Das ist die Zeit der Stoffe“ – News aus dem Freien Werkstatt Theater

Freitag, 27. Oktober 2023 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold/Freies Werkstatt Theater

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Zwei ganz neue junge Gesichter werden künftig die Ausrichtung des Freien Werkstatt Theaters mitprägen: Dandan Liu und Jascha Sommer bilden ab jetzt mit Guido Rademachers ein Trio an der Spitze des FWT. Gerhard Seidel, bislang in der künstlerischen Leitung, bleibt als „Zahlenfuchs“ und Geschäftsführung an ihrer Seite.

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Gesellschaftskritische Kunstpraxis

Eine Werkstatt für zeitgenössische Stadtgesellschaft will das FWT werden. Die in einer öffentlichen Ausschreibung gefundenen neuen Macher*innen wollen mit innovativen und kombinierten Formaten und Performance-Arten neues Publikum gewinnen und es zum Mitmachen, sich Einbringen motivieren. Jascha Sommer möchte, dass das FWT mehr denn je einlädt: „Zum Verhandeln komplexer gesellschaftlicher Phänomene“, wie er sagt, um damit eine „kritische Kunstpraxis“ zu etablieren.

Szenenbild aus „Die Gruppe“: Partizipative Theaterpraxis – am FWT schon da (Foto: Cordula Körber)

Marginalisierte Gruppen ansprechen

Dandan Liu betont, wie wichtig es sei, „viele verschiedene, auch migrantische Communities“ zu erreichen und zu begeistern. Die 32jährige mit chinesischen Wurzeln bringt Erfahrung aus dem Berliner Ringtheater mit: „Wir sind ein Kollektiv, arbeiten demokratisch und mit weniger Hierarchie – da können auch marginalisierte Gruppen eher andocken.“ Sie wolle vorerst pendeln zwischen der Hauptstadt und Köln und ihre erfolgreiche Netzwerkarbeit hier und für das FWT fortsetzen.

Jascha Sommer, Guido Rademachers und Dandan Liu (v.l.n.r.) beim Pressegespräch

Gemeinschaftlichkeit im Fokus

Programmlinien-Kuratorin wird sie neben der künstlerischen Doppelspitze Rademachers/Sommer sein, ein etwas sperriger Begriff, hinter dem sich laut Dandan Liu folgendes verbirgt: „Es ist anders als die klassische dramaturgische Arbeit, mehr mit dem Thema, nicht dem schon fertigen Stück im Zentrum. Also ich habe eine Geschichte und überlege dann, welche performativen Formen sich dazu eignen, sie zu erzählen.“

Und so wolle sie arbeiten: Ganz unterschiedliche künstlerische Herangehensweisen kombinieren, um etwas zu „erzählen“. „Wir sprechen hier eher so von der Spielzeit 24/25″, ergänzt Jascha Sommer. „Wir müssen ja erstmal hier ankommen und sichten – und uns dann entwickeln. Eine große Rolle wird sicherlich der ganze Themenkomplex des Gemeinschaftlichen, auch commons genannt, spielen.“

Auf dem Weg ins Foyer des FWT am Zugweg

Foyer als Anlaufstelle

Ein Festival zum Thema „Rohstoff-Ausbeutung“ im Zusammenhang mit Kolonialgeschichte, globalen Phänomenen lokal nachspüren – das sind Schwerpunkte, mit denen sich die „Neuen“ beschäftigen wollen. Und Guido Rademachers ist sich sicher: „Es ist die Zeit der Stoffe.“ Die Welt brenne, es finde gerade Geschichte statt, sodass man gar nicht mehr hinterherkomme.

Und da solle das FWT als „ziviler Ort des Denkens und Fühlens“, eine Anlaufstelle sein. Auch räumlich sichtbar: Das Foyer werde mehr zum Treffpunkt, Formate wie Stadtteil-Walks und niedrigschwellige Workshops könnten ein neues Publikum anziehen.

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Personelles Austrocknen

Um die anspruchsvollen Ziele zu realisieren, will das neu sortierte FWT den Spielplan überarbeiten, vielleicht auch die „klassischen“ Stücke reduzieren und die Veranstaltungsdichte überdenken. Auch das Thema Finanzen bleibt nicht außen vor: Es fehlten bei der aktuellen Kulturförderung und deren Rückgang, dem Theater etwa 140.000 Euro jährlich, wolle man sowohl die Hausangestellten als auch die freien Künstler*innen aller Gewerke anständig und nach Tarif bezahlen.

Das betreffe alle freien Theater, die Aufwüchse in der Kulturförderung von Land und Kommunen hielten nicht mit den steigenden Lebenspreisen Schritt. Wenn das so weitergehe, so Gerhard Seidel leicht bekümmert, dann drohe „ein personelles Austrocknen“ der freien Szene, das bereits spürbar begonnen habe.

Plakat zur kommenden Premiere von „Grusel“ im Schaukasten der FWT Hofeinfahrt

Das FWT hat aber immerhin mit seiner Preispolitik bei den Eintrittskarten seit einem Jahr eine gute Erfahrung gemacht: Die Einführung der „Zahle-was-Du-kannst“-Tickets habe, wie die Publikumsumfragen ermittelten, teilweise bis zu 80% Erstbesucher*innen am Abend ins FWT geführt. Die nächste Premiere, die Koproduktion „Grusel“ mit dem renommierten Theaterkollektiv pulk fiktion, gibt es am 31. Oktober zu erleben.

Text: Judith Levold

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